Das große Ziel ist Unterricht für alle bis zu den Sommerferien. Der Weg soll über unterschiedliche Varianten führen. Sicher ist nur: Schule wird sich nach den Erfahrungen der Krise grundlegend ändern.
Ein Blick in den Blätterwald und die einschlägigen Social-Media- Kanäle vermittelt das schiere Grausen. „Schulkatastrophe", „Schulversagen" „Note: mangelhaft" sind dabei fast noch die harmloseren Beschreibungen. Die Krise entlarve schonungslos die Mängel und Rückständigkeiten des Schulsystems: Das zog sich als roter Faden durch die Kommentare.
Ohne Zweifel hat die Corona-Zwangspause für das Schulsystem ähnliche Auswirkungen wie in allen übrigen Lebensbereichen. Krisen haben es nun mal so an sich, dass sie ziemlich gnadenlos latente Schwächen offenlegen – aber eben auch die positiven Seiten, die zuvor wie Selbstverständlichkeiten hingenommen wurden.
Knapp elf Millionen Schülerinnen und Schüler waren für das Schuljahr 2019/2020 in allgemeinbildenden und beruflichen Schulen gemeldet (Angaben: Statista). Dahinter stehen Eltern und Großeltern. Die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot spricht schlicht von einer „systemrelevanten Einrichtung". In der Tat ist Schule einer der zentralen Bereiche, der den Lebensalltag des überwiegenden Teils der Bevölkerung direkt oder indirekt prägt. Auch deshalb sind alle Diskussionen über Schule bunt und vielfältig, engagiert und hitzig.
Das gilt natürlich auch für die Debatten um eine schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht, um die Fragen nach Abschlüssen, Ferienregelungen, Samstagsunterricht und zuletzt auch die sogenannten „Brückentage". Schulschließungen waren zwar Entscheidungen, die den Verantwortlichen nicht leicht gefallen sind, die richtig große Herausforderung ist jetzt aber der Weg der Öffnungen.
Debatte wird neu beflügelt
Die Meinung der Bevölkerung ist laut Blitzumfragen gespalten. Bei jedem Schritt und jeder Entscheidung ahnt jeder Verantwortliche, was auf ihn zukommt, wenn es nicht funktioniert. Und das in einer Situation, in der das Fehlen einer Blaupause zum geflügelten Wort geworden ist.
Die ansonsten viel gescholtene Kultusministerkonferenz (KMK) hat erstaunliche Handlungsfähigkeit gezeigt, auch wenn die länderspezifisch unterschiedlichen Zeitpläne auf den ersten Blick die Standardkritik am „Flickenteppich" auf den Plan rief. Dass fast gleichzeitig in eher zentralistischen Ländern wie Frankreich bereits ein der Situation angemessen regional differenziertes Vorgehen beschlossen wurde, sei da nur nebenbei erwähnt.
Trotzdem haben natürlich die Krisenerkenntnisse die Debatte um den Bildungsföderalismus neu beflügelt. Aktuell scheint es, als hätten die Föderalisten in der Sache eher gute Argumente auf ihrer Seite. Viel spricht jedenfalls dafür, dass die Debatte um den Bildungsföderalismus vor dem aktuellen Hintergrund mit durchaus anderen Argumenten geführt werden kann und muss. Aktuell steht allerdings zunächst noch die Bewältigung der Übergangsphase im Zentrum, wobei niemand verbindlich sagen kann, wie lange die noch dauert. Ziemlich überwiegend ist die Einschätzung, dass auch zumindest noch das nächste Schuljahr unter Corona-Bedingungen stehen wird. Das gilt nicht nur für organisatorische Maßnahmen. Schon die Vorbereitung auf die Öffnungsphase war stark geprägt von Überlegungen, wie die Erfahrungen der zurückliegenden Wochen in neue Konzeptionen einfließen können. Im Zentrum steht dabei der „Digitalisierungsschub", was deutlich mehr umfasst als die technische Seite, die für sich genommen schon ausreichend Herausforderung ist. Das war zwar schon vor der Krise klar, worauf die Politik mit dem Digitalpakt Schule reagiert hat, hat aber jetzt eine neue Dimension erfahren.
Dass es um mehr geht, zeigt die Diskussion um die möglichen Verlierer dieser Krise, um die Befürchtung einer schärferen sozialen Spaltung im Bildungssystem. Modelle, die zuvor eher in mehr oder minder zaghaften Projekten auf den Weg gebracht wurden, können mit ihren Erfahrungen Vorbildcharakter bekommen. Beispielsweise das Projekt „Schule stark machen", im Saarland 2018 gestartet, auf Bundesebene von Bund und Ländern 2019 verabredet.
Wenn etwas plötzlich fehlt, erkennt man zuweilen dessen Wert ganz neu. Eine Krise wiederum setzt auch Kreativität zur Bewältigung frei. Schule wird nach der Krise eine andere sein. Wie die aussieht, darüber entscheiden auch Experimentierfreude und Bereitschaft, richtige Schlüsse für eine kluge Balance zu ziehen. •