In der Sportwelt hat das Coronavirus eine schwere Krise ausgelöst. Jedoch ist nicht nur der professionelle Sport davon betroffen, auch Vereine des Breitensports wurden getroffen – wahrscheinlich sogar noch stärker.
Der Ball in der Fußball-Bundesliga rollt wieder. Das war für viele Menschen ein wichtiges Anliegen. Zuschauer, Spieler sowie Politiker. Dabei ging um es viel Geld. Auf der Welt gibt es aber weitaus mehr Sport als nur den finanzstarken Fußball. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), sah die Wiederaufnahme der Fußball-Bundesliga inmitten der Corona-Krise mit gemischten Gefühlen. „Wir drücken Christian Seifert, der DFL und den Bundesligavereinen die Daumen. Aber wir sehen es durchaus an mancher Stelle auch mit einer gewissen Sorge, wie sich das Thema dann in der Praxis bewähren wird“, sagte der 59-Jährige im Deutschlandfunk. Bilder vom laxen Umgang mit den Abstands- und Hygieneregeln bei Hertha BSC oder die bekannt gewordenen positiven Testergebnisse beim Zweitligisten Dynamo Dresden würden zeigen, dass ein solches Konzept neben vielen Chancen auch ganz beachtliche Risiken mit sich bringe. Dennoch müsse man auch wirtschaftliche und finanzielle Sorgen in der gesamten deutschen Sportlandschaft ernst nehmen. „Sonst sieht es an vielen Stellen zappenduster aus. Die Stunde der Wahrheit ist näher, als es manchem im Moment bewusst ist“, sagte Hörmann und nannte Finanzhilfen des Bundes als mögliche Lösung. Dennoch hat Hörmann insgesamt mit Erleichterung auf die Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen im Bereich des Breitensports reagiert. Dies sei wichtig für die insgesamt 27 Millionen Mitglieder und 90.000 Vereine an der Basis, die er zudem als „soziale Tankstellen in unserem Lande“ bezeichnete. Hörmann mahnte dabei zur Vorsicht. „Man muss sich aber auch stets die Frage vor Augen halten: Wie viel Lockerung, wie viel Öffnung macht Sinn? Wieviel ist guten Gewissens zu verantworten?“
„Wieviel ist zu verantworten?“
Anstatt die Politik vorschnell unter Druck zu setzen, habe der DOSB stattdessen versucht, gemeinsam mit der Sportministerkonferenz „wertvolle und wichtige Leitplanken“ zu erarbeiten, mit denen eine „relativ gute Grundlage für verantwortungsbewusstes Handeln gegeben sein dürfte“. Jedem Sporttreibenden oder Verantwortlichen stehe aber selbstverständlich frei, in dieser unsicheren Zeit auch weiter auf Sport zu verzichten. Dies gelte auch für Profisportler, die den Wettkampf oder das Training aussetzen könnten. „Es wird kein Athlet zu irgendetwas gezwungen“, sagte Hörmann: „Mir ist auch kein einzelner Fall bekannt, in dem ein Athlet dazu verpflichtet wird zu starten.“
Immerhin gibt der Re-Start der Bundesliga den anderen, weniger beachteten, Sportarten ein wenig Hoffnung. Im Basketball hofft die Bundesliga darauf, ihre Saison mit einem großen Turnier unter zehn Mannschaften zu Ende spielen zu können. Das soll in München stattfinden. Die Politik wartet aber noch mit grünem Licht. Auf dem Eis findet noch kein Training statt, die Deutsche Eislauf-Union empfiehlt ihren Kaderathleten – auch Paarläufern und Eistänzern – stattdessen Übungseinheiten auf dem Trampolin und motorbetriebenen Drehscheiben. Ob der traditionelle Saisonauftakt Ende September in Oberstdorf (Nebelhorn-Trophy) stattfinden kann, ist noch unklar. Die Deutschen Meisterschaften sollen erst im Dezember in Hamburg ausgetragen werden. Auch im Handball geht es aufwärts: Die Männer des SC DHfK Leipzig bestritten nach gut acht Wochen erstmals wieder eine gemeinsame Trainingseinheit – mit persönlichen Trainingsgeräten, einer persönlichen Harzdose und personifiziertem Desinfektionsmittel. Künftig wollen die DHfK-Handballer zwei Halleneinheiten pro Woche absolvieren, um dem Verletzungsrisiko für die Zeit nach der Corona-Krise vorzubeugen. Die Saison im Handball wurde nämlich schon vor geraumer Zeit beendet, der Start der neuen Saison steht noch in den Sternen. Der Kanu-Bund gibt derweil an, nun „die ersten Schritte zurück zu einer gewissen Normalität“ machen zu wollen. Das gilt vor allem für die zahlreichen Freizeitsportler in Deutschland. „Dabei ist es von großem Vorteil, dass unser Sport fast ausnahmslos im Freien durchgeführt wird“, teilte der DKV mit und sprach sich gegen Fahrten in Mannschaftsbooten aus. Eine Art Mannschaftsboot gibt es auch im Rudersport, der Achter muss aber weiterhin in der Garage verweilen. Im Einer darf wieder trainiert werden. „Wir freuen uns, dass der Ruderbetrieb in allen Bundesländern wieder anlaufen kann“, sagt der DRV-Vorsitzende Siegfried Kaidel. Wann wieder im Zweier oder gar im Vierer gerudert werden kann, ist derzeit nicht absehbar.
Bei den Leichtathleten ruhte bis auf die Ausnahmen im Spitzensport an den Bundesstützpunkten der Trainingsbetrieb aufgrund der Corona-Pandemie. Auch Wettkämpfe finden national und international nicht statt. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hofft auf eine sogenannte Late Season für seine Athleten und hat ein vierseitiges Positionspapier für den Wiedereinstieg in einen geregelten Betrieb erstellt. Dieser sei „grundsätzlich möglich“. Wichtigste Voraussetzungen: Abstand halten und das Einhalten von Hygieneregeln. Der Deutsche Tennis Bund treibt seine Planungen für die neue, nationale Turnierserie weiter voran. Nach einem Testlauf soll es am 8. Juni losgehen, mit dabei sind Jan-Lennard Struff und Laura Siegemund. „Ich finde diese Idee einfach cool“, sagte Struff. Aufgrund der Corona-Krise pausiert die internationale Tennistour derzeit bis mindestens 13. Juli.
Leichtathleten hoffen auf eine „Late Season“
Und trotz der verbesserten Aussicht für die kommenden Wochen wird die Sportlandschaft mit Spätfolgen rechnen müssen. Den Vereinen drohen Mitgliederaustritte und zahlreiche Insolvenzen. Zudem ist die Frage, ob und wie hauptamtliche Mitarbeiter und Trainer gehalten werden können – auch mit Blick auf die olympischen Spitzensportler. Der Sport und seine Vereine sind nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern vor allem auch sozialer Pfeiler der Gesellschaft. Nicht absehbar sind die physischen und psychischen Schäden, die durch Nichtbewegung und Wegfall der Sozialkontakte entstehen – da geht es um Integration, Inklusion, Gesundheitsförderung oder Rehabilitation. Auch viele Kinder und Jugendliche sind vom Sport-Stopp massiv betroffen. Doch egal, ob Rudern, Tennis oder Laufen: Wer nach wochenlanger Untätigkeit wieder voller Vorfreude mit dem Sport beginnt, sollte es etwas ruhiger angehen lassen. Denn eine lange Corona-Zwangspause hat womöglich ihren Tribut gefordert. Die Muskeln und Bänder sind nicht mehr so geschmeidig. Das erhöht die Gefahr von Zerrungen und Rissen. Außerdem hat möglicherweise die Technik gelitten und die Leistungsfähigkeit abgenommen.
„Man darf nicht da anfangen, wo man aufgehört hat“, rät Prof. Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie an der Deutschen Sporthochschule Köln. Und nicht verzweifeln, wenn es nicht so schnell wie erhofft wieder aufwärtsgeht: „Nach langen Sportpausen dauert es durchaus noch einmal die doppelte Zeit, bis man wieder auf dem alten Niveau ist“, sagte er dem Sportinformationsdienst. Wer zum Beispiel im Fitnessstudio nicht mehr die gewohnten Gewichte hochstemmen kann, sollte die Kilogrammzahl reduzieren und dafür mehr Wiederholungen machen – zwölf bis 15 Stück, empfiehlt der Experte.
Tennisspielern rät Froböse, zunächst das Augenmerk auf die Technik zu legen und nicht sofort im Wettkampf zu spielen – und wenn doch, dann lieber auf einem langsameren Belag wie Sand statt auf dem Hartplatz. Generell sei bei allen Schnelligkeitssportarten nach der Pause die Verletzungsgefahr höher, weil die Muskulatur Geschmeidigkeit verloren habe. Auch Golferinnen und Golfer gehen lieber nicht gleich auf die 18-Loch-Runde, sondern holen sich auf der Driving Range lieber erstmal das Gefühl für den Schwung zurück, empfiehlt Froböse. Menschen, die lange auf ihren Sport verzichtet haben, werden damit leben können, erst einmal langsam zu starten. Hauptsache, es geht wieder los.