Das Saarland steht vor der Doppelherausforderung Strukturwandel und Pandemie-Krisenbewältigung. Zwei neue Landesgesellschaften sollen den Transformationsprozess unterstützen.
Die letzten Zahlen sehen noch relativ entspannt aus. Der Oktober zeigt auf dem Arbeitsmarkt ein Stück weit so etwas wie eine Herbstbelebung. Von Entwarnung will die Bundesagentur für Arbeit aber nichts wissen. Die Veröffentlichung der Oktoberzahlen kam einen Tag, nachdem sich Ministerpräsidenten und Kanzlerin auf einen Teil-Lockdown für November verständigt hatten. Wie der sich auf die weitere Entwicklung auswirkt, ob es überhaupt bei November bleibt, ist mehr als ungewiss.
Am Montag, 16. November, will die große Runde nach 14 Tagen erst einmal Zwischenbilanz ziehen. Dass dann die bestehenden Einschränkungen verlängert, eventuell sogar verschärft werden müssten, darauf hatte Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) schon früh hingewiesen. Der Arbeitsmarkt hat sich bis dahin als „ziemlich robust" erwiesen, betonte Walter Hüther, stellvertretender Chef der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz/Saarland der Bundesagentur, um aber gleich darauf zu verweisen, dass dies wesentlich den arbeitsmarktpolitischen Beschlüssen zur Bewältigung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen zu verdanken ist. Dazu gehören neben dem Hauptinstrument der Kurzarbeit auch eine Reihe weiterer flankierender Maßnahmen, wozu auch die befristeten Regelungen für Insolvenzen gehören. Das führt logischerweise immer wieder zur Frage, inwiefern diese coronabedingten Regelungen den Blick auf die Entwicklungen dahinter etwas verstellen.
Beteiligung mit Kapitalgesellschaft
Konkret tauchen immer öfter Fragen danach auf, ob nicht womöglich eine nachgeholte Pleitewelle erst zeigen wird, welche Auswirkungen die Pandemie tatsächlich hat, und zugleich auch, inwiefern im Zuge der umfänglichen Hilfspakete eigentlich absehbare Insolvenzen verschoben wurden.
Die Industrie- und Handelskammer Saar mahnt deshalb auch: „Die positive Entwicklung (Oktober, Anm. d. Red,) darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt durch das Infektionsgeschehen und den Strukturwandel in der Saar-Industrie weiter angespannt bleibt."
Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) sieht die Saar-Wirtschaft „in der Zange". Dass die mit den Stahl- und Automobilstrukturen ohnehin vor einem tiefgreifenden Wandel steht, war lange vor Corona klar, die Pandemie mit dem ersten Lockdown im Frühjahr hat dann fast die gesamte Wirtschaft in einen Strudel gezogen.
Bereits im Zuge der Verhandlungen über einen Nachtragshaushalt zur Bewältigung der Pandemie-Folgen hatte Wirtschaftsministerin Rehlinger einen „Stabilisierungs- und Beteiligungsfonds" eingebracht als ein Instrument, Unternehmen zu stützen, bei denen Direkthilfen und Kredite bis dato nicht möglich gewesen seien.
„Ich will den Strukturwandel nicht demütig ertragen, sondern aktiv gestalten", betonte die Ministerin. Zuvor hatte die Landesregierung zur Umsetzung zwei Landesgesellschaften auf den Weg gebracht, über die die Umsetzung erfolgen soll. Mit der Saarland Eigenkapitalgesellschaft (SEK) sind direkte Beteiligungen des Landes an Unternehmen möglich, die in Schieflage geraten sind. Diese möglichen Beteiligungen sind allerdings an eine Reihe von Voraussetzungen und wirtschaftliche Kriterien geknüpft.
So soll die SEK „wie ein marktwirtschaftlich handelnder Investor" agieren. Das bedeutet, dass vor einer Beteiligung gutachterlich ermittelt wird, ob bei einer späteren Veräußerung der Anteile eine Rendite realistischerweise zu erwarten ist. Damit wäre der Anteilserwerb nicht als Beihilfe zu bewerten. Die andere Möglichkeit öffentlicher Beteiligung in einem befristeten Rahmen wäre möglich, wenn Unternehmen durch die Pandemie in eine Notlage geraten sind – und nicht schon vorher in einer Krise gesteckt haben. Als Anteilseigner kann das Land dann über die SEK mithelfen, das Unternehmen zu stabilisieren, beispielsweise schon dadurch, dass es für neue Kreditfähigkeit sorgt. Um den Einfluss zu sichern, erwirbt in solchen Fällen die SEK einen Anteil von 25,1 Prozent.
Das Land wolle eben „nicht 1:1 das Modell Lufthansa verfolgen", betont die Wirtschaftsministerin. Bei der Lufthansa hat sich der Bund mit Milliardenbeträgen engagiert, ohne unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftspolitik zu nehmen. Dass Lufthansa trotz der massiven staatlichen Unterstützung zur Sanierung unter anderem Entlassungen angekündigt hat, hat entsprechend für heftige Kritik gesorgt.
Durch die im saarländischen Modell vorgesehene mindestens 25,1-Prozent- Beteiligung soll sichergestellt werden, „dass wir mitentscheiden können", eben auch im Hinsichtlich der Sicherung von Arbeitsplätzen. Das gilt im Zweifel aber auch als Schutz vor Übernahmen oder, wie es in der Vergangenheit immer wieder der Fall war, dem Verkauf von Know- how. Für die Eigenkapitalgesellschaft stehen im Nachtragshaushalt 40 Millionen zur Verfügung. Damit können, so Rehlinger, letztlich bis 200 Millionen mobilisiert werden, mit denen die SEK agieren könne.
Als zweites Instrument zur Gestaltung des Strukturwandels soll die Gesellschaft für Transformationsmanagement Saar als begleitender Akteur für den Wandel auf dem Arbeitsmarkt aktiv werden. Während im Strukturwandel, beziehungsweise eben im Transformationsprozess, auf der einen Seite in Unternehmen über Sozialpläne verhandelt werde, würden andere Unternehmen nach Fachkräften suchen. Zwar gibt es zahlreiche Programme und Förderprogramme, das Problem sei oft aber die passgenaue Vermittlung beziehungsweise die passgenaue Qualifikation. Deshalb soll sich die neue Gesellschaft neben Beschäftigten- und Fachkräftetransfer um den Aufbau eines Qualifizierungsnetzwerkes kümmern und das in engem Austausch mit der Bundesagentur für Arbeit, deren originäre Aufgabenfelder von der neuen Gesellschaft nicht tangiert werden.
Personalmanagement bei Transformation
Mit ihren Konstruktionen sollen, so die Erwartung des Wirtschaftsministeriums, die beiden großen Herausforderungen, nämlich Bewältigung der akuten Krise und der Transformationsprozess der Saar-Industrie unterstützt und gefördert werden.
Bereits vor der Corona-Pandemie waren die Kerne Stahl und Auto bereits in einem Prozess der Neuorientierung. In Dillingen setzt man in der Perspektive auf CO2-neutrale Stahlproduktion, Wasserstoff wird seit einigen Wochen im Regelbetrieb gefahren. Wasserstoff ist auch in den anderen industriellen Bereichen zu einem immer zentraleren Stichwort für das Land geworden.
Gleichzeitig zeichnete sich auch schon im vergangenen Jahr eine schwierigere Phase für das exportorientierte Land ab, unter anderem sichtbar geprägt durch Unsicherheiten wie Brexit oder Erosionen internationaler Rahmenbedingungen. Die Pandemie verschärfte die Entwicklung bis zur drohenden weltweiten Rezession, wobei es über die Sommermonate noch den Anschein hatte, dass sich die deutsche Wirtschaft womöglich doch etwas schneller vom Lockdown erholen könnte als zunächst angenommen. Die Zahlen für das dritte Quartal deuteten in diese Richtung.
Die explosionsartige Entwicklung der Infektion im Oktober machte den derzeitigen Teil-Lockdown notwendig. Verbunden war damit auch die Hoffnung, die Zahlen so weit in den Griff zu bekommen, dass wieder an ein halbwegs akzeptables Weihnachtsgeschäft zu denken wäre. Das lassen die jüngsten Entwicklungen aber eher als fraglich erscheinen.