Die Mammografie gilt als Goldstandard zur Brustkrebs-Früherkennung. Doch weil das Screening nicht unumstritten ist und von vielen Frauen als unangenehm empfunden wird, wird an neuen Diagnose-Methoden geforscht: 2019 wurde ein fragwürdiger Bluttest vorgestellt, diesen Sommer ein Test mit Tränenflüssigkeit.
Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind jährlich rund eine Million Frauen weltweit von einer Brustkrebs-Neuerkrankung betroffen. In Deutschland erhalten pro Jahr im Schnitt 69.000 Frauen die meist schockierende Diagnose. Brustkrebs ist damit hierzulande die mit Abstand häufigste Krebserkrankung der Frau, im Schnitt ist jede achte Bundesbürgerin davon betroffen. Und obwohl die Heilungschancen bei frühzeitiger Erkennung und lokaler Karzinom-Begrenzung ohne Fernmetastasen mit 90 Prozent erfreulich hoch sind, sterben dennoch jährlich rund 18.000 Patientinnen. Dass auch Männer in seltenen Fällen an Brustkrebs erkranken können, soll ebenfalls kurz erwähnt werden. In Deutschland wird die Diagnose bei Männern jährlich rund 700-mal gestellt. Jüngere Frauen sind nur selten betroffen, doch ab dem 40. Lebensjahr und besonders ab dem 50. ist eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos erkennbar, das ab 70 Jahren wieder absinkt. Das Durchschnittsalter, in dem deutsche Frauen an Brustkrebs erkranken, liegt bei 64 Jahren, womit es unterhalb des Mittels aller Krebserkrankungen liegt. Jede vierte Betroffene ist jünger als 55 Jahre, und jede zehnte Frau ist jünger als 45 Jahre.
Seit die Mammografie 2004 in Deutschland als flächendeckendes gesetzliches Früherkennungsprogramm für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren eingeführt worden war, hat sich das Screening als ausgereifte Technik bewährt, vor allem weil sich dank frühzeitiger Diagnose die Heilungschancen deutlich erhöht haben. Auch wenn laut Einschätzung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) „hundertprozentig sichere Aussagen" selbst mit der Mammografie nicht möglich sind. Das Restrisiko, dass Tumore übersehen werden könnten, kann also nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Es kann daher beim Screening zu falsch-negativen Befunden kommen, was ebenso problematisch ist wie die falsch-positiven Befunde, bei denen gutartige Auffälligkeiten als krankhaft diagnostiziert werden. Fraglos mit ein Grund dafür, dass die Mammografie als Brustkrebs-Früherkennungsmethode, die auf freiwilliger Basis alle zwei Jahre kostenfrei von den jahrgangsmäßig dafür bestimmten Frauen in Anspruch genommen werden kann, selbst laut DKFZ „nicht unumstritten" ist. Zusätzlich weist das DKFZ auf die Strahlenbelastung bei der Röntgenuntersuchung hin, „das Risiko von Schäden ist zwar sehr gering, aber nicht gleich null." Und obwohl die Mammografie weitgehend schmerzfrei abläuft, weckt die Methode bei vielen Frauen noch immer ein diffuses Unbehagen. Bei jüngeren Frauen ab 30 Jahren wird im Rahmen der jährlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen der Brustbereich bis zu den Achselhöhlen abgetastet, wobei etwaige Schwellungen oder Knoten aufgespürt werden können, nicht aber beispielsweise kleine Tumorzellnester. Speziell auch für diese Gruppe der jüngeren Frauen könnten neue Brustkrebs-Früherkennungmethoden sehr hilfreich sein, an denen die Forschung seit einigen Jahren als Alternativen zur Mammografie tüftelt.
Für jüngere Frauen wären neue Methoden sinnvoll
Anfang 2019 waren Wissenschaftler der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg und des aus der Uni Heidelberg ausgegründeten Unternehmens Hei Screen an die Öffentlichkeit gegangen, um ein auf Bluttests beruhendes Früherkennungsverfahren für Brustkrebs publik zu machen. Ungewöhnlich und daher vom DKFZ auch wenig später kritisiert, dass keine offizielle Publikation der Studiendaten erfolgt war. Was erklären mag, dass viele Experten zunächst mehr als zurückhaltend bei der Bewertung der neuen Methode waren, deren baldige Marktreife von den Verantwortlichen vorschnell verkündet worden war. Doch was in zahlreichen Medien wie der „Bild"-Zeitung als „Weltsensation aus Deutschland" oder bei RTL als „medizinischer Durchbruch" gefeiert worden war, sollte sich Anfang 2020 laut Deutschlandfunk als „Medizinskandal" entpuppen. „Das klang schon aufregend", so der renommierte Wissenschaftsjournalist und Biochemiker Volkart Wildermuth gegenüber Deutschlandfunk. „Die Heidelberger Forscher versprachen da, Brustkrebs anhand einer Blutprobe erkennen zu können, das gehört zum Feld der Liquid Biopsie, der flüssigen Biopsie, das ist ein heißes Forschungsthema. Die neue Methode sollte genauso sensibel sein wie die Mammografie, nur eben ohne Strahlenbelastung. Wenn das gestimmt hätte, wäre es tatsächlich bemerkenswert. Aber schnell stellte sich heraus, da passt vieles nicht zusammen." Auch das DKFZ hatte erhebliche Zweifel an den Erfolgsmeldungen angemeldet, wonach beim Test bei 75 Prozent der untersuchten 500 Brustkrebspatientinnen die Erkrankung angezeigt worden sein sollte.
Eine seriöse Studie zu einem Bluttest-Krebsfrüherkennungsverfahren hatten 2018 Forscher der John Hopkins University in Baltimore vorgelegt. Bei 1.005 Patienten, die an Krebs in verschiedenen Stadien erkrankt waren, konnten dank der Identifizierung abgestorbener Tumorzellen im Blut acht weit verbreitete Krebsarten nachgewiesen werden, wobei die Trefferquote bei Eierstock- und Leberkrebs mit 98 Prozent sehr hoch war, während Brustkrebs-Zellen nur bei einem Drittel der Erkrankten gefunden werden konnten. Eine verlässliche Früherkennung von Brustkrebs per Bluttest scheint daher allenfalls ein ambitioniertes Fernziel zu sein. Wissenschaftler der John Hopkins University hatten übrigens zudem in einer diesen Sommer im „Journal of Cell Biology" publizierten Studie aufzeigen können, dass natürliche Killerzellen durch längeren Kontakt mit Tumorzellen so umprogrammiert werden können, dass sie zu Förderern des Tumorwachstums werden können. Ein fataler Effekt, der sich jedoch laut den Forschern durch den Einsatz spezieller Antikörper verhindern lasse.
Tränenflüssigkeit zum Nachweis extrazellulärer Vesikel von Krebszellen
Auch beim neuen, von Forschern der japanischen Universität Kobe unter Leitung von Prof. Toshifumi Takeuchi entwickelten Tränenflüssigkeit-Schnelltestverfahren für Brustkrebs namens „TearExo" spielt das Tumor-Monitoring mittels Flüssigbiopsie eine zentrale Rolle. In Deutschland hatten Forscher rund um die in Mainz ansässige Johann-Gutenberg-Universität und die dortige Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit bereits 2004 erste Untersuchungen nach Biomarkern im Serum und in der Tränenflüssigkeit von Patientinnen vorgenommen hatten, ohne jedoch an die im Fachmagazin „Jacs. Journal of the American Chemical Society" im Frühjahr veröffentlichten Ergebnisse der japanischen Kollegen heranreichen zu können. Die Forscher hatten ihr Augenmerk auf sogenannte Exosomen gerichtet, bei denen es sich um winzig kleine, zirkulierende und von der betroffenen Krebszelle abgeschnürte sogenannte Vesikel handelt, die mit dem Blut im Körper verteilt werden und dadurch auch in die Tränenflüssigkeit gelangen. Die Besonderheit der Exosomen besteht darin, dass sie zahlreiche Informationen über Genetik, Gesundheit und Herkunft ihrer Kernzellen enthalten, sodass sie für Diagnoseverfahren als Krankheitsbiomarker perfekt geeignet sind. Die enthaltenen Proteine oder Erbgut-Fragmente lassen genaue Rückschlüsse auf die Zellen zu, von denen die Exosomen abstammen. „Diese kleinen extrazellulären Vesikel sind daher verlässliche Biomarker für eine frühe Krebserkennung", so Prof. Takeuchi.
Im Labor benutzte das Team ein mit Antikörpern gegen Exosomen-Komponenten von Brustkrebszellen und fluoreszierenden Indikatormolekülen beschichtete Glasplatte, auf die anschließend eine Tränenflüssigkeit aufgetropft wurde. Um die Reaktion der Antikörper mit den Exosomen zu erkennen, wurde die Glasplatte in ein die Fluoreszensmarker aktivierendes Analysegerät eingeschoben. Schon nach zehn Minuten konnte der Nachweis erbracht werden, ob Brustkrebs-Bestandteile in der Flüssigkeit enthalten waren. Nach dem Labor-Experiment folgte ein Praxistest mit Tränenproben von Brustkrebs-Patientinnen und gesunden Kontrollteilnehmerinnen. „Der Test unterschied klar zwischen Tränen gesunder Spenderinnen und denen der Brustkrebspatientinnen", so Prof. Takeuchi in einem Report des Portals scinexx.de. „Damit haben wir zum ersten Mal erfolgreich Tränen genutzt, um extrazelluläre Vesikel von Krebszellen nachzuweisen." Zusätzlich habe sich mit dem Schnelltest auch noch nachweisen lassen, ob eine akute Brustkrebserkrankung vorlag oder ob schon eine Brust-Operation erfolgt war. Was zusätzlich für einen Einsatz des Tests in der Nachkontrolle sprechen könnte. Ob die Analyse von Tränenflüssigkeit tatsächlich das Potenzial hat, eine echte Alternative zur Mammografie werden zu können, möchten die Forscher mithilfe einer größeren klinischen Studie überprüfen.
Geplant ist, schon 2021 eine Zulassung des Tests bei der japanischen Arzneimittelbehörde zu beantragen. „Unser Nanotestverfahren kann leicht an die spezifische Erkennung anderer Tumorarten angepasst werden, indem man die Antikörper austauscht", so Prof. Takeuchi.