Kias SUV-Flaggschiff ist vollvernetzt: Mit seinen Assistenten ist der Sorento auf der Höhe der Zeit und hat sich von seinen Wurzeln weit entfernt – technisch, optisch, praktisch. Wir sind die erstmals aufgelegte Hybridversion gefahren.
Zum Warmwerden cruisen wir mit Richtgeschwindigkeit über die Autobahn. Wir müssen die Spur wechseln, setzen den Blinker links. Aus Sicherheitsgründen ist das für die meisten Autofahrer eine Selbstverständlichkeit. Doch im Digitaldisplay des Sorento geschieht Ungewöhnliches: Dort verschwindet der Tachometer. Anstelle dessen erscheint ein rundes Kamerabild. Es zeigt, was die im linken Seitenspiegel eingebaute Weitwinkelkamera ablichtet: den toten Winkel, besser als man ihn bei einem Schulterblick einsehen könnte. Das System, das auch auf eine Kamera im rechten Spiegel Zugriff hat, ist nur das augenfälligste Fahrerassistenzsystem, das das neue SUV-Flaggschiff des südkoreanischen Herstellers auffährt.
Der Ursprungs-Sorento von 2002, bereits im Look eines SUV seiner Zeit, hatte zunächst noch nicht einmal ESP an Bord. Er fuhr auf einem schaukeligen Leiterrahmen mit Starrachse, hatte eine Geländereduktion und richtete sich damit noch an hemdsärmelige Offroad-Fahrer – die es unter SUV-Kunden vielleicht nie so Recht gab. Von diesen Genen hat sich das südkoreanische Mittelklasse-SUV weit entfernt. Geländegängigkeit und Allrad als Option: ja, aber unter ferner liefen. Denn Assistieren und Vernetzen ist angesagt – bei der Kundschaft und auch im Auto. Bei zu engen Manövern piepst es im Sorento, und sein Lenkrad vibriert – wie in vielen Situationen, in denen das Auto Gefahr im Verzug und verbleibende Eingriffsmöglichkeiten beim Fahrer sieht. Das kann manchmal irritieren und sich in der Signalwirkung abnutzen, andererseits greift das Auto auch sinnhaft durch.
Der Totwinkelassistent würde im Notfall lenken und bremsen, um eine Kollision zu vermeiden. Ein Ausstiegsassistent (im Paket mit Totwinkelassistent ohne Kameras für 282 Euro) verriegelt die hinteren Türen, falls sich von hinten zum Beispiel ein Radfahrer nähert. Im Detail nicht ganz realitätskonform zeigte sich der adaptive Tempomat: Überlässt man ihm auch beim Überholen das Gaspedal, gerät das Manöver zäh, die Beschleunigung setzt erst nach dem Spurwechsel ein, nicht schon beim Blinken und erster Lenkbewegung. Dafür arbeitet das System in Verbindung mit dem Spurhalteassistenten jetzt bis Tempo 180 teilautonom.
Serienmäßig eingebaut sind Frontkollisionswarner, Notbrems-, Stau- und Verkehrszeichenassistent sowie ein Müdigkeitswarner. Verfügbar sind gegen Aufpreis ein Querverkehrswarner hinten inklusive Notbremsfunktion, Rundumsichtkamera, Kollisionsvermeidungsassistent und ein sogenannter Remote Parkassistent: Damit kann man den Sorento (nur als Diesel) wie ein Spielzeugauto fernbedienen und autonom aus einer Parklücke fahren. Das soll das Einsteigen erleichtern, wenn die Lücke zu eng ist. Die Sicherheit aber auch den Komfort steigern weitere Serienmerkmale: Sitz- und Lenkradheizung, LED-Scheinwerfer, Smartphone-Integration, digitaler Radioempfang.
Widmen wir uns wieder der Bodenhaftung und biegen auf eine Landstraße ein. Kurvenräuberei wie bei einer Sportflunder war nicht zu erwarten, aber für ein 1,70 Meter hohes Auto hält sich der Kia mit seitlichen Wankbewegungen zurück und fährt sich sogar ein bisschen agil. Gegenüber dem Vorgänger hat er an Lenkpräzision hinzugewonnen. Ein 1,8-Tonnen-Auto könnte schwerfälliger sein. Das recht straffe, aber nicht zu unkomfortable Fahrwerk bügelt Bodenwellen noch weg, doch mit Schlaglöchern kommt es weniger gut zurecht. Wenn es mal über eines hinwegrumpelt, knarzt immerhin im Gebälk nichts – ein Hinweis auf Steifigkeit der Karosserie.
Verbrauch deutlich geringer als beim Vorgänger
Der von uns gefahrene Hybrid büßt gegenüber dem noch einzig in der schmalen Motorenpalette vorhandenen Diesel an Drehmoment und Anhängelast etwas ein und wird bei den Verkäufen nach Kia-Erwartung wohl der Exot bleiben. Dennoch hat man sich die Entwicklungsmühen gemacht und das SUV erstmals mit der Kombination von Benzin- und Elektromotor ausgestattet. Anfang 2021 soll eine Plug-in-Hybrid-Version folgen.
Das Motorengespann im Vollhybriden agiert unauffällig, leise. Vor allem bei ziviler Fahrt bemerkt man kaum, wenn das Motormanagement den 44,2 kW starken Stromer aktiviert. Auch dank dessen Hilfe ist der Sorento in keiner Lebenslage überfordert, doch überbordend gibt sich die Motorisierung nicht im schweren Auto mit einer Systemleistung von 230 PS. Die Sechs-Stufen-Automatik agiert geschmeidig, nur bei beherzter Beschleunigung wird der Anzug während der Gangwechsel etwas gehemmt.
Ebenfalls reduziert: der Verbrauch. Gegenüber dem reinen Benziner der Vorgängergeneration liegt der Normverbrauch um 3,5 Liter niedriger, bei 5,6 Litern. Das ist angesichts des Realwerts von rund 7,5 Liter während unserer Fahrten zwar mal wieder weit untertrieben, aber wohl als Plus gegenüber dem Vorgänger zu werten. Eine variable Ventilsteuerung soll beim Spritsparen mithelfen und sogar die Leistung steigern. Allerdings hat die zum Teilzeit-Benziner gewordene Otto-Variante – ein reiner Benziner wird nicht mehr angeboten – den Diesel beim Einstiegspreis überholt. Der Hybrid kostet knapp 1.000 Euro mehr als der Selbstzünder.
Egal welches Herz unter der Motorhaube schlägt – der Sorento ist geräumiger geworden. In den Dimensionen ist er zwar nur leicht gewachsen, in alle Richtungen rund einen Zentimeter. Doch er baut auf Kias neuer Mittelklasse-SUV-Plattform N3 auf, die dem Wagen 35 Millimeter mehr Radstand beschert. Der Effekt: mehr Fahrkomfort und das Package ist vorteilhafter geraten.
Trotz Elektrifizierung und unterzubringender Batterie – sie ist im Unterboden verschwunden – hat das Kofferraumvolumen nicht gelitten. Im Gegenteil: Mit bis zu fast 2.100 Liter Stauraum hat der Neue um einiges hinzugewonnen. Praktisch sind die Fächer im Kofferraumboden, in denen Einkäufe kurvensicher unterkommen. Nur: Wenn die optionale dritte Sitzbank hochgeklappt wird, schrumpft das Stauvolumen auf 179 Liter. Spürbar ist auch der Raumgewinn im Fond, wo Bein- und Kopffreiheit nie bedroht sind – egal, in welcher Position sich die verschiebbaren Sitze befinden.
Äußerlich macht das Fahrzeugdesign mit wuchtigem Kühlergrill, Lufteinlässen, dicker D-Säule und den eklektizistisch an Range Rover oder Ford Mustang orientierten vertikalen Heckleuchten-Segmenten schon was her. Der Innenraum wirkt jedoch etwas bemüht auf Premiumqualität getrimmt. In Sachen Sitzkomfort gibt es nichts zu meckern, doch der Instrumententräger wirkt mit viel glänzendem Zierrat overdesignt und optisch unruhig. Dem Infotainment tut dies allerdings keinen Abbruch. Vor allem der 26-Zentimeter-Touchscreen in der Mitte des Dashboards lässt sich intuitiv bedienen.
Innenraum bemüht auf Premiumqualität getrimmt
Die serienmäßige Smartphone-Schnittstelle mit Sprachsteuerung für die Betriebssysteme Android Auto und Apple Carplay funktionierte während unseres Tests zumindest mit einem iPhone problemlos. Über Bluetooth können sogar zwei Geräte gleichzeitig gekoppelt werden. Um Mobilgeräte zu laden, gibt‘s eine Induktions-Ladeschale in der Mittelkonsole und USB-Anschlüsse sogar seitlich an den vorderen Sitzlehnen in Griffweite der Fondpassagiere. Und ein Konnektivitäts-Extra gibt es in Verbindung mit dem Touchscreen: Über Onlinedienste werden Echtzeitinformationen zu Verkehr und Wetter oder auch nahegelegene Parkmöglichkeiten angezeigt. Über Kias Uvo-App lässt sich eine geplante Route vom Smartphone ans Navi senden oder das Auto orten und fernverriegeln. Ebenfalls über die Handy-App wird die Navigation mobil fortgeführt, wenn man einen Restweg zum Ziel per Fuß zurücklegt.
Digital und vernetzt ist Kias SUV – und so gesehen auf der Höhe der Zeit – abgesehen davon vielleicht, dass Autos mit Verbrennungsmotor im Aufschwung der E-Mobilität grundsätzlich etwas Gestriges anhaftet. Dass man ihn auch als reinen Fronttriebler bestellen kann, dokumentiert ebenso wie die stets serienmäßigen Leichtmetallräder einmal mehr: Ins Gelände will mit so einem Auto kaum einer mehr. So fehlt es an tiefschürfender Geländetechnik wie Differentialsperren oder Untersetzungsgetriebe. Dennoch: Über den Fahrprogramm-Drehregler wappnet sich der Allrad-Sorento auch für Matsch, Sand und Schnee. Dazu hat er ein neues „Terrain Mode"-System an Bord, das über das Stabilitätsprogramm, die variable Verteilung des Drehmoments auf alle vier Räder sowie veränderte Schaltvorgänge die Traktion optimiert.
Neben einer Bergabfahrkontrolle hilft ausgerechnet moderne Rundum-Kameratechnik dabei, die Geländetauglichkeit aufrechtzuerhalten. Denn wenn vor der Windschutzscheibe bei krassen Steigungen nur noch Wolken und Baumspitzen auftauchen, hilft ein Blick aufs Display. Für alle Fälle.