Hertha BSC vermeidet mit dem 3:0 gegen Schlusslicht Schalke 04 einen „Unfall" zum Jahresauftakt – muss nun bei Arminia Bielefeld aber nachlegen.
Neues Jahr, neues Glück – so mochte sich das Bild von Hertha BSC zum Auftaktspiel 2021 gegen den FC Schalke 04 dargestellt haben. Der ramponierte Rasen im Olympiastadion frisch ausgetauscht, endlich einen Trikotsponsor präsentiert, Frieden zwischen Trainer und Star verkündet. Bei genauerem Hinsehen aber präsentierten sich die „frohen Botschaften" zumindest als ambivalent. Dass die indiskutable Vorstellung im Heimspiel gegen Mainz 05 (0:0) kurz vor Weihnachten unter anderem auf das holprige Geläuf geschoben wurde, führte jedenfalls auch dazu, dass in der Öffentlichkeit Kritik geübt wurde. Zumal es im letzten Spiel des Jahres 2020 für Hertha BSC auch noch eine böse 4:1-Schlappe in Freiburg zu verzeichnen gab. Der neue Werbepartner (das Berliner Maklerunternehmen „Homeday") wird dazu nur bis zum Saisonende auf der Brust prangen und ist somit nicht mehr als eine Übergangslösung für das seit Monaten köchelnde Thema. Und dass Bruno Labbadia nach seiner scharfen, öffentlich geäußerten Kritik an Matheus Cunha anschließend den Burgfrieden verkündete, wirkte nicht unbedingt wie eine Aufarbeitung des Konflikts. Der Brasilianer hatte Herthas Trainer jedenfalls mit seiner Vorstellung in Freiburg auf die Palme gebracht – mehr noch als die schwache Performance in den ersten 45 Minuten kritisierte Labbadia dabei die Körpersprache Cunhas („Er zieht sich und die anderen runter"). Die Stimmung rund um die Blau-Weißen war so vor der kurzen Spielpause auf einem vorläufigen Tiefpunkt seit Labbadias Amtsantritt im April 2020 angelangt. Das anstehende Duell zum Jahresauftakt 2021 gegen Schalke 04 wurde damit besonders belastet – gegen das seit 29 Spielen sieglose Schlusslicht wären alles andere als drei Punkte kaum vermittelbar gewesen. Die Wahrheit war allerdings natürlich auch, dass sich Labbadias Schützlinge in den vorangegangenen Begegnungen größtenteils ideenlos und verunsichert präsentiert hatten. Hinzu kamen dann noch zwei verletzungsbedingte Änderungen: Der Ausfall von Abwehrchef Dedryck Boyata hatte sich dabei bereits abgezeichnet, die Knieverletzung von Flügelflitzer Javairo Dilrosun jedoch war relativ frisch vermeldet worden. Während Boyata zum festen Korsett des Teams gehört, hatte sich der niederländische U21-Nationalspieler jüngst erst durch gute Auftritte für die Stammelf empfohlen – fällt jetzt aber wohl erneut wochenlang aus.
Labbadia nahm aber nicht nur gezwungenermaßen Wechsel in der Startformation nach dem Freiburg-Spiel vor: Maximilian Mittelstädt, Krzysztof Piatek und Jordan Torunarigha mussten diesmal zunächst von der Bank aus zusehen. In der Abwehrzentrale begannen so Niklas Stark und Omar Alderete, die dort noch nicht gemeinsam aufgelaufen waren. Auf der linken Seite kehrte dazu Marvin Plattenhardt ebenso ins Team zurück wie Mittelfeldspieler Lucas Tousart. Das Comeback von Jhon Cordoba in der Spitze nach knapp zweimonatiger Verletzungspause löste dazu neben Freude auch die Frage aus, ob der Kolumbianer schon bereit sei für ein Spiel, in dem es um viel geht. Für das abgeschlagene Schlusslicht sprach – neben der Tatsache, dass es praktisch nichts mehr zu verlieren hatte – dazu, dass es mit dem neuen Trainer Christian Gross in der Vorbereitung schwer einzuschätzen war. Außerdem hatten die Königsblauen mit dem langjährigen Co-Trainer von Hertha BSC, Rainer Widmayer, kurzfristig noch einen weiteren Assistenten präsentiert, der die Verhältnisse bei der „Alten Dame" kennt wie nur wenige.
„Wir haben viel Positionsspiel trainiert"
Die Hauptstädter taten sich dann in der ersten halben Stunde auch schwer: einerseits, weil Schalke gut verteidigte – andererseits, weil Hertha zu viele Fehler im Spielaufbau unterliefen und somit keine Sicherheit ins Spiel bekam. Als Matteo Guendouzi dann aber zehn Minuten vor der Pause einen abgeblockten Schuss von Cunha im Nachsetzen zum 1:0 veredelte, lief es fortan besser. Defensiv wurde deutlich weniger zugelassen, und nach dem Wechsel konnte Labbadias Elf nach vorne noch eine Schippe drauflegen. Der Plan, dem Gegner mit einem schnellen zweiten Treffer den Stecker zu ziehen, sollte aufgehen: Ausgerechnet Rückkehrer Cordoba vollendete den von Cunha eingeleiteten und von Vladimir Darida fortgesetzten Spielzug zum 2:0 nach 52 Minuten. Schalke reagierte, wie es von einem Abstiegskandidaten zu erwarten war: Es lief kaum noch etwas zusammen bei den „Knappen". Da Hertha nun offensiv nicht mehr mit letzter Konsequenz zu Werke ging, sollte es nur noch zu einem weiteren Tor reichen. Der gerade erst eingewechselte Krzysztof Piatek machte mit seinem Erfolgserlebnis dabei paradoxerweise Werbung dafür, dass er die bessere Lösung für die Rolle des „Jokers" ist als Sturmkollege Cordoba. So endete der vergangene Samstagabend mit einer soliden Pflichterfüllung und einem 3:0-Sieg, der angesichts der bedrohlichen Fallhöhe vor dem Spiel erst mal zur Erleichterung Anlass gab. Bruno Labbadia erwähnte dabei zwar korrekterweise, dass „nicht alles gut" gewesen sei, nutzte das Erfolgserlebnis ansonsten aber zur Motivation. Wichtiges „Ur-Vertrauen" in die eigenen Fähigkeiten habe sein Team mit dem Spiel zurückgewonnen – und: „Wir hatten uns viel vorgenommen, haben viel Positionsspiel trainiert – deswegen ist es schön", unterstrich der Coach den Lohn für die harte Trainingsarbeit. Auf Nachfrage erteilte er dazu Matheus Cunha ein verdientes Extra-Lob.
Klar ist aber auch: In den nächsten Wochen muss Hertha BSC bezüglich der Resultate nachlegen – wenn es bis Ende Januar mit Ausnahme von Eintracht Frankfurt gegen Mannschaften geht, die in der Tabelle hinter den Blau-Weißen liegen. Der kommende Gegner Arminia Bielefeld (Sonntag, 18 Uhr) hat zehn seiner zwölf letzten Spiele verloren, wird sich auf der heimischen „Alm" aber als unbequemer Widersacher erweisen. Trotzdem muss das Ergebnis am Ende aus Berliner Sicht stimmen, wenn man in der Spielzeit 2020/21 endlich in die Spur finden will – und Bruno Labbadia wieder unumstritten in seinem beigen Kamelhaarmantel an der Seitenlinie stehen darf. Das Kleidungsstück galt dem Berliner Boulevard nach vier ungeschlagenen Partien noch als Glücksbringer – bis die „B.Z." nach der Pleite in Freiburg gefordert hatte: „Bruno, häng’ den Mantel weg".