Dem Meerrettichbaum Moringa oleifera werden in der ayurvedischen Heilkunde schon seit Jahrtausenden Wunderkräfte zugeschrieben. Nun erobert das Multitalent auch die Beauty-Industrie.
Beim Stichwort Moringa flippen die Beauty-Profis regelrecht aus. Wird die Pflanze doch als angesagtes natürliches Wundermittel für seidig-glänzende Haare, als eine Faltenbildung hemmende Anti-Aging-Waffe und für den Haut-Glow von innen stärkendes Superfood gehandelt. Kein Wunder, ist die von den Briten während ihrer indischen Kolonialzeit auf den Namen Meerrettichbaum getaufte Pflanze – die ansonsten auch als Behenbaum bekannt ist – schon eine mehr als ungewöhnliche Spezies. Sie zählt zu den weltweit nährstoffreichsten Pflanzen überhaupt, die sich inzwischen von ihrer ursprünglichen Heimat in der nordwestindischen Himalaya-Region in andere tropische und subtropische Bereiche des Globus ausgebreitet hat. So gut wie alle Bestandteile des extrem schnell und bis zu einer Höhe von 30 Metern wachsenden Baums kann sich der Mensch zunutze machen. Das reicht von den Wurzeln, die das stärkste Meerrettich-Aroma aufweisen, über die Blätter bis hin zu Früchten, Samen und zur Rinde. Im pharmakologischen Fachjargon könnte man daher von einer hundertprozentigen Bio-Verfügbarkeit sprechen, weil sämtliche Inhaltsstoffe der Pflanze vom menschlichen Körper aufgenommen und verwertet werden können. Was erklären mag, dass dem Moringa oleifera auch die Ehrentitel „Baum des Lebens" oder auch „Wunderbaum" zuerkannt worden sind.
Von Pflege, über Anti-Aging bis hin zum Superfood
Etwas überraschend ist es da, dass die moderne westliche Naturkosmetik, die Beauty-Industrie sowie die Gesundheits- und Ernährungsbranche erst in den letzten Jahren auf den Meerrettichbaum aufmerksam geworden sind. Seitdem schöpfen sie aber das zuvor schier unerschöpfliche Potenzial der Pflanze zum forcierten Lancieren verschiedenster Produkte aus: von Pflege über Anti-Aging bis hin zu Superfood oder Nahrungsergänzung. Sogar als mögliches Patentrezept gegen diverse Krankheiten –
von Krebs über Bluthochdruck bis Diabetes – werden die Pflanzen-Inhaltsstoffe bereits gehandelt, auch wenn die diesbezüglich häufig zitierten medizinischen Studien wissenschaftlich noch nicht aussagekräftig genug sind.
Das Beauty-Geheimnis sind die Moringa-Inhaltsstoffe. Um die Wirksamkeit ihrer Premium-Pflegeprodukte zu steigern und letztlich auch die hohen Preise dafür zu rechtfertigen, konzentriert sich die Luxus-Beautybranche vor allem auf das Aufstöbern rarer Inhaltsstoffe aus den Tiefen des Meeres oder gar aus dem ewigen Eis. Viele Unternehmen setzen längst auf Edel-Viktualien wie Kaviar beim Komponieren ihrer Schönheits-Elixiere, von Hyaluron als Anti-Aging-Allzweckwaffe ganz zu schweigen. Hyaluronsäure ist eine der wenigen Substanzen, die in Moringa nicht enthalten ist. Ansonsten ist der Meerrettichbaum eine veritable Nährstoffbombe mit rund 90 Ingredienzen, die zudem auch noch 18 von 20 essenziellen Aminosäuren – darunter natürlich auch Omega-3-Fettsäuren – und 46 Antioxidantien enthält. Geradezu verblüffend ist das breite Vitaminspektrum mit hochkonzentrierten Anteilen von Vitamin A, B, K, E, C, Betacarotin oder Folsäure. Auch Mineralstoffe wie Kalzium, Magnesium, Kalium, Eisen oder Zink sind reichlich vertreten.
Ein ungewöhnlicher Inhaltsstoff ist das hormonähnliche Zeatin, das bei der Pflanze das schnelle Wachstum fördert und im menschlichen Körper die Nährstoffaufnahme deutlich verbessern kann. Laut einer Studie der dänischen Universität Aarhus kann Zeatin auch Hautschädigungen durch Sonnenbrand reparieren sowie allgemeine Alterserscheinungen wie Pigmentflecken, Falten und Zellalterung abschwächen. Dem Zusammenspiel aller Moringa-Inhaltsstoffe werden positive Einflüsse auf die Gesundheit –
Stärkung des Immunsystems, Verbesserung von Durchblutung und Stoffwechsel – und ein Beauty-Frischekick mit Verjüngungseffekt zugeschrieben. Nicht zuletzt dank den Antioxidantien als Fänger von freien Radikalen und Beschleuniger der Zellerneuerung.
„In Moringa finden sich so ziemlich alle Nährstoffe, die der menschliche Organismus braucht", so der österreichische Sachbuch-Autor und Moringa-Experte Richard Segmüller. Allerdings können hierzulande bei Weitem nicht alle Vorteile genutzt werden, weil es in Reformhäusern, Bioläden, Kosmetik-Boutiquen, Apotheken oder in Webshops die Bestandteile des Wunderbaums vornehmlich in Gestalt von Pulver, Tee – fertige Teemischung oder getrocknete Moringa-Blätter zum Selbstkomponieren – getrockneten Samen oder auch Öl gibt. Die frischen, an Bohnen erinnernden Früchte, können dagegen nur in den Herkunftsländern verzehrt werden.
Wunderwaffe für die Hautregeneration
Moringa-Öl: Besonders das aus den dreieckigen Samen oder Nüssen des Behenbaums durch Kaltpressung gewonnene Moringa-Öl, das ohne jegliche Konservierungsstoffe bis zu fünf Jahre haltbar ist, steht derzeit in der Beauty-Community hoch im Kurs. Wobei die Anbieter natürlich nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass schon die alten Ägypter das geruchlose hellgelbe Schönheitselixier für jugendlich-frische Haut benutzt hatten. Für die Hautpflege wird das Öl sowohl in Reinkultur in Fläschchen angeboten als auch als Beimischung in Cremes, Seren, Bodylotionen, Masken, Peelings, Massageprodukten oder Badezusätzen. Es versorgt die Haut mit reichlich Feuchtigkeit und Nährstoffen, verstopft dabei aber nicht die Poren, da es leicht und schnell einzieht. Es wird als Wunderwaffe für die Hautregeneration und zur Zellerneuerung angepriesen. Zusätzlich wirkt es antiseptisch und entzündungshemmend, es macht daher Hautunreinheiten oder Pickeln den Garaus. Ob es auch die Kollagenbildung der Haut ankurbeln kann, wie zuweilen behauptet wird, muss erst noch wissenschaftlich genauer untersucht werden. Auch in der Haarpflege findet Moringa-Öl zunehmend Verwendung, sowohl in Reinkultur als auch als Bestandteil von Shampoos, Kuren oder Spülungen. Bei der Reinanwendung bildet sich auf dem Haar ein dünner Ölfilm, idealerweise sollte das Öl eine Stunde vor der Wäsche eingeknetet werden oder noch besser über Nacht einwirken können. Dabei soll Keatin das Haarwachstum ankurbeln, alle anderen Inhaltsstoffe sollen die Mähne stärken und gegen Spliss wirken, aber auch Kopfhautprobleme wie Schuppen dank des antibakteriellen Potenzials beheben.
Moringa-Pulver oder Moringa-Kapseln: Neben den positiven Effekten für Haut und Haar wird Moringa aktuell besonders als neues Superfood angepriesen. Nicht zuletzt deshalb, weil eine gesunde Ernährung auch unserem größten Organ zugutekommt und ihm zu einem gesunden Schimmer verhelfen kann: Hautpflege gewissermaßen von innen, durch Verzehr von Moringa-Pulver oder entsprechenden Kapseln. Das Pulver wird aus den getrockneten Blättern des Meerrettichbaums gewonnen. Wegen des Wasserentzugs enthält es die begehrten Inhaltsstoffe in hochkonzentrierter Form, beispielsweise 17-mal so viel Kalzium wie Milch, dreimal so viel Kalium wie Bananen, siebenmal so viel Vitamin C wie eine Orange, zweieinhalb Mal so viel Betacarotin wie eine Karotte.
Da die Blätter zudem über einen hohen Proteingehalt verfügen – bis zu 22 Prozent – sind sie auch eine perfekte Eiweißquelle für Veganer und Vegetarier. Auch wenn die empfohlene Pulver-Tagesdosis zehn Gramm nicht übersteigen sollte. Optisch erinnert das Pulver mit seiner knatschgrünen Farbe an das aus Japan stammende Matcha und kann dem Essen beliebig beigefügt werden, beispielsweise Müsli, Smoothie, Kuchen, Curry oder auch einer Suppe. Alternativ können Moringa-Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel geschluckt werden. Da die in der Moringa-Pflanze enthaltenen Bitterstoffe nicht nur die Verdauung anregen, sondern auch appetithemmend sind, kann das Pulver auch zur Gewichtsreduktion beitragen. In Entwicklungs- oder Schwellenländern mit rudimentärer Trinkwasser-Infrastruktur kann das Pulver übrigens auch zum Filtrieren des kostbaren Nasses genutzt werden. In manchen ärmeren Regionen der Welt laufen derzeit zudem viele Projekte, um den Anbau des selbst auf sandigen Böden gut gedeihenden Meerrettichbaums zur Bekämpfung von Hunger oder Mangelernährung zu pushen.