Die belgisch-deutsche Serie „Tabula Rasa" erzählt von einer Frau und Mutter, die seit einem schweren Autounfall an Amnesie leidet. Neue Erlebnisse werden immer wieder aus ihrem Gedächtnis gefegt wie ein Sandsturm. Was bleibt, sind viele offene Fragen.
Die muss es sich anfühlen, wenn einem der eigene Verstand Streiche spielt? Wenn Erinnerungen an die nahe Vergangenheit nicht mehr abrufbar sind? Und wenn sich auch sonst unerklärliche Dinge ereignen, Gestalten auftauchen und wieder verschwinden, die sonst keiner bemerkt? Nach einem schlimmen Verkehrsunfall mit ihrer Tochter ziehen Annemie – genannt Mie – D‘Haeze (Veerle Baetens), die kleine Romy (Cécile Enthoven) und ihr Mann Benoit (Stijn Van Opstal) in das alte Haus, in dem Mies Großvater einst gelebt hatte. Es ist groß, mit vielen Zimmern, einem überfluteten Keller, mitten im Wald gelegen. Ein schönes Stück Kindheitserinnerung, das in Mie aber gleichzeitig Unbehagen auslöst. Denn seit dem Einzug geschehen nicht nur eigenartige Dinge – auch Romys Verhalten ist anders als vor dem Umzug. Sie ist aufmüpfig, ungehörig, rebellisch und irgendwie auch ein bisschen gruselig.
Der neue Bekannte verschwindet
Als sei das nicht schon genug, plagt Mie eine schwere Amnesie seit dem Unfall. Auch ihrem Ehemann mag sie nicht mehr recht trauen und vermutet, dass er womöglich eine Affäre mit einer Kollegin haben könnte, weil sich das Leben mit ihr so anstrengend gestaltet. Ihr Zustand verschlechtert sich merklich. Sie selbst beschreibt ihre mentalen Aussetzer als Sandsturm, der vorbeizieht und alles wegfegt – von nach dem Unfall bis zur Gegenwart. In besonders stressigen Situationen vergisst sie Sachen besonders schnell. Nur eine neue Bekanntschaft, Thomas De Geest (Jeroen Perceval), kann sie von ihren persönlichen Problemen ablenken. Eines Tages jedoch erleidet Mie wieder einen Blackout und wacht in einer Nervenheilanstalt auf. Es ist nicht die geschlossene Abteilung, doch die Ärzte raten der ehemaligen Musicaldarstellerin dringlich, zu bleiben und zu warten bis sich ihr Zustand im Laufe der Behandlung verbessert. Hinzu kommt, dass Inspektor Jacques Wolkers (Gene Bervoets) sehr daran gelegen ist, Mie dort zu wissen. Denn Thomas De Geest ist an dem Tag, als Mie eingeliefert wurde, spurlos verschwunden. Und da sie diejenige ist, mit der er zuletzt lebend gesehen wurde, liegt der Verdacht nahe, dass sie etwas mit seinem Verschwinden zu tun hat.
Die Serie nimmt mächtig an Fahrt auf. Denn viele spannende Plots werden hier gekonnt miteinander verstrickt. Da wäre also der Unfall. Was genau hat sich an dem Tag ereignet? Durch die Amnesie ist es Mie nur möglich, mithilfe kleiner Notizen an sich selbst und Zeichnungen durch den Tag zu kommen, die sie daran erinnern, was sie wann zu erledigen hat, wenn sie ihr Kurzzeitgedächtnis verlässt. Zugleich stellt sie sich die Frage, ob ihre Notizen und Zeichnungen womöglich manipuliert werden. Benoit ist wahrlich keine große Hilfe. Er arbeitet oft bis spät am Abend, so dass die Erziehung alleine an ihr hängen bleibt. In der Klinik versucht sich Mie daran zu erinnern, welche Beziehung sie zu dem verschwundenen Thomas gepflegt hat. Ein Mitpatient, der Pyromane Vronsky (Peter van den Begin) wird zu einem engen Vertrauten, der ihr bei der Recherche hilft.
Zeichnungen und Notizen als Erinnerungshilfe
Mies Familie ist mehr Last als Hilfe. Die Mutter hat viel mit der Pflege des demenzkranken Vaters zu tun und legt viel Wert auf die Harmonie im Familienkreis. Klare Worte sind da selten erwünscht. Auf die mysteriösen Vorfälle, die rund um das Haus vor sich gehen, geht keiner der Familienmitglieder ein.
Bei der Verarbeitung all dessen hilft Mie schließlich die Psychologin Dr. Mommaerts (Natali Broods), die sie auch direkt nach dem Unfall psychologisch betreut hat, während sie von dem Inspektor ordentlich in die Mangel genommen wird.
Stück für Stück wird der Fall aufgearbeitet – und am Ende ist dann doch alles anders, als angenommen. Die Geschichte von „Tabula Rasa" entwickelt sich völlig unvorhersehbar in verschiedene Richtungen. Und das ganz bis zum Ende. Die Staffel besteht aus neun Folgen, deren Ende schließlich abgeschlossen ist.