Nach der unglücklichen Niederlage in Wolfsburg muss Hertha BSC gegen den FC Augsburg aufpassen, nicht noch weiter in die Negativspirale zu geraten.
Ein Eigentor, mehrere verletzte Schlüsselspieler, ein in letzter Sekunde per Videoassistent zurückgenommener Elfmeter und ein Pfostenschuss – das waren aus Berliner Sicht die Aspekte, die zur (neuerlichen) Niederlage vergangenen Sonnabend in Wolfsburg führten. Da verliert sich auch ein Realist wie Pal Dardai zumindest kurzfristig und ansatzweise in der Metaebene des Fußballsports. „Es ist ein bisschen Schicksal", kommentierte der Trainer von Hertha BSC jedenfalls das Geschehen der 90 Minuten in der VW-Arena – und den Beobachtern fiel es schwer, ihm zu widersprechen. Dardai aber wählte die Worte trotzdem mit Bedacht. Denn „ein bisschen" heißt in diesem Zusammenhang auch, dass die inzwischen auf neun Partien ohne Sieg angewachsene Negativserie nicht zwangsläufig in die Endlosschleife führen muss. Wenn man nur weiter hartnäckig arbeitet, so die Rechnung beziehungsweise Botschaft des Ungarn, muss der Knoten früher oder später platzen. Klar ist inzwischen aber auch: Die zuletzt guten Vorstellungen gegen die aktuelle Top vier der Bundesliga bedeuten ebenso wenig, dass ein Sieg im anstehenden Heimspiel (Samstag, 15.30 Uhr) gegen den Tabellen-13., den FC Augsburg, eine Selbstverständlichkeit ist.
Unterdessen arbeitet Dardai weiter auch an der Struktur der Mannschaft: „Das Ziel ist es, eine Achse zu bilden – dann wachsen Führungsspieler heraus, die du weiterentwickeln kannst", erklärte der 44-Jährige seine Vorgehensweise. Mitten in der Saison, mitten im Abstiegskampf, stellt sich das aber wie eine Operation am offenen Herzen dar. Zum Teil passte er dabei seine Aufstellungen dem Gegner an, aber auch Unzufriedenheit mit dem einen oder anderen Profi führte zu Umbesetzungen im Team. Vor dem Heimspiel gegen RB Leipzig (0:3) hatte Omar Alderete der Bannstrahl des Übungsleiters getroffen. „Wir haben verboten, das Spiel durch die Mitte zu eröffnen – aber Omar hat jedes Mal durch das Zentrum gespielt", sprach Dardai Klartext. „Er muss zuhören, dann kann er wieder von Anfang an spielen", gab er Alderete den einzigen Schlüssel zur Lösung des Problems gleich mit auf den Weg. Auch Matteo Guendouzi bekam nach seinem Kurzeinsatz gegen Leipzig öffentlich sein Fett weg. Der „Bock" des 21-Jährigen hatte das 0:2 der Leipziger und damit die Vorentscheidung in der knappen Partie zugunsten des Kontrahenten eingeleitet. Nach dem Spiel wies Dardai dabei in aller Deutlichkeit in einem Fernseh-Interview darauf hin, dass Guendouzi in der Situation nicht regelwidrig gebremst worden war, und brachte dessen Verhalten sogar mit dem Begriff „Pubertät" in Verbindung.
In dieser Spielzeit bereits das siebzehnte Gegentor nach einem Standard
Immerhin hatte sich in der Woche vor dem Wolfsburg-Spiel aber noch eine leichte Verbesserung bezüglich der Personalsituation ergeben: Marvin Plattenhardt und Jhon Cordoba waren wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. Gerade, was den kolumbianischen Stürmer angeht, geriet Pal Dardai ins Schwärmen – kein Wunder angesichts von insgesamt nur drei Hertha-Treffern in den vorangegangenen acht Spielen. „Wenn er richtig fit ist, macht Jhon den Unterschied – er hat eine positive Ausstrahlung", beschrieb der Ungar dessen Qualitäten. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte Dardai, wie er in dem Zusammenhang durchblicken ließ, den damaligen Mainzer an die Spree lotsen wollen. Damals aber konnten die Berliner (noch) nicht finanziell beim Angebot des 1. FC Köln (17 Millionen Euro Ablöse) mithalten. Mit Bruno Labbadia auf der Kommandobrücke fand Cordoba im September 2020 aber schließlich doch den Weg zu Hertha BSC – einem Einsatz des Stürmers unter Pal Dardai stand bislang allerdings eine Muskelverletzung im Weg. Nun aber wurde der Hoffnungsträger vergangenen Samstag zur zweiten Halbzeit eingewechselt. Dass die Hauptstädter in Wolfsburg allerdings nicht besonders mit Fortuna im Bunde stehen, hatte sich bereits vor dem Pausenpfiff angekündigt. Dem Gastgeber war zwar in den ersten 45 Minuten kein einziger Schuss auf das Tor von Hertha BSC gelungen – dennoch aber ging der VfL mit einer 1:0-Führung in die Kabine. Dank eines starken Defensivverhaltens hatten die Spieler von Pal Dardai dem formstarken Gegner (zuvor neunmal ungeschlagen, seit sieben Spielen ohne Gegentor) praktisch nichts zugelassen und selbst Pech bei dem Schuss von Lucas Tousart, der die Oberkante der Latte streifte. Dann aber wurde Lukas Klünter zum Unglücksraben, als er eine Eingabe von rechts klären wollte – der Ball dabei aber unhaltbar für Hertha-Torwart Rune Jarstein im eigenen Tor landete.
Auch das Verletzungspech meldete sich im Verlauf der Partie bei den Berlinern zurück: Schon zur Pause ging es bei Matheus Cunha und Nemanja Radonjic nicht mehr weiter – die beiden Offensivkräfte wurden ersetzt durch Krzysztof Piatek und eben Cordoba. Nach wenigen Minuten im zweiten Durchgang war obendrein auch für Sami Khedira Schluss, Guendouzi übernahm dessen Vertretung. Doch auch ohne die „Unterschiedsspieler" Cunha und Khedira – das musste als positive Erkenntnis des Nachmittags am Ende ausreichen – gelang Hertha BSC ein couragierter Auftritt. Deyovaisio Zeefuik (erstmals seit Mitte Dezember in der Startelf) und Cordoba scheiterten jedoch an VfL-Keeper Koen Casteels, dann verhinderte der VAR nach langer Bedenkzeit den möglichen Ausgleich. Cordoba stand bereits zur Ausführung eines an ihm selbst verwirkten Foulelfmeters bereit, als der „Kölner Keller" sich noch mal bei Schiedsrichter Bastian Dankert meldete und dieser in der Folge seine Entscheidung revidierte. Auch dieser Nackenschlag sollte den Blau-Weißen aber noch nicht den Stecker ziehen – doch kurz darauf traf Piatek nach Vorarbeit von Guendouzi nur den Außenpfosten. Vier Minuten vor Spielende parierte Jarstein dann den ersten Wolfsburger Schuss des Spiels auf sein Tor, war kurz darauf dann aber doch ein zweites Mal geschlagen. Es war in dieser Spielzeit das siebzehnte Gegentor nach einem Standard für Hertha BSC: VfL-Verteidiger Maxence Lacroix hatte sich nach einem Eckball schlicht entschiedener in der Luft ein- und folgerichtig auch durchgesetzt. Damit war die nächste Niederlage perfekt für Pal Dardai und sein Team. Doch Pechsträhne hin oder her: Sollte Hertha BSC gegen Augsburg weiter seine Chancen ungenutzt lassen, wird es auch am Sonnabend nichts mit dem langersehnten Dreier – und aus „ein bisschen Schicksal" wieder ein kleines Stückchen mehr.