Das Impfzentrum Saarland-Süd in Saarbrücken ist eines von vier Impfzentren im Saarland. Täglich könnten dort bis zu 2.000 Impfungen verabreicht werden. Alles verlief routiniert — bis das Impfen mit Astrazeneca gestoppt wurde.
Ich bin pünktlich vor Ort. Montag, 15. März, nachmittags um 16 Uhr. Verabredung im Impfzentrum in Saarbrücken. Kein Impftermin, ich gehöre nicht zu den derzeit priorisierten Gruppen. Wir wollen uns für eine Reportage einen unmittelbaren Eindruck verschaffen, wie gut oder schlecht das Impfen gegen Covid-19 am Impfzentrum Saarland-Süd funktioniert. Gibt es sie, die Impfdrängler? Was ist mit angeblich ungenutztem Impfstoff in Regalen und Kühlschränken? Geht es so professionell und hilfsbereit zu, wie vielfach zu hören ist?
Gerade das zügige und reibungslose Impfen der priorisierten Gruppen, von Älteren über besonders Gefährdete aufgrund von Erkrankungen bis hin zu relevanten Berufsgruppen, stellt schließlich eine wesentliche Bedingung dafür dar, dass wir mittelfristig wieder etwas mehr „Normalität" genießen können. Ein Zustand wie vor über einem Jahr, als man seine Frei- und Arbeitszeit an unterschiedlichen Orten verbracht hat, in Zeitspannen von länger als zwei Wochen planen konnte und nicht befürchten musste, dass ein spätabendlicher Fernsehauftritt der Kanzlerin im Geleitzug mit dem amtierenden Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller, und dem allgegenwärtigen Markus Söder aus Bayern alle Regeln des Zusammenlebens wieder auf den Kopf stellen könnte.
Impfdosen tagesaktuell geliefert
Im Impfzentrum war die gerade ein paar Minuten alte Überraschungsnachricht des Tages bereits das Thema schlechthin. Impfungen mit dem Vakzin des Herstellers Astrazeneca werden auch in Deutschland auf Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts aufgrund möglicher Nebenwirkungen bis auf weiteres ausgesetzt. Das Bundesgesundheitsministerium schlug damit den Weg ein, den vorher schon andere europäische Nationen wie Dänemark, Irland oder Norwegen, gegangen sind.
Die unmittelbaren Auswirkungen dieser Botschaft waren schon am Eingang in das Saarbrücker Impfzentrum, eingerichtet auf dem ehemaligen Messegelände, hautnah mitzuerleben. Dort klagte eine mittelalte Frau, umringt von weiteren Personen, lautstark, was denn nun mit ihrem Impftermin geschehen würde und ob sie jetzt umsonst zum Impfen gefahren wäre. Fragen, die ihr im ersten Moment natürlich niemand zuverlässig beantworten konnte.
Zur gleichen Zeit waren die Verantwortlichen im Hintergrund selbstverständlich bereits auf Hochtouren bemüht, Lösungen für diese unübersichtliche Situation zu finden. Hindernisse, zum Beispiel für einen spontanen Impfstoffwechsel bei Betroffenen, waren zum einen, dass jeder Person mit Impftermin auch ein Impfstoff vom Ministerium für die erste und zweite Impfung zugewiesen wird, und zum anderen, dass das Impfzentrum jeden Morgen nur eine Lieferung mit der benötigten Anzahl an Impfampullen für den entsprechenden Tag und eine Reserve für den Folgetag geliefert bekommt. Werden Impfungen nicht genutzt, zum Beispiel weil jemand nicht zu seinem Termin erscheint, wird diese gemeldet und bei der nächsten Lieferung des Universitätsklinikums Homburg, der zentralen Lagerstelle, berücksichtigt. Zu großen Lagerbeständen an nicht ausgegebenen Impfdosen, von denen man immer wieder zu hören bekommt, kommt es dadurch am Impfzentrum-Süd nicht. „Wir melden jeden Abend unseren Restbestand an Impfstoffen, und diese Impfungen werden dann von unserer nächsten Lieferung abgezogen. Von diesen vollen Kühlschränken habe ich auch schon gehört, aber die sind leider nicht bei uns", so Peter Thiel, der administrative Leiter des Saarbrücker Impfzentrums.
Im Inneren ist nach der Einlasskontrolle und am Beginn der Impfstraße dann von der Aufregung draußen nicht mehr viel zu spüren. An zahlreichen Check-in-Schaltern geben die Impfberechtigten hier ihre Einladungsunterlagen ab, zeigen ihren Personalausweis, ihren Impfpass und gegebenenfalls ihre Arbeitgeberbescheinigung vor, um einen Anamnesebogen zu erhalten. Lange anstehen muss man eigentlich nirgends. Die Anzahl und die Termine für die Impfwilligen und die Kapazitäten vor Ort sind inzwischen routiniert und gut aufeinander abgestimmt. Nur am Morgen kann es zu unerwünschten Wartezeiten kommen, da es immer wieder Personen gibt, die teilweise lange vor ihrem Impftermin kommen und hoffen, dadurch schneller dranzukommen. Bei der Angabe eigener Terminwünsche für die Impfliste des Saarlandes kann man außerdem berücksichtigen, dass die meisten gerne am Vormittag geimpft werden. Gegen Nachmittag lässt der Personenandrang nach.
Am Check-in-Schalter wird überprüft, ob alle personenbezogenen Angaben korrekt sind und man dank seines Alters oder seiner Berufsgruppe wirklich zur Impfung berechtigt ist. Sollten Dokumente schlicht vergessen worden sein, was durchaus öfter passiert, können hier fehlende Informationen, zum Beispiel nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber, ergänzt werden. Schließlich soll jeder Berechtigte zu seinem Termin auch eine Impfung erhalten können. „Leute, die Teile ihrer Unterlagen vergessen, gibt es schon mehr. Da versuchen wir dann durch Nachtelefonieren an Ersatzdokumente zu kommen. Wenn zum Beispiel der Arbeitgebernachweis fehlt, hoffen wir, diesen per E-Mail nachgereicht zu bekommen", erklärt Peter Thiel die Abläufe am Check-in-Schalter. Echte Falschangaben, um sich in der Impfreihenfolge vorzudrängeln, gab es im Impfzentrum bisher kaum. „Das Thema Impferschleichung ist bei uns ein Randphänomen", betont Thiel. „Es gibt die Fälle, bei denen uns Falschangaben auffallen, aber sie sind überschaubar."
Mit dem Anamnesebogen gelangt man über einen klar markierten und beschilderten Weg in die erste Wartezone. Sollten beim Ausfüllen des Bogens Probleme oder Unklarheiten auftauchen, steht eine Station mit geschultem Personal zur Verfügung, das weiterhelfen kann. Über vier große Anzeigemonitore, wie man sie von Bahnhöfen und Flughäfen kennt, wird man über seine persönliche Impfkennung dann in eine Kabine im medizinischen Bereich der Einrichtung gerufen.
Der Teil des Zentrums erinnert einen am ehesten an ein Krankenhaus oder eine Praxis. Alles ist in weiß gehalten, und es steht medizinisches Personal zur Verfügung, um einen in Empfang zu nehmen. Insgesamt umfasst das Team hier pro Schicht 42 Personen, allein zwölf Ärzte und 18 bis 20 Pflegekräfte.
Die Impfstraße führt vorbei an zwei großen Fensterscheiben, hinter denen in Fließbandarbeit Apotheker ständig neuen Impfstoff auf Spritzen aufziehen, mit einem Kleber mit QR-Code zur Registrierung versehen und schließlich in ein fertiges Impfkit packen. Hier befinden sich auch die Kühlschränke mit der Tagesmenge an den entsprechenden Vakzinen und einer kleinen Reserve für den nächsten Tag. In Saarbrücken werden übrigens nur die Impfstoffe von Biontech und Astrazeneca verwendet. In insgesamt 36 Kabinen, von denen fünf für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ausgelegt sind, erhält man hier nach einem Aufklärungsgespräch durch einen Arzt schließlich die Impfung gegen das Coronavirus.
Danach geht es in den zweiten Wartebereich, in dem, nach Vorgabe des Robert-Koch-Instituts, 30 Minuten gewartet werden muss, um bei einer starken Impfreaktion direkt reagieren zu können. Dafür steht in dieser Zone ein Sanitätsdienst bereit. In Aktion treten musste dieser bisher aber nur bei Schwächeanfällen, die vereinzelt bei älteren Menschen nach dieser ungewohnten Prozedur und dem Weg durch die Stationen der Impfstraße vorkommen. Einsätze, die direkt mit der Impfung und möglichen Nebenwirkungen zusammenhängen könnten, hat es bis diesem Zeitpunkt nicht gegeben, bestätigt mir der ärztliche Leiter des Zentrums, Dr. Michael Jordan, der vor seiner Leitungstätigkeit als Arzt im Impfzentrum aktiv war. Danach gelangt man über den Check-out zum Ausgang. Insgesamt dauert der Durchlauf durch alle Stationen circa eine dreiviertel Stunde, den größten Teil davon macht die halbe Stunde Warten nach der Impfung aus.
Von Infektionen der Mitarbeiter ist die Einrichtung am ehemaligen Messezentrum bisher verschont geblieben. Das Schutzkonzept vor Ort, was für Impfberechtigte schon mit einer kontaktlosen Körpertemperaturmessung am Eingang beginnt und für das Personal unter anderem regelmäßige Schnelltests bedeutet, scheint also bisher aufzugehen. „Wir hatten bisher, Gott sei Dank, nur falsch positive Tests. Das heißt, der Corona-Schnelltest ist ausgeschlagen, aber der folgende PCR-Test war negativ", so Peter Thiel.
Pro Tag werden in Saarbrücken inzwischen mehr als 1.600 Menschen geimpft. Das entspricht mehr als 75 Prozent der optimalen Auslastung von 2.000 Personen am Tag. Mehr wäre mit den räumlichen Gegebenheiten, unter Einhaltung aller Infektionsschutzmaßnahmen nicht möglich, außer durch eine weitere Verlängerung der Öffnungszeiten. Zum Start am 28. Dezember des letzten Jahres waren es 200 Impfungen pro Tag. Seit Anfang März steht genug Personal zur Verfügung, um im Zwei-Schicht-System arbeiten zu können. Insgesamt arbeiten derzeit um die 170 Personen in der Einrichtung. „Wir haben jetzt neue Kollegen bekommen, die aber erst eingearbeitet und zum Beispiel in Erster Hilfe geschult werden mussten", erläutert Peter Thiel die aktuelle Situation. Auch würden über die zentrale Stelle beim Land mittlerweile entsprechend mehr Termine vergeben, weshalb Thiel immer noch verhalten optimistisch ist, dass eine volle Auslastung des Impfzentrums Saarland-Süd bis zum Ende des Monats möglich ist. „Von 1.400 Impfungen Anfang März haben wir uns mittlerweile auf knapp 1.700 hochgeschafft und sollten bis Ende des Monats die 2.000 erreichen, wenn die Termine vergeben werden. Wir haben die Kapazitäten", so Thiel.