Wenn die Top-Spielerinnen der Tenniswelt in Stuttgart aufschlagen, sind die Zuschauer in diesem Jahr virtuell und interaktiv live dabei. In einer „multimedialen Erlebniswelt" treffen sie die Siegerin von 2011, Julia Görges.
Neue Turniere und fantasievolle Methoden des Miterlebens zoomen in ein neues Zeitalter im Profi-Tennis der Frauen. Auf viele Veranstaltungen mussten die Fans des Damentennis 2020 verzichten. Heuer gibt es statt Absagen „distanzierte" Mitmach-Möglichkeiten. Auch starten in diesem Jahr gleich drei neue Topturniere der Profiszene: Neben den Rasenturnieren in Berlin vom 12. bis zum 20. Juni und in Bad Homburg vom 20. bis zum 26. Juni, ein Outdoor-Sandplatz-Turnier vom 15. bis zum 22. Mai in Köln. Letzteres soll mit rheinischem Willen zum Feiern zwischen „Büdchen" Laune machen, während das Bad Homburger Kurpark-Turnier als Lifestyle-Event und mit dem Anspruch eines „gesellschaftlichen Höhepunkts" im Rhein-Main-Gebiet antritt. Die Berliner „bett1open" knüpfen als Einstimmung zum Grand Slam in Wimbledon an große, alte Tenniszeiten in der Hauptstadt an und stehen im frisch begrünten Steffi-Graf-Stadion unter Schirmherrschaft der Kanzlerin. Bis zu 7.000 Zuschauer könnten beim WTA-Turnier der 500er-Kategorie im Grunewald theoretisch dabei sein.
Turnier in Stuttgart vom 17. bis 25. April
Den Anfang der großen, deutschen Damen-Turniere macht vom 17. bis zum 25. April der Porsche Tennis Grand Prix in der Hauptstadt Baden-Württembergs. Seit seinem Umzug 2006 in die Porsche Arena, wurde der Grand Prix zehnmal zum weltweit beliebtesten Turnier unter den Wettbewerben, für die es 500 Punkte für die Siegerinnen gibt, gewählt. Damit niemand im Frühjahr Angst vor Ansteckungen haben muss, holen die Organisatoren mithilfe eines digitalen Spektakels die Fans von ihren Fernsehsesseln mit technischer Zauberei auf die Tribünen. Den Organisatoren und Politikern ist ein Hallenevent mit Zuschauern im April pandemiebedingt noch zu heikel.
Im April 2019 kamen 32.500 Zuschauer in die Porsche Arena zum Tennis Grand Prix, der zur zweithöchsten Kategorie auf der WTA-Tour der Tennisfrauen gehört. Kein Wunder, dass der ursprüngliche Austragungsort, die Tennishalle des Drogeriebesitzers Dieter Fischer in Filderstadt, für das Vorzeige-Event nicht mehr ausgereicht hatte. Seit dem Start 1978, als Tracy Austin mit nur 15 Jahren das erste Turnier gewann, waren die Stuttgarter Matches immer beliebter geworden.
Glamourös soll dieses Jahr die Berichterstattung auf den Social-Media-Kanälen werden: Julia Görges, die das Turnier 2011 gewonnen und dadurch ihren Durchbruch geschafft hatte, plaudert dort mit ihren früheren Kolleginnen. „Jule", die 2020 zurückgetreten ist und jetzt in Regensburg lebt, nimmt die Zuschauer, die zu Hause bleiben müssen, hinter die Kulissen mit. Im Hauptfeld stehen indes drei noch aktive deutsche Spielerinnen auf den Courts: Angelique Kerber, die 2015 und 2016 einen Porsche als Siegerin aus der Halle gefahren hatte, Laura Siegemund, Turnier-Championesse von 2017, und Andrea Petkovic.
„Das ist ein enormer Vertrauensbeweis"
Geschmückt wird die Starterliste in Stuttgart mit acht Grand-Slam-Siegerinnen und 14 der Top-20-Spielerinnen der Welt. Dabei ist die Nummer eins, Ashleigh Barty, die bei den Australian Open sehr stark spielte, obwohl sie 2020 kaum Matches hatte. „Stuttgart ist für mich eine großartige Gelegenheit, die europäische Sandplatzsaison zu beginnen", sagte Barty. Die Australierin war 2019 Gewinnerin des Porsche Race to Shenzhen und der WTA Finals. „Ich habe sehr viel Positives über dieses Turnier gehört und freue mich sehr darauf, zum ersten Mal dabei zu sein." Als Trophäe lockt ein voll elektrischer Sportwagen, der kürzlich vorgestellte Porsche Taycan Cross Turismo.
Ebenfalls zugesagt haben die WTA-Dritte Simona Halep (Rumänien), Sofia Kenin (USA/4), Elina Svitolina (Ukraine/5), Karolina Pliskova (Tschechien/6), Stuttgart-Siegerin 2018, Aryna Sabalenka (Belarus/8) sowie Titelverteidigerin Petra Kvitova (Tschechien/10). Spannende Partien sind auch von Iga Swiatek (Polen), Gewinnerin der French Open 2020, der Australian-Open-Finalistin Jennifer Brady (USA), Belinda Bencic (Schweiz) sowie der ehemaligen Weltranglistenersten Victoria Azarenka (Belarus) in der Porsche Arena zu erwarten. „Dass diese Spielerinnen in diesen schwierigen Zeiten zu uns kommen, ist ein enormer Vertrauensbeweis. Damit zeigen sie, dass sie uns zutrauen, für alle Beteiligten sichere Verhältnisse zu schaffen und trotz aller Einschränkungen auch für einen gewissen Wohlfühlfaktor zu sorgen", sagt Turnierdirektor Markus Günthardt.
„Wir wollen Zuversicht verbreiten"
Harte, potenzielle Gegnerinnen sind sie alle für Kerber. Deutschlands Nummer eins schaffte es in Doha im März immerhin in die zweite Runde. Die dreifache Grand-Slam-Siegerin ist von ihrer Topform aber noch weit entfernt. Barbara Rittner betreute Angie einst im Porsche-Team. Heute freut sie sich als „Head of Women" im Deutschen Tennisbund über jedes Match, das die 33-jährige Wimbledon-Siegerin von 2018 spielt, bevor im Sommer wieder der legendäre Rasen-Grand-Slam ansteht: „Wenn Angie ohne genügend Turniere bis Wimbledon sechs Plätze runterrutscht, geht sie als Ungesetzte in die Grand Slams. Das wird gefährlich, wenn sie in den ersten Runden immer gleich jemanden mit Toppower schlagen muss." Ein guter Lauf in Stuttgart könnte einen Motivationsschub bei der Kielerin bewirken. Ebenso ihre nachfolgenden Auftritte beim Wimbledon-Vorturnier in Berlin, wo Rittner Turnierchefin ist, sowie in Bad Homburg, wo Kerber nach ihrem Karriereende Turnierdirektorin werden soll.
Unterstützung kommt von Fans aus dem World Wide Web. Vermutlich werden Zuschauer, die sich im Vorfeld bewerben konnten, von zu Hause auf Bildschirme in der Halle projiziert. Mitfiebern mit neuen und alten medialen Mitteln ist das Motto. Normalerweise werden Tennis-Partien der Frauen im Fernsehen und Internet etwas stiefmütterlich behandelt. In Stuttgart wird das als Folge der Pandemie-Beschränkungen anders werden. Live-Übertragungen der wichtigsten Matches sollen heuer in besonders großer Zahl auf SWR, Eurosport und DAZN zu erleben sein. Tägliche Zusammenfassungen bringt der Nachrichtensender N-TV. „Wir wollen Zuversicht verbreiten und mit den Menschen einen Schritt zurück in die Normalität gehen", sagt Günthardt.
Mit „großem Aufwand und innovativen Ideen" ist der Tennis Grand Prix in der Stuttgarter Porsche Arena erstmals als reines Distanz-Event geplant. Deshalb soll jedes Match live auf der Website des Turniers zu verfolgen sein. Sämtliche Einzelspiele sind in kommentierten Streams auf www.porsche-tennis.com im Internet zu sehen. International wird der Porsche Tennis Grand Prix in mehr als 100 Ländern übertragen. „Wir haben uns sehr viel einfallen lassen, damit unsere Fans auch bei diesem speziellen Porsche Tennis Grand Prix nicht außen vor sein müssen", sagt Günthardt. „Unsere vielfältigen Angebote ermöglichen ein virtuelles, aber dennoch sehr ausgiebiges und emotionales Turniererlebnis." Beispielsweise können Fans zu TV-Regisseuren werden, indem sie bei der Onlineübertragung unter verschiedenen Kamerapositionen wählen. So muss sich keiner mehr ärgern, dass gerade nicht der Blickwinkel der Partie gezeigt wird, den er selbst sehen wollte.
Hoffnung sprießt auch beim Nachwuchs des Deutschen Tennisbundes. Julia Middendorf (TV Visbek) aus dem Porsche Junior Team schaffte ein Double beim J2-Sandplatz-Event in Benicarlo, das ihr die sichere Teilnahme an den Jugend Grand Slams in diesem Jahr garantiert. Die 18 Jahre alte Niedersächsin, die am DTB-Bundesstützpunkt Hannover trainiert, gewann im Finale in Spanien gegen Claudia de las Heras Armenteras. Das Doppel-Finale entschied Middendorf zusammen mit Mara Guth (17, TC Bad Vilbel) für sich.
„Diese Erfolge zeigen, wie gut unsere Juniorinnen aus diesen Jahrgängen sind", freut sich Rittner. Für Stuttgart bekommen Nastasja Schunk und Alexandra Vecic vom Porsche Talent Team eine Wildcard für die Qualifikation, außerdem die amtierende Deutsche Meisterin Noma Noha Akugue aus dem Porsche Junior Team.