Als Conny Böttger aus dem sachsen-anhaltinischen Bad Kösen 1999 für einen Job nach Dubai flog, war das ein Jugend-Abenteuer. Mittlerweile lebt und arbeitet die Touristikfachfrau seit über 20 Jahren in den Vereinigten Emiraten.
Wenn Conny Böttger zu Hause vom Balkon schaut, sieht sie vor allem Sand. „Das liegt nicht daran, weil ringsherum so viel gebaut wird", erklärt die 41-Jährige mit der sportlichen Figur und den blonden Haaren schmunzelnd. Das Einfamilienhäuschen steht am Rand der Rub al-Chali, der größten Sandwüste der Welt. Die ehemalige Naumburgerin hat es gemietet – zusammen mit ihrem Mann, einem gleichfalls ausgewanderten Franzosen, den sie in Dubai kennengelernt hat.
„Wir wohnen sogar im Grünen", meint Conny lachend mit Verweis auf ihren Garten, der wenig größer ist als die Garage und dennoch echter Luxus in einer Region, in der es so gut wie niemals regnet. Alle Bäumchen, alle Büsche darin sind „verkabelt". Denn wie allerorts in wohlhabenden Wüstenländern hat fast jede Pflanze einen Wasseranschluss. Für die Frau aus Sachsen-Anhalt ist das mittlerweile ganz normal. Seit über 20 Jahren lebt sie in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und ist dort sehr glücklich.
„Ich fühlte mich von Anfang an zu Hause", gesteht sie und erklärt: „Die Menschen sind unglaublich freundlich. Wie alle Nichteinheimischen behandeln sie mich sehr respektvoll und tolerieren meine Kultur – so wie ich ihre Religion und Sitten achte. Bei meiner Kleiderauswahl richte ich mich nach den hiesigen kulturellen Gegebenheiten. Das heißt, ich bedecke Knie und Schultern. Ansonsten kann man sich ganz westlich kleiden."
Auch was die Religion angehe, seien die VAE sehr tolerant. „Es gibt sogar Kirchen, in denen man seinen Glauben praktizieren kann", erklärt die Deutsche. Christen sind in dem muslimischen Land in der Minderheit. Fast ausschließlich handelt es sich bei ihnen um Ausländer. Es stehen ihnen katholische, evangelische und orthodoxe Gotteshäuser zur Verfügung. Da der Islam für die Einheimischen die Staatsreligion ist, dürfen sie nicht konvertieren. Solange niemand missioniert oder offen kirchliche Symbole zeigt, kann aber jeder glauben, was er mag.
Stets beeindruckt habe Conny die kreative Energie, die sie in den Emiraten allerorten spüre, die Gewissheit: Nichts ist unmöglich. „Geht nicht, gibt’s nicht. Denn mit der unverkrampften Art und Weise, mit der man hier ans Werk geht, findet sich tatsächlich immer eine Lösung", findet sie. Engagement sei dabei allerdings von jedem Einzelnen gefragt. Eine Wochenarbeitszeit von 50 bis 60 Stunden? Total normal.
„Wer hier arbeitet und gut verdient, kann sich die hohen Kosten leisten und auch als Ausländer ein schönes Leben führen. Ein Sozialstaat wie Deutschland, der sich um alle kümmert, sind die VAE nicht. Hier wäre es zum Beispiel undenkbar, dass Unternehmen wegen der Pandemie staatliche Unterstützung bekommen", sagt Conny.
Ihr Dörfchen oder „Compound", wie man dort die kleinen Siedlungen am Rande großer Ballungszentren nennt, umfasst neben Reihenhäusern auch Supermarkt und Schwimmbad, Fitnesscenter und Kosmetikstudio. Territorial gehört es noch zu Abu Dhabi.
Gleich daneben, irgendwo im Sand, beginnt das Emirat von Dubai. Conny schätzt den stillen Rückzugsort: „Wir leben sozusagen auf dem Land, wo wir uns nach dem langen, lauten Großstadt-Arbeitstag entspannen können."
Künstliche Inselgruppen verlängern die Küste
Für „ländliches Flair" sorgen die auf beiden Straßenseiten weidenden Kamele. Da sich die imposanten Tiere frei bewegen können, behält sie Conny stets im Auge, wenn sie hinterm Lenkrad sitzt. „Dort, wo keine Zäune sind, überqueren sie manchmal spontan die Fahrbahn oder bleiben darauf stehen."
Wenn sie nicht dienstlich weiter reisen muss, fährt Conny Böttger täglich mit dem Auto nach Dubai-Stadt, mitten rein in diesen Dschungel aus Stahl, Beton und Glas. Meist per Stop-and-go kämpft sie sich durch die Edelblechlawinen bis nach Downtown. Wie riesengroße Bäume sprießen hier die schlanken, hohen Häusertürme in den wolkenlosen Himmel – und heißen dennoch Wolkenkratzer.
Die Stadt wächst unaufhaltsam in die Wüste – und durch Landgewinnung auch ins Meer. Allein die beiden Inselgruppen der „Palm Islands", künstlich modelliert aus Fels und Sand, verlängern Dubais Küste um mehr als 100 Kilometer.
Auch an diesem Morgen schlägt sich Conny tapfer durch die Autoschlangen des Berufsverkehrs. Eine Alternative hat sie nicht. „Die Metro ist zwar schön, aber nur praktisch, wenn man in der Nähe wohnt, da es kaum Anbindungen gibt."
In der Nähe der zweiten, momentan noch unbebauten Palmeninsel Dschabal Ali (die erste, kleinere – Jumeirah – liegt ein Stück weiter im Nordosten) parkt sie ihren Wagen. Jenseits der Sheikh Zayed Road beginnt die Welt der Träume. Die Kulissen dazu reihen sich die ganze lange Straße entlang: ein kunterbuntes Sammelsurium aus Spielzeugbausteinburgen, Achterbahnen, indischen Palästen und riesenhaften, herrlich altmodischen Utensilien aus der Kinowelt. Bekannte Filmmusik tönt aus den Palmenkronen.
Conny Böttger ist in ihrem Element. „All das gehört zu insgesamt vier Themenparks", sagt sie mit einer großen Armbewegung und stellt vor: den von Hollywood inspirierten Motiongate, Legoland und Legoland Water Park sowie die glamourösen Bollywood Parks. Zusammen mit zwei Hotels (das dritte wird in diesem Jahr eröffnet) und der Shopping- und Gastromeile Riverland sind alle unter der Dachmarke Dubai Parks and Resorts vereint.
Rund 30 Quadratkilometer umfasst die komplette Fläche. Es ist die größte Freizeitparkanlage im Nahen Osten – und Connys Arbeitsplatz. Denn die Touristikfachfrau aus dem mitteldeutschen Burgenlandkreis gehört seit 2017 als Vertriebs- und Marketing-Direktorin für Kontinentaleuropa zum Management des Mega-Parks mit rund 3.000 Angestellten.
Die eigene Begeisterung am Reisen und Entdecken hat Conny Böttger schon als Kind verspürt. „In Sachsen-Anhalt, wo ich in den 80ern und 90ern aufwuchs, habe ich mich wohlgefühlt. Doch in meinen Träumen war ich stets in fernen Ländern unterwegs."
Auch wenn sie die DDR nur aus ihren jüngsten Jahren kennt: Das Gefühl des Eingeschränktseins hat sie damals schon bewusst erlebt – denn es verstärkte Reiselust und Fernweh ganz enorm. „Zu meiner Berufswahl hat das sicher ebenso beigetragen wie das Bedürfnis, über den Tellerrand zu schauen", so die Tourismusfachfrau. Nach dem Abitur, bevor sie im thüringischen Saalfeld ihre erste Ausbildung zur staatlich geprüften Internationalen Tourismusassistentin in Angriff nahm, ging Conny nach Israel, um dort ein Jahr zu leben und zu arbeiten.
„Hier ist kein Tag wie der andere"
„Der Nahe und Mittlere Osten haben mich stets besonders fasziniert. Die Menschen und Kulturen dieser Region, die Landschaften und Orte, aber auch die Wärme und das Licht verzaubern mich bis heute", bekennt sie. So war es sicher auch kein Zufall, dass sie direkt nach Berufsabschluss in den Orient zurückkehrte. Dort hatte eine lokale Agentur Leiter für Rundreisen durch VAE und Oman gesucht. Die junge Touristikerin bewarb sich – mit Erfolg. Acht Wochen später saß sie schon im Flieger.
Conny mochte diesen Job – so sehr, dass sie den Vertrag verlängerte. Noch für ein paar weitere Saisons begleitete sie deutschsprachige Reisegruppen auf deren Weg durch die arabischen Landschaften und Kulturen. „Damals war hier noch alles im Entstehen. Das Land begann gerade, sich zu öffnen", sagt sie im Rückblick. Besonders der Tourismus brachte Menschen und Ideen aus aller Welt ins Land. Auch der motivierten jungen Deutschen bot er attraktive Chancen.
Nach einem Studium in Großbritannien, das sie als Internationale Tourismusmanagerin abschloss, ging Conny Böttger nach Schardscha. Das Nachbar-Emirat von Dubai gilt als kulturelles Herz der aufstrebenden Vereinigten Arabischen Emirate. Die frischgebackene Akademikerin übernahm dort das Marketing für 20 staatliche Museen und kurze Zeit darauf für das Fremdenverkehrsamt. Zehn Jahre war sie bei der Regionalregierung angestellt.
In Dubai, wo 1999 mit ihrer Ankunft auf dem damals noch recht bescheidenen Flughafen ihre Karriere begonnen hatte, fand Conny Böttger dann vor knapp vier Jahren auch eine neue berufliche Herausforderung – den Job, den sie bis heute macht.
„Was ich daran am meisten liebe: Hier ist kein Tag wie der andere", schwärmt sie. Die vielen unterschiedlichen Menschen, mit denen sie zusammenarbeite, schaffen eine internationale, multikulturelle Atmosphäre, die einfach inspirierend sei. „Meine Kolleginnen und Kollegen kommen aus der ganzen Welt. Neben vielen Einheimischen, denen ich seit Jahren eng verbunden bin, habe ich hier auch Freunde aus Kanada, Australien, China, Indien und Europa gefunden."
Neben Schreibtischarbeit, die die Managerin meist früh erledigt, sowie diversen Teambesprechungen stehen immer jede Menge Kundentreffen an. Sehr gern, doch leider viel zu selten, sei sie in den Parks und Hotels, Shops und Restaurants, führt Geschäftsbesucher durch das Areal, zeigt ihnen einige der unzähligen Attraktionen und probiert sie mit ihnen aus.
Selbstverständlich hat sie ihre Favoriten in den Parks. Ihr absoluter Lieblingsplatz sei das Bollywood-Musical-Theater. „Die wunderschönen Kulissen, exotische Kostüme und das temperamentvolle Ensemble sorgen für einzigartige Showerlebnisse", so Fan Conny.
Klar, dass der Kultplatz für das indische Glamour-Kino auch immer mit auf dem Programm steht, wenn private Gäste kommen. In der knappen Freizeit wandert sie mit ihrem Mann gern in den Wadis (Wüstentäler) durch die Berglandschaften der Umgebung, trifft sich mit Freunden zum Grillen in der Wüste oder geht zum Yoga an den Strand.
Zu mehr als einem Drittel ihrer Arbeitszeit ist die Geschäftsfrau weltweit unterwegs – zu individuellen Terminen ebenso wie zu Messen oder Roadshows. Muss sie dienstlich nach Deutschland, plant sie nach Möglichkeit einen Besuch bei ihren Eltern ein. Alles in allem gehe es drei- bis viermal jährlich in die alte Heimat. „Wenn irgendwie machbar, fliege ich auf jeden Fall zu meinem Lieblingsheimatfest, der Saale-Weinmeile", sagt Conny, die sich der Weinkultur sehr verbunden fühlt. Ihr sei es wichtig, Zeit mit ihrer Familie und den alten Freunden zu verbringen und natürlich ebenso, die deutsche Küche zu genießen. Da sie wegen Corona das letzte Weihnachtsfest nicht in Bad Kösen sein konnte, hätte sie sich gern wenigstens ein Festtagsessen wie Ente mit Rotkraut und Klößen in Dubai gegönnt. „Doch leider haben wir derzeit kein deutsches Restaurant", bedauert sie. Immerhin war vom Besuch im Sommer noch eine Flasche Saale-Unstrut-Wein übrig.
Über ihren Wandel zwischen Orten und Kulturen denkt Conny Folgendes: „Ich bin aus meiner alten Heimat weggegangen, ohne sie wirklich zu verlassen. Und da ich nie das Gefühl hatte, ausgewandert zu sein, kehre ich immer wieder gern zurück – und zwar so, als würde ich von einer langen Reise heimkommen."
Irgendwann einmal wird sie mit ihrem Mann wieder in Europa leben, vielleicht sogar in Mitteldeutschland. In jedem Fall ist eines für sie sicher: „Das hügelige Weinland zwischen Saale, Unstrut, Weißer Elster wird als mein Kindheitsort stets einen Platz in meinem Herzen haben."