Nachdem der FC Augsburg nach eigentlich sicherer Rettung doch wieder in den Abstiegskampf hineinrutschte, musste Heiko Herrlich seinen Platz räumen. Für Herrlichs Scheitern gibt es Gründe. Nun soll es mit Markus Weinzierl ein alter Bekannter richten.
Das Fazit fiel nüchtern aus. „Es ging irgendwann nicht mehr darum, meine eigenen Vorstellungen als Trainer durchzubringen", sagte Heiko Herrlich nach seiner Entlassung beim FC Augsburg. „Natürlich war die Enttäuschung am Anfang groß. Ich hatte und habe auch jetzt noch die feste Überzeugung, dass wir den Klassenerhalt schaffen." Daran glaubten die Verantwortlichen, allen voran Sportdirektor Stefan Reuter nicht mehr. Zwar führte Herrlich an, dass vor allem das Verletzungspech seiner Mannschaft an den schwankenden Leistungen schuld war, doch es gibt dabei auch eine andere Sichtweise. Denn Augsburg wurde vor allem die mangelnde Konstanz unter Herrlich zum Verhängnis.
Immer wenn ein befreiender Sieg gelandet wurde, folgte verlässlich ein bitterer Rückschlag. Die Mannschaft verpasste es regelmäßig, auf einen Erfolg einen weiteren folgen zu lassen. Sinnbildlich hierfür war die Niederlage gegen die schlechteste Mannschaft der Saison: Schalke 04. Denn nach einem überzeugenden Sieg gegen die TSG Hoffenheim setzte es dann eine Niederlage gegen die Knappen. Und das, obwohl Reuter noch davon sprach, dass der FCA nun „keinen Millimeter lockerlassen" darf. Doch das Spiel gegen Schalke 04 ist auch ein Sinnbild für ein weiteres Problem des FCA in dieser bisherigen Saison: Probleme im eigenen Ballbesitz. Denn wenn es für die Augsburger gegen tief stehende Gegner ging, hatten sie durchgehend Probleme, spielerisch Räume zu finden. Es fehlte über die ganze Saison gesehen an Ideen und den gewissen Überraschungsmomenten. Aus dieser spielerischen Schwäche innerhalb der Mannschaft resultiert dann das dritte große Problem des FCA unter Herrlich. Denn wenn nicht wirklich viele Chancen herausgespielt werden können, sollten die wenigen Chancen genutzt werden – und oft war das nicht der Fall. Pro Spiel erspielen die Augsburger sich nur 3,5 Torchancen – ein richtig schlechter Wert. Wer also so wenige Chancen erspielt, darf im Abschluss kaum Schwächen zulassen.
Finden Weinzierl und Reuter zusammen?
Es war eine durchaus unglückliche Beziehung, die der frühere Stürmer des BVB und der FC Augsburg gemeinsam aufbauten. Ein Beispiel dafür war seine Schwärmerei bei seiner Vorstellung über die Stimmung in der Augsburger Arena. „Man spricht ja hier auch von Klein-Anfield", schmeichelte Herrlich. Als gegnerischer Trainer habe er die Atmosphäre in Augsburg schon erlebt, und diese sei „wirklich unglaublich". Als ehemaliger FCA-Trainer blickt er nun auf dreizehneinhalb Pandemie-Monate zurück, in denen er exakt ein Heimspiel vor 6.000 Zuschauern erlebt hat, immerhin ein stimmungsvolles 2:0 gegen Dortmund im September 2020. Bezeichnend ist vor allem, dass von Herrlichs Amtszeit aber vor allem eines haften bleibt: sein Ausflug in einen Supermarkt, obwohl er eigentlich in Corona-Quarantäne sitzen sollte.
Dass die bekannten Probleme überhaupt noch abgestellt werden können, wurde Heiko Herrlich nicht mehr zugetraut. Deshalb soll es nun mit Markus Weinzierl ein alter Bekannter regeln. „Ich freue mich riesig, wieder mit Stefan Reuter und der Mannschaft zusammenzuarbeiten und an die erfolgreichen gemeinsamen Jahre anknüpfen zu können", wurde Weinzierl in der Vereinsmitteilung zitiert. Der 46-Jährige hatte den FCA bereits zwischen 2012 und 2016 gecoacht. Nun erhielt er einen Vertrag, dessen überschaubare Dauer bis zum
30. Juni 2022 von einer gewissen Vorsicht kündet. Assistieren wird Weinzierl der erfahrene Reiner Maurer, 61, zuletzt Trainer bei Türkgücü München sowie einst beim TSV 1860. Dieser Trainerwechsel kommt keineswegs überraschend. Denn bereits im Februar wurde davon gesprochen, dass intern über Weinzierls Rückkehr nachgedacht wurde. Doch damals stellte sich Reuter noch vor seinen aktuellen Trainer und ehemaligen Mitspieler – dieses Mal jedoch nicht mehr. Während die Erinnerungen an Herrlich eher nicht in die Annalen des Clubs eingehen werden, so hat Weinzierl dort wohl auf ewig einen Platz. Zwar begann es damals auch für Weinzierl ähnlich kompliziert wie für Herrlich, doch er bekam die Kurve fulminant. Mit nur neun Punkten und auf dem vorletzten Tabellenplatz beendete er seine erste Hinrunde. In der Winterpause wurde Reuter als neuer Geschäftsführer Sport verpflichtet. Er stützte Weinzierl und erlebte danach mit ihm eine Erfolgsgeschichte, die den kleinen FCA über die Plätze 15 (2013), acht (2014) und fünf (2015) bis in die Zwischenrunde der Europa League zu Jürgen Klopps FC Liverpool an die echte Anfield-Road führte. Dort schieden die Augsburger im Februar 2016 nach einem 0:1 und einem 0:0 im Hinspiel knapp aus. Begleitet worden war der größte Vereinserfolg von dem selbstironischen Slogan „In Europa kennt uns keine Sau".
Von Europa sind sie derzeit meilenweit entfernt, eine klare Idee hat Weinzierl aber dennoch parat. „Ich habe alle Spiele gesehen, weil mich der Verein, die Mannschaft interessiert", berichtete der Trainer-Rückkehrer bei seiner Vorstellung. Seine Erkenntnis machte noch einmal deutlich, wie weit sich der FCA unter Heiko Herrlich von dem entfernte, was ihn einmal ausgemacht hatte. „Mir ist so ein bisschen die Identität verloren gegangen, wie ich sie kenne", stellte Weinzierl fest. „Die Mannschaft hat zu viel reagiert, sie hat nicht diese Aggressivität, diesen Mut an den Tag gelegt, für den sie bekannt ist", bemängelte der 46-Jährige. Er sei „immer ein Freund davon, aus eigener Stärke zu agieren". Diese Stärke gelte es herauszukehren, um „die eigene Identität zu finden". Und zwar: „aggressiv und mutig zu sein, Spaß am Zweikampf zu entwickeln, ein ekliger Gegner zu sein, unangenehm. Das habe ich vermisst." Diese Einstellung und Mentalität will Weinzierl bei den Profis wieder erzeugen. Ohne Fans im Stadion müsse man „von innen heraus dieses Feuer entfachen" durch „mehr Lautstärke, mehr Kommandos, mehr Eigenverantwortung auf jeder Position". Vor allem will sich Weinzierl auf die Umschaltmomente seiner Mannschaft konzentrieren: „Es war immer die größte Stärke des FC Augsburg, geradlinig zu kontern, in den Rücken des Gegners zu kommen. An diese Stärken werde ich die Spieler erinnern und versuchen, das rauszukitzeln. Ich hoffe, dass es schnell geht, weil viel Zeit haben wir nicht." Dabei gehe es auch „um die gemeinsame defensive Idee, das gemeinsame Anlaufverhalten, das Ansprinten, um die Zweikämpfe zu suchen, dem Gegner wehzutun und die Bälle zu erobern". Der Kader biete mit Spielern wie André Hahn, Ruben Vargas, Daniel Caligiuri oder Florian Niederlechner „unheimliche Qualitäten" für das Umschaltspiel. „Das sind Top-Konterstürmer, die man nur einsetzen kann, wenn man auch kontert. Dafür brauchst du die Balleroberung, das wird ein wichtiger Ansatzpunkt sein", erläuterte Weinzierl.
„Ein Freund davon, aus eigener Stärke zu agieren
Kurzfristiges Ziel ist dabei der Klassenerhalt, als langfristiges Ziel nennt er die „spielerische Weiterentwicklung". „Ich habe mir viele Videos von 2016 angesehen, das war über Jahre entwickelt und sehr gut. Aber das ist ein langwieriger Prozess", meinte Weinzierl. Abhängig ist das aber von seinem Abschneiden in dieser Saison. Und auch von der nächsten – denn allzu lange darf sich der Fußballlehrer nicht Zeit lassen. Sein Vertrag läuft nur bis 2022. Da braucht es schnelle Ergebnisse, um dann den langfristigen Weg angehen zu dürfen.
Der FC Augsburg und Weinzierl eint in dieser Zusammenarbeit nun eine Sache: die Sehnsucht nach alten Erfolgen. Und wenn dann die Fans in Erinnerungen schwelgen, vor allem an den geradlinigen Überfallfußball, dann denken sie sicher auch daran, wie sehr dieser Fußball auch Weinzierls Karriere befeuert hat. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass sich der Fußballlehrer aus Augsburg nach einem Clinch mit Reuter gen Schalke verabschiedet hatte. Sollte ihm jetzt die Rückkehr zu den Wurzeln hinzukommen, wären die Wogen wohl komplett geglättet.