Mit Tricks und Tochterunternehmen in Steueroasen können Google, Facebook und Co. international geschickt Steuern sparen. Eine von der US-Regierung vorgeschlagene globale Mindeststeuer soll nun für mehr Gerechtigkeit sorgen. Der deutsche Software-Gigant SAP äußert sich noch zurückhaltend.
Cayman Islands, Panama, die Bahamas – diese Steuerparadiese sind bekannt. Aber auch in Europa erheben einzelne Staaten sehr ungleich Steuern. So lockte Irland beispielsweise US-amerikanische Firmen mit einem Unternehmenssteuersatz von 12,5 Prozent ins Land- und wurde zu einem attraktiven Sprungbrett für Techgiganten wie Apple in den EU-Binnenmarkt. Der US-Konzern zahlte durch weitere Steuertricks effektiv nur einen Satz von weit unter einem Prozent.
Damit soll nun Schluss sein. Bereits im Februar forderte die neue US-Finanzministerin Janet Yellen die Einführung einer globalen Mindeststeuer von Unternehmen in der Höhe von 21 Prozent. Im April schlossen sich der französische Finanzminister Bruno Le Maire und Bundesfinanzminister Olaf Scholz der Forderung an und erklärten sich zuversichtlich, dass der Punkt schon diesen Sommer auf den internationalen politischen Tagungen und Konferenzen besprochen werden sollte. Le Marie stellte sogar in Aussicht, dass Frankreich die eigene Digitalsteuer, die französische Antwort auf die Steuervermeidung der Techkonzerne fallen lassen würde, sofern eine Mindeststeuer realisiert würde. Nun stellten sich auch die Industrienationen der G7 hinter diesen Vorschlag und wollen schon bis Ende Juli dieses Jahres mit der G20, also dem Zusammenschluss der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, eine Einigung zu dem Thema erzielen. Jedoch fordert die G7 nur noch 15 statt 21 Prozent als Mindeststeuersatz.
Mindestens 15 Prozent Steuer
Für größere multinationale Unternehmen lohnte es sich also bisher, sich bei der Ansiedlung in der EU von Steuerersparnissen leiten zu lassen. Was für die großen Techunternehmen Google, Amazon, Facebook oder Apple kaum Steuern und satte Gewinne zur Folge hat, bedeutet für viele andere Staaten im Gegenzug verringerte Steuereinnahmen, weil ihre Steuern im globalen Unterbietungswettbewerb nicht mithielten und Steuern verschoben wurden. Dies wiederum wirkt sich auf den Haushalt und damit im letzten Schritt auch auf die Höhe von staatlichen Investitionen und Leistungen aus. Nach der Studie „Missingprofits" der Universität Kopenhagen und der Universität Berkeley werden jährlich circa 40 Prozent der weltweiten Profite in Steuerparadiese verschoben. Für Deutschland bedeutet das zum Beispiel einen Verlust von 26 Prozent Unternehmenssteuern. Neben der Bundesrepublik sind gerade die EU-Länder mit höheren Steuern und die USA Verlierer der Umlage der Gewinne in Steueroasen.
Für Vertreter diverser Steuerrechtsgruppen ist diese Reduzierung eine verpasste Chance. Sie fordern mindestens 21 Prozent, um die multinationalen Konzerne dazu zu zwingen, einen angemessenen Anteil ihrer Gewinne als Steuern abzuführen. Gerade jetzt, in der Endphase der Pandemie, die viel Geld aus der öffentlichen Hand verschlungen hat, wäre für sie der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt. Jayati Ghosh, Professor für Wirtschaft in Massachusetts und Kommissar bei ICRICT, der Unabhängigen Kommission für die Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung: „Der Umstand, dass ein paar multinationale Konzerne während der Pandemie ein riesiges Wachstum ihrer Profite erleben konnten, während es so gut wie keinen Anstieg der von ihnen gezahlten Steuern gab, verdeutlicht die Dringlichkeit einer internationalen Steuerreform. Der einfache und gerechte Weg, einen angemessenen Mindeststeuersatz von 21 Prozent oder mehr durchzusetzen, wäre ein riesiger Schritt dahin, diese Unternehmen angemessen zu besteuern, ähnlich wie national operierende Unternehmen. Ein Mindeststeuersatz von 15 Prozent, wie er jetzt von der G7 gefordert wird, ist im Vergleich dazu fast bedeutungslos". Was hier auf den ersten Blick nach nur einem geringfügigen Unterschied klingt, hätte in der Praxis große Auswirkungen: Nach Berechnungen der EU-Steuerbeobachtungsstelle würden die europäischen Einnahmen bei einem einheitlichen Steuersatz von 15 Prozent bei 48,3 Milliarden Euro liegen, bei 21 Prozent schon bei 98 Milliarden Euro und bei 25 Prozent sogar bei 167,8 Milliarden Euro. Die Organisation Tax Watch UK, eine Organisation für Steuergerechtigkeit in Großbritannien, kritisiert außerdem, dass die Tech-Unternehmen nach einer Reform weniger Steuern als bisher im Vereinigten Königreich zahlen müssten.
Auch in Deutschland regt sich Widerstand gegen die effektive Höhe der Steuer, auch wenn viele Experten den Schritt hin zu einer globalen Mindestunternehmenssteuer grundsätzlich begrüßen. Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit hält die Reform grundsätzlich für einen „großen, wichtigen und lange überfälligen Schritt", der durch das Mitwirken der Vereinigten Staaten erfolgversprechend ist: „Wenn die USA das will, passiert es. Wenn sich die G7 anschließen, umso besser. Wenn China und Indien auch noch mitmachen, ist es nicht aufzuhalten".
Lokale Steuern durchsetzen
Aber auch er hält die anvisierten 15 Prozent für zu gering und spricht sich für eine Durchsetzung der lokalen Steuersätze, die oft deutlich höher sind, aus. „15 Prozent reichen nicht, um den Wettlauf nach unten zu stoppen. Deutschland und viele andere Länder haben deutlich höhere Steuersätze, der Anreiz zur Gewinnverschiebung bleibt also, wenn auch abgeschwächt, bestehen. Die Wirtschaftsverbände in einigen Ländern fordern aktuell schon eine Senkung auf die 15 Prozent und auch in Deutschland wird die Diskussion wieder losgehen. Ein möglicher Richtwert wäre 25 Prozent, der aktuelle OECD-Schnitt. Die beste Lösung wäre wohl, wenn jedes Land die ihm zugeordneten Gewinne nach eigenem lokalem Steuersatz besteuert", so Trautvetter weiter.
Die ersten Reaktionen der betroffenen Unternehmen sind, für manche vielleicht überraschend, sehr entspannt. Facebook erklärte, dass das Unternehmen durchaus bereit sei, mehr Steuern zu zahlen, und auch Google und Amazon nahmen das Vorhaben der G7 positiv auf. SAP, der größte Softwarekonzern Europas, der in den letzten Jahren nach eigenen Angaben zwischen 22 Prozent und 28 Prozent Steuern abgeführt hat, wartet nun auf eine Konkretisierung des Steuervorhabens. Für das Unternehmen sind im Status quo verschiedene Aspekte der Umsetzung einer solchen Reform noch nicht geklärt. „Bei dem von den G7-Finanzministern vereinbarten Kompromiss handelt es sich um ein Grundgerüst. Das heißt, bis dato sind nur die groben Gestaltungsparameter bekannt. Im Detail sind viele Fragen weiterhin unklar. Infolgedessen ist derzeit keine abschließende Quantifizierung der Auswirkungen möglich. Aus unserer Sicht ist es weiterhin von elementarer Bedeutung, dass Doppel- oder Mehrfachbesteuerungen für die Unternehmen vermieden werden. Hierzu bedarf es effizienter Streitvermeidungs- oder Streitbeilegungsprozesse, die von allen Staaten respektiert und befolgt werden", so Daniel Reinhardt, Pressesprecher Finanzen bei SAP.
Klar ist aber, das Thema bleibt auf der Tagesordnung. Die G20 wird sich schon bei einem Treffen im Juli mit den bisherigen Vorschlägen auseinandersetzen. Dabei und bei den Beratungen der OECD über dieses Thema wird neben der Höhe auch eine Rolle spielen, wer von den Mehreinnahmen in welchem Ausmaß profitiert. Gerade für finanziell schwächere Nationen ohne Sitz von Digitalkonzernen würde die angedachte Neuregelung keine Mehreinnahmen bedeuten. Organisationen wie ICRICT fordern deshalb, die Einnahmen der Mindeststeuer unter den Ländern zu verteilen, damit mehr Staaten davon profitieren können.