Zwischen Krisenmanagement und Polit-PR ist nur ein schmaler Grat
Die Menschen in Deutschland hatten lange Zeit das Gefühl, dass sich Naturkatastrophen weit weg von ihrem Zuhause ereignen. Hurrikans schlugen am Golf von Mexiko zu, Tsunamis in Ostasien, vernichtende Dürren in Afrika. Seit der desaströsten Flut in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Sachsen oder Bayern ist klar, dass auch Deutschland nicht von Wetter- und Klima-Extremen verschont bleibt.
Derartige Naturkatastrophen sind in mehrfacher Hinsicht eine gigantische Herausforderung. Die Politik in Bund, Ländern und Gemeinden muss die Verluste an Menschenleben und die Sachschäden ermitteln. Sie muss Milliardenbeträge lockermachen, um die zerstörten Überschwemmungsgebiete wieder aufzubauen. Und sie muss kurz- und langfristige Lehren aus dem Hochwasser-Schock ziehen: Dabei geht es um bessere Frühwarnsysteme, Wetterforschung, eine klimagerechte Baupolitik mit weniger Flächenversiegelung bis hin zu einem breiten Versicherungsschutz, der auch Elementarschäden abdeckt.
Krisen haben jedoch auch eine menschliche Dimension. Politiker sind als Tröster, Heiler und Mitfühlende gefragt. Da Notsituationen immer auch als Möglichkeit zur Profilierung dienen, versprechen sich Politiker durch Präsenz vor Ort Pluspunkte in der öffentlichen Wahrnehmung. Sie wollen als Kümmerer und Macher rüberkommen, zumal in Wahlkampfzeiten. Das treibt Kanzlerkandidaten wie Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) an, aber auch Ministerpräsidenten wie Markus Söder (CSU) und Malu Dreyer (SPD).
Es ist ein sehr schmaler Grat zwischen Krisenmanagement und Polit-PR in eigener Sache. Der Auftritt vor der Kulisse der Zerstörung kann das Bild von Politikern als zuhörende und zupackende Verantwortliche prägen oder sie als Zauderer und Selbstdarsteller entlarven. Die Menschen haben ein feines Gespür, was echt ist und wo ein Schaulaufen vor den Wählern stattfindet.
Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im überfluteten Eifeldorf Schuld am Sonntag verströmte Empathie und Authentizität. Merkel kam im schlichten schwarzen Wolljäckchen, redete auf Augenhöhe mit Feuerwehrleuten. Sie verstieg sich nicht in bombastische Formulierungen, sondern sagte einfach: „Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichtet ist." Und sie kündigte umfassende Hilfe vonseiten des Bundes an. Merkel, die am Ende ihrer Amtszeit steht und keine politischen Ambitionen mehr hat, signalisierte damit persönliche Betroffenheit und Handlungsbereitschaft.
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet kann dieses Prädikat nicht für sich beanspruchen. Bei der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im nordrhein-westfälischen Erftstadt am Samstag stand er im Hintergrund und scherzte mit Umherstehenden. Während Steinmeier seine Anteilnahme gegenüber den Hinterbliebenen der Flutopfer ausdrückte – „ihr Schicksal zerreißt uns das Herz" –, lachte Laschet. Eine verstörende Szene, die Laschets Image als fürsorgender Landesvater konterkarierte. Auch wenn Politiker im Zeitalter sozialer Medien unter Dauerbeobachtung stehen: Ein derartiger Fauxpas darf nicht passieren. Er kostet Glaubwürdigkeit.
Gerhard Schröder (SPD) machte es bei der verheerenden Elbeflut im August 2002 anders. Er stapfte in Regenjacke und Gummistiefeln durch den Schlamm im überschwemmten Osten. Medienwirksame Bilder des Tut-was-Kanzlers, die allerdings durch effizientes Krisenmanagement unterfüttert wurden. Schröder sprach von einer „nationalen Aufgabe" und organisierte Wiederaufbauhilfen über zehn Milliarden Euro. Der Sozialdemokrat, dessen Partei Wochen zuvor in den Umfragen noch hinter der Union lag, gewann die Bundestagswahl. Sein Kontrahent Edmund Stoiber (CSU) wirkte merkwürdig unentschlossen und kam zu spät.
Ähnlich agierte Helmut Schmidt (SPD) bei der Sturmflut in Hamburg 1962. Der damalige Innensenator koordinierte Polizei, Rettungsdienste und Katastrophenschutz, ohne ausdrücklich durch das Grundgesetz legitimiert zu sein. Ein Einsatz, der ihm große Popularität verschaffte und den Weg zur späteren Kanzlerschaft ebnete.
Krisen können das Image von Politkern positiv formen. Bilder allein reichen aber nicht. Echte Empathie, schnelle und umfassende Hilfe sowie die Bereitschaft, die richtigen Lektionen aus der Krise zu ziehen, müssen dazu kommen.