Die Katastrophe hat das Saarland im letzten Moment verschont. Der Hochwasserschutz bleibt angesichts der Fluten in vielen Teilen Deutschlands sehr weit oben auf der Agenda von Umweltminister Reinhold Jost (SPD). Er hat sich für eine Pflichtversicherung ausgesprochen.
Das Saarland hatte schlicht Glück. Im letzten Moment drehte sich nach Aussagen von Meteorologen das Regenband von „Tief Bernd" am 14. Juli und warf seine Wassermassen über der Eifel und im südlichen Nordrhein-Westfalen statt weiter südlich ab. Wäre das Saarland darauf vorbereitet? Die apokalyptischen Medienbilder und persönliche Gespräche mit dem Oberbürgermeister von Trier noch vor Augen hat der saarländische Umwelt- und Verbraucherschutzminister Reinhold Jost (SPD) im Sommergespräch mit der Presse nun noch einmal verdeutlicht, dass das Land weiter mit Hochdruck an seinem Hochwassermanagement arbeitet. „Ob so etwas bei uns passiert, ist nicht die Frage", so Jost, „sondern wann".
Starkregenmodelle für das Saarland
Bange machen ohne Plan aber gilt nicht. In etwa zehn Monaten soll deshalb mithilfe der Hochschule für Technik und Wirtschaft eine Starkregen-Karte des Landes entstehen. Neun Kommunen haben bereits eigene Starkregenkarten und Vorsorgekonzepte für solche Fälle erstellt, zwölf befinden sich in Planung. Mithilfe solcher Karten könnten Vorsorgekonzepte flächendeckend geschaffen werden, denn so werde sichtbar, wie sich das Wasser bei starken Regengüssen wo ausbreitet, „und zwar teilweise bis auf den Meter genau", so Jost. Das Modell der HTW soll skalierbar sein, heißt, selbst solch gewaltige Mengen wie jüngst in der Eifel, Nordrhein-Westfalen oder in Bayern können vorab im Modell erstellt werden. Das schafft Wissen – Wissen um Risikogebiete. Dies ermöglicht es den Kommunen, Vorsorgekonzepte zu erstellen, die auch dann noch funktionieren müssen, wenn beispielsweise die eigenen Feuerwehrgebäude im Hochwassers unterzugehen drohen. In die Daten mit einfließen sollen bis 2026 auch Werte zur möglichen Bodenerosion durch Wasser – sprich, was geschieht, wenn Hänge oder Straßendämme über- oder unterspült werden.
Ohnehin hat die Erfahrung der Saarländer in Sachen Starkregen in den vergangenen 20 Jahren stark zugenommen: Hochwasser in den Jahren 2002 und 2013, 2016 überflutete der Starkregen Sulzbach und Friedrichsthal, später Wustweiler und Dirmingen, 2018 wälzten sich Schlamm- und Wassermassen nach einem heftigen Regen durch Kleinblittersdorf und Bliesransbach, während andernorts im Saarland Keller vollliefen. Kein Wunder, dass vor allem jene damals stark betroffenen Gemeinden zu den ersten im Land gehörten, die ein Starkregenkataster anlegten.
Dieses beeinflusst als Folge auch die kommunale Bauleitplanung. Seit September 2020 bereits bietet die App „NaSaarWas" des Umweltministeriums den Gemeinden hierbei Hilfe an. Denn das Bauen ist das, was dem Hochwasserschutz diametral gegenübersteht. „Der beste Hochwasserschutz ist, wenn in Risikogebieten kein Gebäude gebaut wird", so Minister Jost gewohnt plakativ, aber einleuchtend: Wo wer baut, ist Sache der Städte und Gemeinden. Dennoch hängt der Schutz der Bevölkerung, gemeinhin Länder- und Landkreissache, auch daran, ob in Hochwasser-Risikogebieten überhaupt gebaut werden darf. Die App nun zeigt an, wo in der Nähe eines Standortes im Saarland sich Schutzgebiete befinden, zum Beispiel Rückhalteräume für Regenwasser oder potenziell riskante Überflutungsgebiete. Die geplante Starkregenkarte soll als zusätzliche Datengrundlage in die App einfließen, „eventuell müssen wir auch den Landesentwicklungsplan dahingehend noch mal nachschärfen", so der Minister.
Studien, Konzepte, Kataster, Beratungen und Schutzbauten: Insgesamt hat das Saarland seit 2009 neun Millionen Euro für den Hochwasserschutz ausgegeben, 6,4 Millionen alleine für bauliche Maßnahmen. Dies alleine wird aber nicht ausreichen. Auch privat werden die Saarländer vorsorgen müssen – zum Beispiel durch einen Versicherungsschutz. Jost selbst hat in vergangenen Jahren Werbung gemacht für eine Elementarschadenversicherung, die ebenjene Schäden durch Sturzfluten absichern. Das Saarland gehört zu den Bundesländern, in denen die wenigstens dieser Policen verkauft wurden – bis heute, trotz ministerieller Kampagne. Immerhin liegt die Versichertenquote heute bei 40 Prozent, 2013 waren es noch zwölf. Aber auch das ist Jost noch zu wenig. Er plädiert deshalb dafür, ein Haus gegen Elementarschäden pflichtzuversichern.
Hochwasserpass für eine Versicherung
„Dabei ist klar: Wir müssen das Risiko verteilen und die Kosten gering halten. Die hohen verfassungsrechtlichen Bedenken, die viele Gegner einer Pflichtversicherung anführen, sind aber spätestens seit dem vergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr haltbar", erklärt Jost. Der Minister spielt auf das Urteil an, das letztlich die Berliner Politik zum Überarbeiten des deutschen Klimaschutzes zwang. Dabei stellte sich das Gericht vor allem auf die Seite der kommenden Generation, auf die zahlreiche Maßnahmen ab 2030 ansonsten abgewälzt worden wären. Dieses Urteil wird Jost, sollte er das Thema auf der Verbraucherschutzminister-Konferenz anschneiden, sicherlich den Rücken stärken. Dennoch steht ihm die mächtige GDV gegenüber, der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, der seit 2013 gegen eine Pflichtversicherung antritt. Für GDV-Chef Jörg Asmussen ist eine Pflichtversicherung nur ein Anreiz für den Hausbesitzer, keine eigene Vorsorge zu treffen und die Schäden einfach auf Versicherungen abzuwälzen. Nach den Eindrücken der vergangenen Wochen aber scheint der Widerstand etwas zu bröckeln: Im „Spiegel" vertrat Asmussen die Ansicht, eine Pflichtversicherung sei sinnvoll, wenn sie in ein Gesamtkonzept zum Katastrophenschutz und in die Bauleitplanung von Städten und Kommunen eingebunden wäre. Sprich, wenn die Kommunen nicht in Risikogebieten bauen lassen.
Um mögliche unversicherbare Objekte vielleicht trotzdem versichern zu lassen, will das Saar-Umweltministerium, während die Diskussion um eine Pflichtversicherung noch läuft, in einen Hochwasserpass investieren. Ein solcher Pass, der vom Hochwasserkompetenzzentrum Köln erstellt wird, informiert über mögliche Schwachpunkte und bewertet das Haus, analog zu einem Energieausweis, in Sachen Hochwasserschutz. Der Pass kostet 500 Euro, das Ministerium plant, diesen zur Hälfte zu fördern und saarländische Hausbesitzer darüber zu beraten. Auf diese Weise könnten unversicherte Häuser, die schon jetzt in Risikogebieten stehen, aber mit Sicherheitsmaßnahmen gegen Hochwasser ausgerüstet sind, möglicherweise trotz hoher Risikoeinstufung elementarschadenversichert werden.
Unversichert zu bleiben heißt aber auch hier wie im Ahrtal, in Hagen oder im Berchtesgadener Land nicht, dass Geschädigte auf den hohen Folgekosten einer Sturzflut gänzlich sitzenbleiben. Wer sich im Saarland um eine Elementarschaden-Versicherung nachweislich bemüht hat, aber von den Versicherern wegen zu hohem Risiko abgeschmettert wurde, kann trotzdem im Falle eines Hochwasserschadens oder eines Hangrutsches Geld erhalten, und zwar über die Landkreise. Dafür sorgt eine Landes-Förderrichtlinie von 2020. Ein Ersatz für eine Elementarschaden-Versicherung ist dies jedoch nicht, stellt das Umweltministerium klar, und einen Rechtsanspruch darauf habe auch niemand. Aber es beruhigt zunächst einmal die Nerven im Falle, wenn dem Saarland einmal das Glück ausgehen sollte.