Im frisch eröffneten Humboldt-Forum im Berliner Schloss warten momentan sechs hochkarätige Ausstellungen auf Besucher. Und das bis Mitte November bei freiem Eintritt.
Als „Museum neuen Typs", als „Basislager für eine Weltreise" hat Kulturstaatsministerin Grütters das Humboldt-Forum bei seiner Eröffnung in der vergangenen Woche bezeichnet. Ein Konzept, das aufzugehen scheint. Das ist zumindest der Eindruck nach dem „ersten Run" auf das Haus in den vergangenen zehn Tagen. So sind nicht nur die „Zeitfenster" für eine der momentan sechs präsentierten Ausstellungen, die man wegen der Corona-Einschränkungen buchen muss, für die nächsten zwei Wochen ausgebucht. Durch den Schlüterhof flanieren unentwegt Neugierige, machen es sich im Außenbereich des Bistros gemütlich, das Interesse am Humboldt-Forum ist riesig. Schließlich hat das ambitionierte Museumsprojekt während seiner rund siebenjährigen Bauzeit für reichlich Diskussionen und Kontroversen gesorgt. Mal ging es um die Kosten, die im Verlauf des Projekts um knapp 50 Millionen Euro stiegen, dann wieder um den Entwurf des italienischen Architekten Franco Stella für den Gebäudekomplex hinter der rekonstruierten Fassade des Hohenzollernschlosses. Hitzig wurde die Frage diskutiert, ob eine Rekonstruktion des 1950 von der DDR gesprengten Stadtschlosses überhaupt zeitgemäß sei. Und längst nicht abgeschlossen ist die Debatte über den Umgang mit Kunstschätzen und ihrer kolonialen Vergangenheit etwa bei den Benin-Bronzen. Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy hatte 2017 aus Protest über den unentschlossenen Umgang mit solcher Beute-Kunst (die Benin-Bronzen waren 1897 von britischen Truppen nach der Zerstörung des Königspalastes von Benin-Stadt geraubt worden) den Beirat des Humboldt-Forums verlassen.
Berliner erobern das Forum
Doch all die Streitigkeiten und die Kritik treten jetzt – erst einmal – in den Hintergrund. Denn das Humboldt-Forum schickt sich an, zu einem Ort des Austauschs zu werden, ganz im Sinne der Namensgeber, der Brüder von Humboldt. Schließlich begegnen sich hier nicht nur Exponate aus unterschiedlichen Sammlungen, die vorher über Berlin verteilt waren. Naturwissenschaft, Geschichte und Kunst treten in einen Dialog, an dem sich Besucher interaktiv beteiligen können. Wie beispielsweise in der Ausstellung „Berlin Global" – die Rolltreppe geht es zum Besuch hinauf ins erste Obergeschoss. Wenn man möchte, bekommt man hier einen Clip an einem Armband. Mit dessen Hilfe kann man sich an zahlreichen Stationen der Schau „einloggen", ein Profil für die Dauer des Besuchs anlegen und mit anderen Ausstellungsgästen in den Dialog treten. Ausgangspunkt dafür sind eine ganze Reihe von Schlagworten, unter denen man sich dem vielseitigen Berlin nähert: „Revolution" oder „Grenzen", „Vergnügen" oder „Mode". Zu all den Themenkomplexen erwarten den Ausstellungsflaneur Filmausschnitte und großformatige Fotos, Texte, aber auch die Tür des legendären Clubs „Tresor", das sogenannte „Kaiser-Panorama" von 1900 oder auch ein zerrissenes Taschentuch der preußischen Königin Elisabeth, das sie angesichts der aufgebahrten Märzgefallenen der Barrikadenkämpfe von 1848 hatte fallen lassen, und das sich seitdem im Privatbesitz einer Familie befand, die es nun der Ausstellung zur Verfügung gestellt hat. Stunden könnte man schon allein bei „Berlin Global" verbringen, das auch die internationalen Verbindungen und Verflechtungen der Stadt – historisch, politisch, wirtschaftlich oder künstlerisch aufzeigt.
Als Gottheit verehrt
Aber es gibt ja im riesigen Museumskomplex noch so viel mehr zu entdecken, auch wenn momentan nur ein Teil der Ausstellungsfläche „bespielt" wird. Eine Etage tiefer, im Erdgeschoss, präsentiert die Schau „Schrecklich Schön" die Beziehung zwischen Mensch, Elefant und Elfenbein. Der Elefant faszinierte Menschen von jeher, wurde in einigen Kulturen zum gottgleichen Wesen erhoben und dennoch gnadenlos gejagt. Wegen seines Elfenbeins, das schon früh in der Menschheitsgeschichte rituelle Bedeutung hatte, später in kolonialen Zeiten als Kostbarkeit gehandelt wurde, auch in Verbindung mit Sklavenhandel. All diesen vielschichtigen Verflechtungen geht die Ausstellung nach, die einerseits erlesene Kunstwerke aus Elfenbein präsentiert, daneben aber die gefährdete Art und die Bemühungen, diese zu schützen, in ihren Mittelpunkt stellt. Faszinierend allein schon die Vielfalt der Gegenstände, die in vergangenen Jahrhunderten in unterschiedlichen Kulturen aus Elfenbein gefertigt wurden – französische Billardkugeln finden sich neben Juwelendosen oder einer Horizontal-Sonnenuhr aus dem 16. Jahrhundert. Teilweise stammen die Exponate aus Berliner Sammlungen etwa dem Museum für asiatische Kunst oder dem Ethnologischen Museum, daneben gibt es aber auch Leihgaben aus internationalen Häusern wie dem British Museum. Um die Elefanten-Bestände in Asien und Afrika geht es in einem weiteren Bereich der Schau, unter anderem mit einer Reihe von Interviews mit „Elefanten-Experten" zum Beispiel Rangern aus afrikanischen Nationalparks. Ein weiteres Thema ist der „Mythos Elefant", dem in einigen Kulturen übernatürliche Kräfte zugeschrieben wurden oder der als Gottheit verehrt wurde und wird – man denke nur an Hindu-Gott Ganesha.
Auch wer sich mit der Geschichte des Berliner Stadtschlosses beschäftigen will, findet dazu im Humboldt-Forum mehrere Angebote. Im Kellergeschoss kann man die einzigen authentischen Reste des Schlosses besichtigen, in früheren Zeiten gab es hier Lagerräume und Küchen, aber auch Stuben für die Wachmannschaften. Beeindruckend ist es, zu sehen, dass Teile des Mauerwerks die Sprengung des Gebäudes 1950 überstanden hatten. Ebenso wie noch ältere Mauerreste des Dominikanerklosters, das um 1300 an der Stelle gebaut worden war, an der 1698 bis 1713 das barocke Schloss und 1973 bis 1976 der Palast der Republik entstand. Auch dessen Spuren kann man im Humboldt-Forum folgen, so ist beispielsweise im Skulpturensaal mit einigen Original-Skulpturen der Schlossfassade auch eine „gläserne Wahlurne" zu sehen. Sie war bei der ersten und letzten freien DDR-Volkskammerwahl 1990 zum Einsatz gekommen.