Wenn Harald Quast durch Göttingen radelt, dann mit Theodore auf dem Rücken. Das Wetter spielt dabei keine Rolle. Ob nun bei Regen oder Wind, der Mitradler hält jeder Witterung stand. Auch, wenn die Kreation des jungen Start-ups aus Papier ist.
Herr Quast, wer ist Ihr Begleiter Theodore?
Theodore ist ein Rucksack aus Papier, den ich kreiert habe, und der seit knapp einem Jahr auf dem Markt ist.
Sie sind ja ein junges Start-up. Was war zuerst da, das Unternehmen oder die Idee?
Ich habe schon immer nach einer nachhaltigen Idee gesucht, etwas Gutes und Nachhaltiges für die nächste Generation zu schaffen. Meine Mutter hat aus Milchtüten Blumentöpfe gefertigt. Das hat mich inspiriert und auf das Material Papier gebracht.
Womit der Rucksack ja noch lange nicht erklärt wäre?
Hinzu kam meine Vision, etwas für Studenten und mobile Leute, die viel mit dem Rad unterwegs sind, zu entwerfen. Bei meiner Recherche stieß ich irgendwann auf das Thema Rucksäcke. Die Verbindung von Form und Material hat mich gereizt. Ich habe auch herausgefunden, dass es schon Taschen aus Papier gibt. Das war eine Bestätigung für die Stärke von Papier.
Keine Kreativität ohne das Geschäftliche. Wie war es, ein Start-up zu gründen?
Ich bin Maschinenbauingenieur, und es war bereits meine zweite Gründung. Ich hatte bereits ein Start-up für Möbel aus Stein aus der Wiege gehoben und so wusste ich bereits, was auf mich zukommt. Dennoch gibt es viele Formalien einzuhalten, die nicht ganz ohne sind und die einem auch niemand erklärt. Man muss sich selbst aus unzähligen Gesprächen und Recherchen im Internet alles zusammensuchen, was für die Gründung wichtig und notwendig ist, sodass Finanzamt, Zoll, Versicherung und so weiter mitspielen. Mein Motto war ‚einfach machen’, man wird schon merken, was fehlt. Jeden Tag kommt eine neue Überraschung auf einen zu.
Sie mussten sicherlich auch nach Produzenten suchen?
Es gibt Einkaufsplattformen für Händler, die sehr hilfreich sind. Dort sind wir auf einen chinesischen Produzenten gestoßen, der sein Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Baden-Württemberg bezieht. Ich habe alles ausgemessen, was im Rucksack Platz finden soll, etwa Laptop, ein Ordner und eine Wasserflasche. Wichtig auch ein sicherer wie schnell erreichbarer Platz fürs Handy. Durch den Sitz des Produzenten in China musste ich mich mit dem Thema Import von Waren befassen, angefangen von den Formalien beim Zollamt bis zur Organisation des Transports. Aber: Wenn man schnell arbeitet, kann man dies innerhalb eines Monats klären.
Mussten Sie lange auf den Prototyp warten?
Nein, auch von Herstellerseite lief es professionell und schnell ab. Das erste Gespräch fand im März statt. Mitte April hielt ich den ersten Rucksack in den Händen, mit dem ich sehr zufrieden war, denn sowohl Funktion als auch Optik waren wie gewünscht. Eigentlich wollte ich Anfang Juli mit der Vermarktung beginnen, durch Corona verschob sich der Startschuss jedoch auf Anfang August.
Und die Finanzierung?
Komplett selbst aus privaten Geldern.
Dann stellen Sie uns doch bitte Theodore vor.
Theodore ist ein praktischer, minimalistischer und zudem veganer Rolltop-Rucksack. Er bietet ein gepolstertes Fach für einen 16-Zoll-Laptop, Seiten- und andere Fächer mit Reißverschluss zum Diebstahlschutz. Das Fassungsvermögen liegt bei zwölf bis 17 Litern. Durch Rückenpolster und breite Träger, die ob der Stabilität aus kunststoffunterfüttertem Papier bestehen, lässt er sich bequem beim Radfahren, Wandern oder Shoppen tragen. Dabei ist er ein Leichtgewicht, wiegt nur 600 Gramm.
Ein praktisches, urbanes Backpack also, nur eben aus Papier?
Ja. Theodore besteht aus FSC-zertifiziertem Kraftpapier, das wasser- und reißfest ist. FSC ist ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltigere Waldwirtschaft, zertifizierte Wälder und Plantagen, die unter anderem nach strengeren ökologischen und sozialen Prinzipien bewirtschaftet werden.
Es gab doch sicherlich auch noch Änderungswünsche Ihrerseits?
Ich habe den Prototypen zwei Wochen lang gestestet, ihn verschiedenen Prüfungen unterzogen, habe zum Beispiel daran gerissen, habe ihn bei Regen aufgesetzt. Es gab nur zwei, drei kleinere Verbesserungsvorschläge. Mitte Mai habe ich dann die erste Bestellung aufgegeben.
Noch einmal zur Wasserfestigkeit. Im Rucksack bleibt also alles trocken?
Das ist natürlich eine Grundvoraussetzung. Ist er nass geworden, wischt man ihn einfach von außen trocken. Dann sieht er aus, als hätte es nie geregnet.
Er verändert sein Aussehen also gar nicht?
Doch. Das Papier ist anfangs etwas steif und faltig. Durch das Tragen jedoch wird er nach und nach weich wie Leder und erhält durch jede Falte einen schönen Knitter-Schick, eine eigene Patina und ist damit ein Unikat.
Was ist, wenn er dreckig wird?
Einfach mit einem feuchten Tuch abwischen. Man kann Theodore, der durch eingefasste, doppelt abgesteppte Nähte sehr stabil ist, sogar in der Waschmaschine waschen, Handwäsche bei 30 Grad und schonendes Schleudern.
Farblich bleiben Sie bei sanften, naturverbundenen Tönen?
Ja, dies ist dem nachwachsenden Rohstoff Papier geschuldet. Es ist ein urbaner Look, der zeigt, dass man ein Alltagsmaterial ganz anders als gewohnt nutzen und designen kann. Im Gegensatz zu einem normalen City-Rucksack ändert man mit Theorode auch sein Mindset. Interessanterweise wird man auch vielfach auf diesen andersartigen Backpack angesprochen. Es gibt Fans, die ihn ganz individuell gestalten. Eine Kundin hat mit Handlettering-Stiften ‚Just enjoy the little things’, also „Genieß einfach die kleinen Dinge“, drauf geschrieben. Die Kunden machen dann Selfies und posten sie auf Instagram.
Sie haben eingangs von Nachhaltigkeit gesprochen. Wenn man sich, aus welchen Gründen auch immer, von Theodore trennt, was wird dann aus ihm?
Ich würde ihn, da es sich bei seinen Bestandteilen um Wertstoffe handelt, in der gelben Tonne entsorgen. Es gibt noch einen weiteren Nachhaltigkeitsaspekt bei Theodore. Wir unterstützen mit jedem verkauften Papierrucksack ein Aufforstungsprojekt, pflanzen einen Baum. Neben dem Online-Verkauf führen auch zwei Unverpackt-Läden in Karlsruhe und Weil am Rhein bei Freiburg Theodore.
Sie meinen den weltweit ersten Supermarkt mit Zero-Waste-Philosophie?
Genau. Theodore kaufen und gleich mit Produkten ohne Einwegverpackungen vollladen, doppelt nachhaltig also.
Wird Theodore Zuwachs bekommen?
Ich denke über weitere Rucksack-Modelle und kleinere Taschen nach.