Die Linke regiert seit 2016 in Berlin zusammen mit der SPD und den Grünen. Nach der Wahl soll es erneut Rot-Rot-Grün geben, doch den aktuellen Umfragen zum Trotz diesmal mit der Linken statt der SPD als stärkster Kraft und mit Klaus Lederer als neuem Regierenden Bürgermeister.
Den Ort hatte Klaus Lederer für seine Sommertour gut gewählt: einen Club mit Biergarten namens „Revier Südost" auf dem Areal der ehemaligen Bärenquell-Brauerei. Den besucht er gemeinsam mit dem Linken-Urgestein und Bundestagsmitglied Gregor Gysi, der Direktkandidat für Treptow-Köpenick ist. Beide Männer verstehen sich bestens und kommen zusammen als Team rüber: Klaus Lederer wirkt wie der Hausherr bei dem Rundgang über das Gelände, und Gysi scherzt nicht nur mit der Presse, sondern reckt auch für ein paar Bauarbeiter seine Faust zum Gruß hoch.
Als Bürgermeister und Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters hat Klaus Lederer im Roten Rathaus bereits ein Büro. Auch wenn er sein Ressort, die Kultur, gern als „Lebenselixier unserer Stadt" bezeichnet, will er mehr: „Das Rote Rathaus muss endlich auch von innen heraus rot strahlen." Der 47-Jährige kann überzeugen. Er rennt bei vielen Berlinern offene Türen ein, wenn er das öffentliche Gemeinwesen stärken will, also Schulen und Kindergärten, Polizei und Feuerwehr, Gesundheits- und Jugendämter. Berlin soll nicht noch einmal wie zu Klaus Wowereits Zeiten an der Infrastruktur sparen. Lederer möchte stattdessen in den sozial-ökologischen Umbau investieren und für die Unterstützung der Kulturlandschaft sorgen.
Doch der Wahlkampf fokussiert sich in den letzten Wochen immer mehr auf das Thema Mieten und Wohnen. „Bezahlbarer Wohnraum für alle", denn Wohnen sei keine Ware, steht im Wahlprogramm. Nach dem Scheitern des Mietendeckel-Gesetzes möchte die Linke den Anteil landeseigener Wohnungen erhöhen. Außerdem ist ihr Ziel, Eigenbedarfskündigungen zu begrenzen und mehr Milieuschutzgebiete auszuweisen, in denen die soziale Mischung der Bevölkerung erhalten bleiben soll. Private Wohnungsbauunternehmen sollen sich stärker am Bau von günstigen Wohnungen beteiligen.
Klaus Lederer spricht sich klar für die Fortführung der rot-rot-grünen Koalition aus. Kein Wunder, denn für die Linke ist eine Koalition mit SPD und Grünen, egal in welcher Reihenfolge, die einzige Machtoption, wohingegen sich die beiden anderen Parteien alle Optionen offenhalten. Auch wenn man öfter mal in dem Dreier-Bündnis verschiedener Meinung war: Die Bebauung des Tempelhofer Feldes lehnte die Linke, anders als die SPD, ab. Im Gegensatz zur SPD unterstützt sie das Anliegen der Initiative „Deutsche Wohnen Co. enteignen", die für einen Volksentscheid für die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen kämpft. „Das muss weitergehen, da wünsche ich mir, dass der Druck aufrechterhalten wird", so Klaus Lederer. „Die Frage, wem die Stadt gehört, ist noch nicht entschieden."
Der Kultursenator bewährte sich in der Coronakrise als Krisenmanager. Solo-Selbstständige, die oft unter prekären Bedingungen arbeiten, wurden auf sein Betreiben hin schnell mit Soforthilfen unterstützt. „Ich habe mich dafür stark gemacht, dass Bibliotheken weitgehend und Buchläden im Sinne von ‚Bücher sind Lebensmittel‘ geöffnet waren." Auch, dass Ausgangsbeschränkungen in Berlin auf das Nötigste reduziert blieben, trägt deutlich linke Handschrift. Und streitbar kann er auch sein: Dem scharfen politischen Gegenwind bei der Entlassung von Hubertus Knabe, dem umstrittenen Leiter der Stasigedenkstätte Hohenschönhausen, hielt er stand.
„Das Rote Rathaus richtig rot machen"
Ein gebürtiger Berliner ist Klaus Lederer nicht. Er kam schon als 14-Jähriger in die Stadt. 1974 in Schwerin geboren, wuchs er in Frankfurt (Oder) auf, bevor er 1988 mit seinen Eltern nach Hohenschönhausen zog. Heute lebt er mit seinem langjährigen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann in Prenzlauer Berg. Nach dem Abitur 1992 und einem Jahr Jugendsozialarbeit studierte er Rechtswissenschaften an der Humboldt-Uni. Danach leistete er seinen Zivildienst in der Seniorenbetreuung und promovierte über die Privatisierung im Wassersektor. Seiner Partei trat er bereits mit 18 Jahren bei und arbeitete zunächst im Jugendhilfeausschuss von Mitte mit. In den Folgejahren ging es stetig voran mit seiner Parteikarriere: 1995 wurde er Bezirksverordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender in Prenzlauer Berg. Von 1997 bis 2003 war er Mitglied der PDS-Bundesschiedskommission. 2000 wurde er stellvertretender Bezirksvorsitzender von Pankow, später stellvertretender Landesvorsitzender und 2005 schließlich Landesvorsitzender der Linkspartei PDS.
Seit 2003 sitzt Klaus Lederer im Abgeordnetenhaus. Er war rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Bei den Bundestagswahlen 2009 und 2013 trat er als Direktkandidat in Mitte an, kam aber nicht in den Bundestag. Seit 2012 ist er Mitglied im Bundesvorstand der Linken, und seit fast fünf Jahren gehört er als Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa der rot-rot-grünen Berliner Landesregierung von Michael Müller (SPD) an.
Dass die Linke für den rot-rot-grünen Dreikampf um den Chefsessel im Roten Rathaus ihren Kultur- und Europasenator nominierte, war wenig überraschend. Die Entscheidung fiel „in großer Einhelligkeit". Auch wenn es nach den aktuellen Umfragewerten seiner Partei schwer möglich sein wird, Regierender Bürgermeister zu werden, ist das sein erklärtes Ziel: „Ich gehe nicht in die Auseinandersetzung, um auf Platz zu spielen", sagte Lederer bei seiner Nominierung zum Spitzenkandidaten im April. Doch damals galt der Mietendeckel noch, ein Herzensprojekt seiner Partei, das inzwischen vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Ein Tiefschlag für die Linken, von dem sie sich noch nicht erholt haben.
Lederer, stets mit Ohrring, taucht – passend zum Kunstbereich in seiner Verantwortung – meist schwarz gekleidet auf und macht nicht auf großen Zampano, sondern bevorzugt intellektuelle Auseinandersetzungen. Seine Umtriebigkeit in Sachen Kultur ist legendär: Vom Buchhändlertreff zur Ausstellungseröffnung, von der Matinee zur Clubkommission – kein wichtiges Meeting, wo er mal nicht dabei ist. Stünde eine Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters an, in der Szene hätte er die besten Chancen, sein Ziel zu erreichen.