Es ist so etwas wie die Botschaft des Bistums Trier im Saarland. Das Katholische Büro wurde vor 50 Jahren eingerichtet und ist unverzichtbarer Gesprächspartner. Die Leiterin Katja Göbel über die Bedeutung von Kirche in Gesellschaft und die Veränderungsprozesse innerhalb der katholischen Kirche.
Frau Göbel, was ist eigentlich das Katholische Büro im Saarland?
Offiziell sind wir die Verbindungsstelle der katholischen Kirche zur Landesregierung, zu den gesellschaftlichen Vertretungen, zu den Sozialverbänden und anderen. Wir machen konkret Interessenvertretung der kirchlichen Verbände und der katholischen Kirche insgesamt im Saarland. Ein Beispiel ist etwa der Arbeitskreis Kirche und Wirtschaft, oder die Zusammenarbeit mit allen Ministerien, besonders Bildung und Soziales, weil das Bereiche sind, wo wir als Kirche – hoffentlich wahrnehmbar – sehr aktiv sind.
Ist das jetzt eher zu verstehen als diplomatische Botschaft oder als Lobbyarbeit?
Ich würde es eher als diplomatische Botschaft verstehen. Lobby hört sich etwas negativ an, Ich würde also sagen: Eine diplomatische Stelle in gutem und engen Austausch im katholischsten Bundesland in Deutschland. Dass ist das Saarland nach wie vor, und das spüre ich auch.
Seit drei Jahren leiten Sie das Büro, damit erstmals ein Frau an dieser Stelle. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Eine Frau an dieser Stelle ist eine Herausforderung – für mich, aber auch für alle anderen. Das wurde nach meiner Beobachtung in Politik und Gesellschaft sehr positiv aufgenommen. Als die Einrichtung des Büros am 1. Februar 1971 ganz unspektakulär im Amtsblatt veröffentlicht wurde, war das nur eine kleine Nachricht. Damals noch unter Bischof Stein und Ministerpräsident Röder. Wenn ich mir die Stationen anschaue, wie viele Leitungen es im Katholischen Büro gab; und wenn ich mir die Liste der Ministerpräsidenten in dieser Zeit ansehe, ist die Letztere doch ungleich länger. Ich bin hier die Fünfte, die erste Frau, und ich bin die erste Laiin und Nicht-Theologin, komme eigentlich aus dem Verwaltungsdienst, vorher waren es nur geweihte Männer. Das zeigt auch ein stückweit, dass katholische Kirche auch weiblich ist und nicht nur aus Männern und Priestern besteht.
Was waren aus Ihrer Sicht markante Entwicklungen und besondere Herausforderungen?
Die größte Herausforderung war – und ist – natürlich die Corona-Pandemie. Die hat vieles, auch die Gesellschaft verändert. Meilensteine waren sicherlich die Staatskirchenverträge, die auch eine Lehrerausbildung sichergestellt haben. Dafür ist das Katholische Büro auch zuständig, ebenso wie für die Begleitung von Gesetzgebungsverfahren. Die politische Ebene und Kirche sind zwar getrennt, aber in der Praxis in vielen, vielen Dingen verbunden. Aktuell in der Pandemie war natürlich sehr viel an Abstimmung erforderlich, was Kirche und kirchliches Leben anbelangt. Religionsfreiheit ist letztlich ein Grundrecht, und es war die Frage, wie kann man das so gestalten, dass es den Pandemiebedingungen entspricht. Das war ein Balanceakt, aber ich muss sagen: Wir haben das hervorragend hinbekommen. Weder in der Katholischen noch in der evangelischen Kirche gab es bisher Infektionsherde. Aktuell arbeiten wir an einem ganz spannenden Thema, dem konfessionell-kooperativen Religionsunterricht. Da gibt es jetzt eine Erprobungsphase sowohl an Grundschulen als auch an weiterführenden Schulen. Es geht darum, mit den evangelischen Kirchen gemeinsam einen Religionsunterricht zu gestalten, der als konfessioneller Unterricht auf dem Unterrichtsplan steht und in Kooperation neue Wege gehen kann. Was auch beim letzten Spitzengespräch der Bischöfe und der Landesregierung ganz wichtig war, ist die Stärkung des dörflichen Raumes, gemeinsam nach Ideen zu schauen, dass der ländliche Raum nicht verwaist. Auslöser und Negativerlebnis war, dass in einem Dorf sowohl das Pfarrheim als auch das Dorfgemeinschaftshaus geschlossen wurden und damit das Dorfgemeinschaftsleben zum Erliegen kam. So etwas wollen wir gemeinsam vermeiden. Da sind wir durch die Pandemie zwar etwas zurückgeworfen worden, aber eigentlich auf einem guten Weg.
Das Bistum Trier ist größter Träger von Kindereinrichtungen im Saarland, es gibt die Aktivitäten der Caritas. Welche Rolle spielt das für das Verhältnis zu Politik und in der Gesellschaft?
Kirche ist eben viel mehr als Kirchturm, Priester und Gottesdienst. Wir sind im Saarland der größte Träger von Kindertagesstätten, damit leisten wir einen großen und wichtigen Beitrag für die gesamte Gesellschaft. In der aktuellen Situation von vermehrten Kirchenaustritten sollte man das ins Bewusstsein rufen, dass wir nicht nur Kirche sind im Sinne von Gottesdienst und Priester, mit allen Verfehlungen und Skandalen, sondern dass wir einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten, ob das Kitas, Schulen, Wohlfahrtsverbände oder Beratungsstellen sind. Da fließen auch die Kirchensteuern mit rein. Und damit tun wir viel Gutes für die Gesellschaft.
Mit dem Synodalen Weg waren und sind Hoffnungen für viele in der Kirche in Deutschland verbunden. Es gibt gleichzeitig Widerstände aus Rom. Und was ist von Regenbogenfahnen an Kirchtürmen als Protest gegen Äußerungen aus Rom zu halten?
Ich finde es gut, denn es ist ein Zeichen von Selbstbewusstsein. Jede Gesellschaft ist anders in dieser Weltkirche. Im europäischen Raum denkt man sicher anders als in Südamerika oder im asiatischen Raum. Wir in Europa und hier in Deutschland denken liberaler, und das ist gut so. Es gab viele Stimmen, auch in den Bistümern Trier und Speyer, die sich kritisch gegen die Verlautbarungen aus Rom gestellt haben. Ob man da zwingend eine Regenbogenfahne an den Kirchturm hängen muss, weiß ich nicht. Es zeigt aber, wie offen und selbstbewusst katholische Kirche sein kann.
Im Bistum Trier hat die Synode weitreichende Vorschläge gemacht. Die große Reform ist aufgrund von Protesten an einigen Stellen schließlich aus Rom ausgebremst worden. Jetzt gibt es andere Schritte. Wie weit ist die Entwicklung?
Die „Pfarreien der Zukunft", die in der Bistumsreform geplant waren, wird es in dieser Form nicht geben. Das Bistum setzt jetzt auf pastorale Räume, auf Freiwilligkeit, auch zu fusionieren. Die ersten neuen Einheiten gehen jetzt an den Start am 1.1.2022. Ich persönlich war ein großer Freund dieser ursprünglichen Idee einer Pfarreienreform. Das bisherige Kirchturmdenken mit einem Pfarrer vor Ort kann nicht mehr funktionieren. Da trägt der demografische Wandel Seines dazu bei, und die Zahl der Priester wird immer kleiner. Es war die Möglichkeit, gegenzusteuern. Das Bistum Trier versucht, dieser Entwicklung jetzt in abgewandelter Form gerecht zu werden. Das ist eine Reform, die notwendig wird. Es geht darum, den Priester vor Ort von Aufgaben zu befreien, für die er eigentlich nicht ausgebildet ist, damit er das tun kann, wofür er da ist, nämlich Seelsorge.
In der Pandemie hat Kirche auch die modernen Kommunikationswege für sich entdeckt. Wird Kirche jetzt digital?
Ich hoffe es. Wobei ich unter digital nicht meine, einen Gottesdienst zu streamen. Das ist viel, viel mehr. Ich habe da zum Beispiel die Idee, eine digitale Pfarrei zu gründen, um zu sehen, was dann passiert. Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass beide Bistümer, Trier und Speyer, da sehr zukunftsorientiert sind. Wir haben alle gelernt, dass Digitalisierung wichtig und gut ist, aber dass sie nicht alles ist. Eine Mischung von beidem wird uns gut tun, und davon sollte Kirche profitieren.
Die Kirchen verfügen über eine Reihe von Privilegien. Ist das noch zeitgemäß?
Wir müssten zunächst einmal klären, was Privilegien sind. Darüber haben wir in der Pandemie ja viel gesprochen. Wenn wir geimpft sind, bekommen wir keine Privilegien, sondern unsere Grundrechte zurück. Ähnlich ist es bei Kirche. Es sind keine Privilegien, sondern Rechte, die im Grundgesetz stehen: Religionsfreiheit oder Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Da kann man vielleicht geteilter Meinung sein, aber sie stehen im Grundgesetz, sind also keine Privilegien, sondern Grundrechte.