Vor Hündin Candy ist kein Trüffel sicher. Gabi Wenk hat ihrer Vierbeinerin beigebracht, die seltenen Pilze im Wald aufzuspüren. Das Duo geht sogar im Ausland auf die Suche.
Wenn Gabi Wenk und Candy, ein Silken Windsprite, auf Trüffelsuche gehen, sind die Rollen klar verteilt: Die zehnjährige Windhündin läuft voraus, ihr Frauchen folgt. „Such Pilz!", ruft die 72-Jährige im Wald am Stadtrand von Völklingen. Kaum hat sie ihre Gefährtin von der Leine gelassen, da steigt der Hündin schon der erste Trüffelduft in die feine Nase. Vorsichtig scharrt sie die Erde mit der Pfote nach hinten. „Ist da was, Candy?", fragt Gabi Wenk. Candys Antwort ist eindeutig: Immer wieder vergräbt sie ihre Schnauze in der Erde. Als die Rentnerin den Boden untersucht, findet sie zunächst nur ein schmutziges Steinchen. Vielleicht doch Fehlalarm? Wenk schüttelt den Kopf. „Wenn Candy einen Fund anzeigt, dann ist da auch ein Trüffel", sagt die Pilzkennerin. Sie muss ihn nur finden. Und tatsächlich. „Da ist er, alles klar", ruft sie einige Sekunden später. Der erste kleine Pilz landet in der mitgebrachten Pillenbox. „Hast du ganz fein gemacht", lobt die Seniorin ihre Begleiterin. Zur Belohnung gibt es Leberwurst aus der Tube und ein Stückchen getrockneten Pansen.
400 bis 500 Euro kostet das Kilo im Laden
Neben den Leckerli und der Tablettenschachtel für die Trüffel hat Wenk mehrere Ausnahmegenehmigungen in der Tasche. Sie darf den bei Feinschmeckern beliebten Sommertrüffel (Tuber aestivum) entnehmen. Das ist normalerweise in Deutschland verboten. Im saueren Völklinger Boden wächst die Art aber nicht, sie gedeiht nur auf Kalk. Zu Hause präsentiert Wenk ein Prachtexemplar des beliebten Speisetrüffels. Die Außenhaut ist schwarz, das Fruchtfleisch marmoriert. Drei weitere sind noch eingefroren. „Die habe ich mir aus Italien schicken lassen", erklärt die Völklingerin. Bei jeder Bestellung hofft sie, dass sich die Lieferung nicht verzögert. Sind die Trüffel zu lange unterwegs, werden sie grau und ungenießbar. 400 bis 500 Euro kostet das Kilo im Laden, sagt die Expertin. Im reifen Zustand schmeckt die Delikatesse leicht nussig. Gabi Wenk selbst kocht nicht mit Trüffeln. „Dafür sind sie viel zu schade", betont sie.
Statt in der Pfanne landen die Pilze bei ihr unterm Mikroskop. Mit einem kleinen Messer raspelt sie einige Krümel des Sommertrüffels auf den Objektträger. Die Glasscheibe wurde zuvor mit einem Wassertropfen aus der Pipette angefeuchtet. Jetzt noch das Deckplättchen drauf – und schon kann es losgehen. „Er hat zu wenig Sporen", stellt die Fachfrau beim Blick durchs Okular fest. Und noch etwas entdeckt ihr geschultes Auge: Ein winziger Wurm lässt sich gerade die wenigen vorhandenen Sporen schmecken. Deren geringe Anzahl zeigt, dass der Pilz nicht reif genug ist, um sich mit den Feinwurzeln eines Baumes zu verbinden. Trüffel sind mykorrhizierend; das heißt, sie leben in Symbiose mit ihren Wirtspflanzen. Beide Seiten profitieren von der Gemeinschaft. Die Pilze geben Mineralsalze und Wasser ab, die Bäume revanchieren sich mit Kohlenhydraten und Vitaminen. Bei der Partnersuche sind die Trüffel nicht wählerisch, lediglich Obst- und Walnussbäume sowie Ahorn verschmähen sie.
Candy und Gabi Wenk leben ebenfalls in einer Art Symbiose, selbst beim Mikroskopieren weicht die Hündin ihrer Besitzerin nicht von der Seite. Sie macht es sich direkt hinter ihr auf ihrem Sessel-Stammplatz gemütlich. „Als ich mal einen Tag wegen einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus musste, hat sie nichts gefressen", erzählt Wenk. Und wie wurde ihre Leidenschaft für die unterirdischen Knollen geweckt? Das war Zufall. Eine Freundin machte die Saarländerin 2017 auf die Trüffelsuche mit Hund aufmerksam, sie hatte davon gelesen. Gabi Wenk meldet sich mit Candy zu einem Kurs an. Beide waren sofort begeistert, blieben am Ball und bildeten sich fort. Im Sommer 2018 starteten sie richtig durch, Ende des Jahres hatten sie schon 17 verschiedene Sorten gefunden. Inzwischen sind es über 150.
„Es ist immer wieder toll, wenn man eine Art entdeckt, die man bisher noch nicht kannte", sagt Wenk. In Südfrankreich, Spanien und Portugal gingen die beiden auf Trüffeljagd. „Aber auch sehr viel im Saarland", erzählt Wenk. Wegen der Reisebeschränkungen hat sie während der Corona-Pandemie begonnen, das Bundesland systematisch abzusuchen. Trüffel finde man in allen Böden, versichert die Expertin. Und zu allen Jahreszeiten. „Im Winter aber weniger als im Sommer." Weltweit wurden bisher über 2.000 Arten entdeckt, in Deutschland sind etwa 300 Sorten heimisch. Gabi Wenk engagiert sich bei den Pilzfreunden Saar-Pfalz und ist Mitglied der Delattinia, der Naturforschenden Gesellschaft des Saarlandes. Die Vereinigung von Hobbyforschern erfasst die Flora und Fauna des Saarlandes und seiner Grenzregionen. Jede Trüffel-Fundstelle wird von Wenk fotografiert und kartiert.
Hunde sind für die Suche besser als Trüffelschweine
Früher gingen viele Feinschmecker mit Trüffelschweinen auf die Pirsch. Dabei gab es zwei Probleme: Zum einen ließen sich die Wutzen die unterirdischen Knollen selbst schmecken, zum anderen beschädigten sie beim Umpflügen des Bodens die Pflanzenwurzeln. Deshalb setzt man heute auch in Italien und Frankreich auf trainierte Hundenasen. „Trüffelschweine kommen nur noch für die Touristen zum Einsatz", sagt Gabi Wenk. Ihr Wissen gibt sie inzwischen gern weiter. In Volkshochschul-Vorträgen informiert sie über die Trüffelsuche mit Hund, über den Trüffelanbau, die Geschichte des Pilzes und seine Verbreitung im Saarland. Außerdem begutachtet die gelernte Versicherungsfachwirtin Grundstücke, auf denen Trüffelplantagen anlegt werden sollen. Ist die Lage günstig? Passt das Gefälle? Ist der Boden locker genug? Selbst bei idealen Voraussetzungen müssen die Züchter geduldig sein: „Wenn alles optimal läuft, kann man nach vier Jahren die ersten Trüffel ernten."
Zu ihrem Angebot gehört auch die Ausbildung von Trüffelhunden. Mit den italienischen Speisetrüffeln werden sie an den Geruch gewöhnt, bei jedem Fund gibt es eine Belohnung. „Im Prinzip kann es jeder Hund lernen", versichert Wenk. Wobei neben dem Trainingsfleiß natürlich das Talent wichtig ist. Ähnlich wie bei Fußballern: Manche spielen in einer Amateurliga, andere schaffen es bis ganz nach oben. Ihre Hündin Candy, versichert Wenk, schnüffelt in der Champions League.