Zweimal endete für Lukas Boeder ein Drittliga-Engagement relativ unsanft. Beim 1. FC Saarbrücken drängt der Abwehrspieler in die Startelf – und will langfristig bleiben.
Manchmal ist es kein Nachteil, wenn man nicht erkannt wird. Während der Puls der blau-schwarzen Fangemeinde vor den Derbys bei Waldhof Mannheim und dem 1. FC Kaiserslautern Fahrt aufnimmt, hat Lukas Boeder seine Ruhe. „Also bisher hat mich im Supermarkt noch niemand erkannt. Ich bin ja noch relativ neu hier und habe nicht so oft gespielt. Generell ist es, glaube ich, auch eher so, dass Angreifer abseits des Fußballplatzes erkannt werden", sagt der neue Abwehrspieler des Fußball-Drittligisten 1. FC Saarbrücken. Generell ist der BWL-Student niemand, der sich schnell aus der Ruhe bringen lässt. Das wird auch bei den „Hitzespielen" gegen den Waldhof und Lautern so sein. „Wir haben mit Halle in der vergangenen Saison schon das eine oder andere Derby gewonnen. Ich mache in solchen Spielen nichts anderes als sonst. Es bringt nichts, sich da künstlich hochzupushen. Am Ende geht der Blick für das Wesentliche verloren. Mir kommt aber sicher in diesen Moment auch zugute, dass ich ein eher gelassener Typ bin", sagt der gebürtige Essener.
„Es bringt nichts, sich da künstlich hochzupushen"
Die Karriere des 24-Jährigen verlief zunächst wie am Schnürchen. Ausgebildet in den Nachwuchsleistungszentren von Schalke 04 und Bayer Leverkusen waren regelmäßige Einladungen zu den Junioren-Nationalmannschaften die logische Folge. Doch nach einigen Jahren im Aktiven-Bereich ist Boeder das, was man einen etablierten Drittliga-Spieler nennt. Womöglich ist es ausgerechnet seine Vielseitigkeit, die den ganz großen Durchbruch verhinderte. Denn Boeder kann in der Defensive eigentlich jede Position auf einem gleich guten Niveau spielen. Doch für viele Trainer ist er eben nicht der Rechtsverteidiger, der durch dauernde Sprints besticht. Und mit seiner Größe von 1,84 Metern eben auch kein Innenverteidiger mit dem absoluten Gardemaß. „Es ist sicher so, dass ich gewissermaßen in einer Schublade stecke. Es gibt Trainer, die wollen auf der rechten Außenbahn einen absoluten Spezialisten. Dabei bin ich absolut kein langsamer Spieler. Und im Zentrum habe ich viele gute Spiele gemacht und würde auch sagen, dass ich nicht viele Kopfballduelle verloren habe", sagt Boeder, der in den Sommermonaten viel Zeit hatte, sich über seine Situation Gedanken zu machen. Dennoch urplötzlich sah er sich mit dem Thema Arbeitslosigkeit konfrontiert. Obwohl er fast alle Spiele von Beginn an absolvierte, hatte der Hallesche FC keine Verwendung mehr für ihn. Das gleiche Schicksal ereilte ihn bereits ein Jahr zuvor beim MSV Duisburg: „Ich hatte in beiden Fällen das Problem, dass ich nur einen Einjahresvertrag hatte. In Duisburg haben wir den Aufstieg auf den letzten Metern verzockt. Da wollte der Verein was verändern. In Halle ist ein neuer Sportdirektor gekommen, der dann einen Spieler, den er aus Dresden kannte, mitgebracht hat", sagt der 24-Jährige, der beim 1.FCS erneut einen Einjahresvertrag unterschrieben hat, der sich allerdings verlängert, sofern er zehn Einsätze aufweisen kann, in denen er mindestens eine Halbzeit auf dem Feld gestanden hat. „Ich habe riesige Lust auf die Geschichte hier. Es ist ein toller Verein, wir wollen unbedingt in Saarbrücken ankommen", erzählt der Abwehrspieler, der oft in der „Wir-Form" spricht. Denn während des Interviews mit FORUM sitzen Boeder, seine Lebensgefährtin Helen und der einjährige Malteser-Pudel Nala quasi auf gepackten Koffern. Nach einer etwas zähen Suche hat das Trio eine Bleibe in Gersweiler gefunden. Auch die Arbeitsuche der Partnerin war mittlerweile erfolgreich. „Wir sind froh, dass alles wieder in geordneten Bahnen verläuft. Im Sommer war es schon eine harte Zeit", sagt Boeder, der sich bei der U23 von Borussia Mönchengladbach fithalten konnte. „Der Kontakt kam über den Trainer Heiko Vogel zustande, den ich seit Jahren kenne. Wir haben das Beste aus der Situation gemacht, konnten bei den Eltern meiner Freundin im Rheinland wohnen. Aber es war immer eine Form von Ungewissheit da. Du hast mehr als einhundert Drittligaspiele bestritten und trotzdem meldet sich kein Drittligist bei Dir. Das nagt schon an Dir", gibt er zu. Boeders Arbeitslosigkeit ging bis wenige Tage vor Schließung des Transferfensters. Am Ende war er kurz davor, bei den „Nachwuchs-Fohlen" einen Vertrag in der Regionalliga West zu unterschreiben. Doch nach zahlreichen Verletzungen und der Sperre von Dennis Erdmann meldete sich FCS-Sportdirektor Jürgen Luginger plötzlich bei Boeders Berater. „Wir hatten im Frühjahr schon einmal Kontakt. Damals ging es aber eher um die Rechtsverteidiger-Position. Der Verein hat sich schließlich für Dodo Ernst entschieden. Diesmal hat mir Trainer Uwe Koschinat schon klar gesagt, dass er mich im Zentrum sieht", sagt der 24-Jährige. Der Junge aus dem Ruhrpott, der neben seiner Profikarriere ein BWL-Studium absolviert, ist ein höflicher, eloquenter Typ. „Ich habe den Anspruch, hier Stammspieler zu sein. Sonst wäre ich fehl am Platz", sagt er ohne einen Anflug von Arroganz.
Ein ähnliches Mannschaftsgefüge wie in Paderborn
Gerne spricht er über seine erste Profistation. Mit dem SC Paderborn stieg er 2018 in die Zweite Bundesliga auf. Eingesetzt wurde er zwar „nur" siebenmal, im Kader stand er aber immer. „Ich habe schon gemerkt, dass ich auf dem Niveau mithalten kann", sagt der 24-Jährige. Die Aufstiegssaison in Ostwestfalen hat ihn geprägt. Vor allem hat sie ihm gezeigt, worauf es in der 3. Liga ankommt. „Wir hatten eine Übermannschaft. Nicht von den Einzelspielern, aber von der Mentalität und der Struktur her. Du hast eigentlich nur enge Spiele. Da geht es um Geschlossenheit und Leidenschaft", blickt er zurück. Wird Saarbrücken am Ende für ihn sein zweites Paderborn? Boeder überlegt kurz und wägt ab: „Vom Charakter der Mannschaft her ist es vergleichbar. Wir sind hier ein verschworener Haufen. Aber in Paderborn war das Umfeld kleiner. Hier in Saarbrücken gibt es nur zwei Richtungen. Wenn es richtig gut läuft, explodiert die Stimmung nach oben. Läuft es schlecht, knallt es nach unten."
Nach zwei Umzügen quer durch die Republik soll die Station im Saarland etwas langfristig sein. Dass das kleinste Flächenbundesland der Republik auch schonmal als „kleiner Bruder des Ruhrgebiets" bezeichnet wird, sollte die Integration leicht machen. Auch wenn der hochdeutsch sprechende Boeder lachend sagt: „An den Dialekt muss ich mich noch ein bisschen gewöhnen."