Die norddeutschen Aufsteiger haben es in der 3. Liga nicht leicht. Der TSV Havelse steht auf dem letzten Tabellenplatz und hat mächtig mit der neuen Liga und den geänderten Rahmenbedingungen zu kämpfen. Nun geht es gegen den 1. FC Saarbrücken.
Es ist gar nicht so lange her, da war die Vorfreude auf die 3. Liga beim TSV Havelse riesengroß. Nach dem Aufstieg skandierten die Fans „Nie mehr Vierte Liga, nie mehr!", der 1. FC Schweinfurt wurde in den Playoffs geschlagen, die 3. Liga war erreicht. „Natürlich, es war Euphorie da. Wir haben vieles durch die rosa Brille gesehen", so der Präsident des TSV, Manfred Hörnschemeyer. Fünf Monate später sieht die Welt nämlich ein wenig anders aus. Die Heimspiele in der HDI-Arena in Hannover sollten große Feste werden, relativ schnell kam dann aber die Ernüchterung. „Nach dem Aufstieg war das erste Spiel in der Arena ein Erlebnis, auch wenn wir es mit 0:1 gegen den 1. FC Saarbrücken verloren haben", sagt Hörnschemeyer. 2.230 Fans und Neugierige waren im riesigen Oval mit dabei. Es war der drittbeste Besuch bislang. Mehr Zuschauer kamen nur gegen den 1. FC Magdeburg (3.139) und Eintracht Braunschweig (4.591), vor allem dank der Anhängerschaft der benachbarten Clubs. Es gab aber auch andere Zahlen: 1.002 Zuschauer gegen den BVB II, 782 gegen Türkgücü München, und gar nur 527 Unverdrossene erlebten in der Arena das 1:0 gegen Viktoria Köln, den ersten Sieg Havelses in der 3. Liga. Zahlen, die teilweise Oberligisten oder bei Dorfderbys erreicht werden. Dass die schöne, neue Fußball-Welt in der 3. Liga für den TSV bisher so einige sportliche Enttäuschungen bereithielt, ist das eine. Darauf waren sie eingestellt, auch wenn der Start in die Saison mit sieben Niederlagen am Stück „echt hart" gewesen sei, so Hörnschemeyer. Mit dem Remis bei den Würzburger Kickers am achten Spieltag sei „eine Last von uns gefallen".
Geringer Zuschauerzuspruch
Wie andere Drittligisten auch hat der TSV das große Problem, seine Heimspiele nicht im eigenen Stadion austragen zu können. Mit einem Fassungsvermögen von 3.500 Zuschauern liegt es deutlich unter den derzeit gültigen Mindestvoraussetzungen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit 10.001 Plätzen. Dass der geringe Zuschauerzuspruch zu finanziellen Problemen beim TSV führen könnte, glaubt Hörnschemeyer gleichwohl nicht. „Ja, jedes Heimspiel kostet uns zwischen 45.000 und 50.000 Euro, allein durch den Betrieb der Arena, wozu unter anderem die Reinigung, die Bezahlung der Ordnungskräfte oder die Benutzung der Lautsprecheranlage zählen. Aber die Zuschauerzahl spielt keine so große Rolle, das ist alles eingepreist", so der TSV-Boss. Dass der ursprünglich gegenüber dem DFB angezeigte Zuschauerschnitt von 2.500 gerade auf 1.700 verringert wurde, habe ebenfalls keine negativen Konsequenzen. Insgesamt gibt Hörnschemeyer zu, dass „der Sprung in die 3. Liga schon enorm" sei. Das habe man auch am Abschneiden des VfB Lübeck in der Saison zuvor gesehen. „Und dabei hat so ein Verein wie der VfB ganz andere Möglichkeiten." Aber so wie Havelse musste auch Lübeck mit einem Nachteil bei der Austragung der Heimspiele leben, der sich im Nachhinein als zu groß erwiesen hat. „Havelse muss ja jetzt in der großen Schüssel spielen. Bei uns war es durch die Corona-Pandemie so, dass der Heimvorteil praktisch weggefallen ist. Und durch die fehlenden Einnahmen aus dem Ticketverkauf konnten wir im Winter auf dem Transfermarkt nicht nachlegen", sagte VfB-Vorstand Florian Möller dem „NRD". Zu bereuen gebe es aber nichts: „Wir konnten da einiges umsetzen. Medienbereich, Lautsprecheranlage – das ist jetzt auf dem neuesten Stand. Davon profitiert der Verein noch die kommenden Jahre."
Sicherlich ist das eine Möglichkeit, die auch der TSV wählen könnte. Einmal ein kurzes Gastspiel im Profifußball und dann mit einer verbesserten Infrastruktur und anderen Gegebenheiten in der Regionalliga aufschlagen. „Ja, der Sprung ist für uns schon zu groß gewesen. Der Sprung ist aber insgesamt zu groß für Vereine aus der Regionalliga Nord. Für mich ist die Regionalliga Nord sicherlich die schwächste der fünf Regionalligen", so Hörnschemeyer.
Doch es gibt auch Widerspruch: „Meiner Meinung nach ist es nicht eine grundsätzliche Frage der Qualität der Regionalliga Nord. Wenn man aus dieser aufsteigt, muss der Kader verstärkt werden. Das gilt in jeder anderen Region aber auch." Es seien bei Lübeck und Havelse besondere Bedingungen gewesen, so Günter Distelrath, Vorsitzender des Norddeutschen Fußball-Verbandes.
Ein Abstieg wäre kein Drama für den TSV
Doch da ist schon der Punkt – der TSV hat nicht die finanziellen Mittel, sich teure neue Spieler zu kaufen, was sich auch am derzeitigen Tabellenstand zeigt. Die Niedersachsen konnten sich mit ihren finanziellen Mitteln allenfalls auf dem Drittliga-Wühltisch bedienen. Was darf dann erwartet werden? Der Ex-Saarbrücker Kianz Froese, Julius Düker, Florian Riedel brachten ein kleines bisschen mehr Erfahrung in die Gruppe aus Feierabend-Fußballern, die sich teils ordentlich schlagen, aber auch heftige Pleiten wegstecken müssen. Froese sticht mit Tempo und Torgefahr bislang hervor, der große Rest kann kaum glänzen, auch weil die individuelle Qualität nicht ausreicht. Froese kehrt gegen den 1. FC Saarbrücken zudem an seine alte Wirkungsstätte zurück. „Die Leidenschaft, mit der wir gespielt haben, gibt mir Hoffnung für die nächsten Spiele", lobte Trainer Rüdiger Ziehl sein Team nach den letzten Partien.
Das Hauptziel dürfte sein, in der 3. Liga noch ein paar schöne Erlebnisse zu sammeln, so wie beim furiosen 4:3 gegen Viktoria Berlin, am besten schon beim Auswärtsspiel in Saarbrücken. „Ich freue mich natürlich auf die weiteren Spiele", sagt Hörnschemeyer. „Wir nehmen es so, wie es ist. Das ist der große Vorteil des TSV Havelse. Wir haben keinen Druck, denn eines ist sicher: Der Verein würde auch einen Abstieg überstehen." Und so scheint es ein wenig, als wäre der TSV Havelse auf den Spuren des VfB Lübeck unterwegs. Aber auch der VfB hat dem ein oder anderen noch ein Bein gestellt. Das will der TSV auch.