Die „Bellevue" ist mittlerweile ein Begriff, den man nicht nur im Bliesgau kennen sollte. Das Hotel-Restaurant von Familie Bieg in Biesingen steht für frische Produkte aus der Region, Spaß an Klassischem und Außergewöhnlichem und viel Liebe zum Detail.
Schon länger hatte ich das Restaurant „Bellevue" im Biosphärenreservat Bliesgau auf dem Zettel. Es liegt in einer der schönsten Landschaften des Bundeslandes, im Südosten des Saarlandes. Ein bewahrenswerter Lebensraum für Menschen, Pflanzen und Tiere. Eine schützenswerte Landschaft, denn hier gehören Rotmilane, Scheckenfalter, Störche und Orchideen zum Landschaftsbild.
Seit 35 Jahren betreiben Jörg Bieg und seine Frau Barbara das Anwesen hier. In dieser Zeit wurde auch einiges verändert, einiges ist hinzugekommen. 2006 etwa eröffneten sie ihren herrlichen Biergarten, 2008 wurden die Hotelzimmer und das Restaurant komplett renoviert. Insgesamt gibt es vier Hotelzimmer für bis zu acht Personen.
Geerbt haben sie das alles von Jörg Biegs Eltern, die das Haus 1976 eröffneten. Zuerst war es noch ein reines Ausflugslokal, doch das ist lange her. Jörg Bieg steht heute mit seinem Namen für eine authentische regionale Küche. Er erinnerte sich: „Meine Mutter war Französin, deshalb ,Bellevue‘ und eben nicht ,Schöne Aussicht‘. Den regionalen Aspekt gab es in unserer Familie immer schon. Ob Wild oder die Eier aus dem Dorf, das war hier schon immer so."
Der Chef intensivierte diese Philosophie nach der Übernahme. Sein Lamm etwa bezieht er von Martin Ernst aus der Nachbarschaft in Seelbach, bei Aßweiler. Auch sein Rindfleisch kommt von dort. Eier, Geflügel und Kartoffeln stammen aus Ommersheim von Alexander Vogelgesang. Die Gänse, die den ganzen Dezember über fast täglich im Ofen brutzelten, kommen vom Ortsweiler Hof aus Niederbexbach. Das Mehl stammt von der Mühle Schuwer, Linsen und Öle natürlich von der Bliesgau-Ölmühle. Der Käse kommt aus Hirztal und vom Neukahlenberger Hof. Und Wild jagen die Jäger aus der Region, die Jagdgemeinschaft Erfweiler und Herr Mohr aus Biesingen etwa. Der Apfelsaft stammt natürlich auch aus dem Bliesgau von den Streuobstwiesen in Gersheim, die Schnäpse aus dem Dorf vom Obst- und Gartenbauverein.
Wenn Familie Bieg etwas neues Gutes aus der Region findet, baut sie damit ihr regionales Angebot immer weiter aus. Es ist allerdings auch immer eine Frage der Angebotsmenge. Im Dezember etwa bekam er noch ein Rind von Martin Ernst. Das hat er von Kopf bis Fuß verarbeitet. Dann müssen die Tiere aber erst wieder wachsen. „Es ist nicht immer alles verfügbar", betont der Chefkoch. „Das ist aber auch gar nicht schlimm, das ist der Lauf der Natur. Es ist ja auch etwas Besonderes." Und so lange müssen wir eben warten. Im Saarland wird eben eher zu wenig gutes Regionales produziert, als zu viel. Wenn das mal aus ist, trifft der Gastronom nicht immer auf das Verständnis seiner Kunden. Das ist in allen Restaurants gleich. Deshalb ist es wichtig, dass auch bei uns Verbrauchern und Restaurantgängern ein gewisses Umdenken einsetzt.
Ganze Verarbeitung eines Tiers wichtig
Wenn aber Jörg Bieg etwas Zusätzliches bekommt, steht das auf Tafeln – als Tagesempfehlung. Und auch hier, solange der Vorrat reicht. Hier werden eben keine Industrieprodukte verkauft, die man tonnenweise aus der Tiefkühltruhe nachkaufen kann. Ich kenne das von verschiedenen Restaurants im Saarland, die auf regionale Produkte setzen. Gänse, Kapaune oder Hühner sind nur insoweit verfügbar, wie welche groß gezogen wurden. Wir erleben es bei unserm Besuch live vor Ort. Für das bevorstehende Wochenende hat er noch drei Gänse, und nicht mehr. Die zeigt er uns. Herrliche Exemplare! Danach ist eben erst einmal Schluss mit Gänsebraten.
All diese regionalen Köche kaufen dann auch nicht bei einem anderen Händler ein. Oft sind es langfristige Bestellungen und Absprachen, die zwischen Bauer und Koch bereits im Januar oder Februar getroffen werden. Meine Erfahrung dabei ist: Frühes Vorbestellen, auch bei Kartoffeln, hilft!
Sein Konzept gibt Jörg Bieg recht. Nicht von ungefähr ist er kürzlich erst als Genuss-Gastwirt Saarland 2022/23 ausgezeichnet worden. Dieser Wettbewerb des Saarländischen Wirtschaftsministeriums, in Kooperation mit dem Dehoga und der Tourismuszentrale des Saarlandes ist bei regionalen Köchen sehr beliebt. Am 8. November des vorigen Jahres trafen sich die Finalisten 2022/23 zum vierten Mal, um den Sieger zu ermitteln. Wenn ich mir die Vorgänger so anschaue, dann weiß ich, hier wird regional und auf sehr hohem Niveau gekocht. Vor sechs Jahren erhielt diesen Preis Jörg Küntzer vom „Gräfinthaler Hof". Als zweiter saarländischer Koch erhielt diese hohe Auszeichnung Markus Keller von „Wern’s Mühle", und vor zwei Jahren Christian Münch-Buchna vom „Landhotel Saarschleife". Dieser erhielt vor etwa 18 Monaten auch den ersten grünen Stern von Michelin im Saarland. Wer in dieser hochrangigen Riege dabei ist, kann gut kochen und legt Wert auf regionale Produkte! Dabei sind Auszeichnungen verschiedener Restaurantführer fast zwangsläufig.
Dieses Mal gewann Jörg Bieg vom Restaurant „Bellevue" mit „Trio vom Bliesgaurind mit Kürbis-Linsen-Gemüse" den begehrten Titel. Erwähnenswert finde ich auch die anderen Finalisten, die sich alle viel Arbeit um Kochkunst und regionale Produkte machen: Auf das Siegertreppchen mit Silber und Bronze kamen das „Hotel Maimühle" in Perl und die „Wendelinus-Hofküche" in St. Wendel. Dazu gibt es noch einen Preis per Onlineabstimmung der Zuschauer, den das Restaurant „Café Kostbar" in Saarbrücken erhielt. Und – ich kann das sagen, weil ich in der Vergangenheit viele der Teilnehmer getestet habe – wer bei diesem Wettbewerb Vierter oder Sechster wird, kocht auch nicht schlecht, sondern ist ebenfalls ein Gewinner. Ich habe bei all meinen Testessen der vergangenen Jahre in diesem Rahmen noch nie einen Flop erlebt. Eher Köche, die richtig gut kochen und sich viel Arbeit machen, um eine regionale Küche anzubieten.
Warum dieses Gericht, will ich vom Sieger wissen? „Das Gericht hatten wir uns ausgedacht, um zu dokumentieren, dass wir das ganze Tier verarbeiten. Lamm und Wild kam nicht infrage, da viele Menschen bei diesem Fleisch noch Vorbehalte haben. Also bezog ich bei meinem Bauer Martin ein Tier der Rasse Schottisches Hochlandrind aus dem Bliesgau. Und um dieses Rindfleisch herum entwickelten wir dieses regionale Gericht." Welche regionalen Produkte gibt es im November, war die nächste Frage, die sich Bieg stellte. „Ich liebe Linsen, ein geiles Lebensmittel, was ich sehr gern koche", betont er. „Man kann so vieles aus Linsen machen, nicht nur Linsensuppe. Alex, bei dem ich auch Kartoffeln beziehe, baut beispielsweise auch Kürbisse an. So bestellte ich bei ihm Hokkaidokürbis. Dazu gab es einen regionalen Wein, ich entschied mich für einen Rotwein aus Perl, von Schmitt-Weber. Sehr geschmackvoll. Wir waren zu 98 Prozent regional mit diesem Auftritt. Ich habe ja schon erzählt, wo wir Eier und Mehl herkriegen."
Weltraumkost für Matthias Maurer
Der Gedanke war, alles an dem Tier zu verarbeiten – deshalb die Trilogie. Das Roastbeef wurde etwa sous-vide gegart, weil Bieg nicht wusste, ob sie an dem Abend rechtzeitig würden anfangen können. Mit sous-vide konnten sie früher anfangen. Er behielt recht, denn Verspätungen sind nichts Ungewöhnliches bei solch einem Wettbewerb. Alles nicht so einfach! Der Schmorbraten war kein Problem, die Ravioli machten sie. Auch die Brandteigkartoffeln und das Gemüse, während das Fleisch im Ofen war. Dankbar ist Jörg Bieg seiner Familie, denn seine Frau Barbara war ebenso dabei wie seine Schwiegertochter und sein Sohn. So konnte er zügig kochen, anrichten und bedienen.
Übrigens hat er auch beim Wettbewerb ums Essen für den saarländischen Astronauten Matthias Maurer teilgenommen. Eine besondere Herausforderung, wie er betont, denn fürs Weltall zu kochen ist für die meisten neu. Da gibt es genaue Vorgaben der Esa. Zwei Seiten an Vorgaben, was alles beachtet werden muss. Etwa kein Salz, kein Nitrat, es dürfen keine grünen Gemüse in die Weltraumdose. Ich durfte vor ein paar Wochen übrigens von solch einer Dose kosten, mit der wir kochten. Auf der Erde ist das schwierig, denn es ist Weltraumnahrung. Erst als wir nachwürzten und Wasser dazu gaben, kam es einer irdischen Zubereitung näher. Deshalb allen saarländischen Köchen, die sich das antaten, größten Respekt und Matthias Maurer weiterhin einen guten Flug.
2022, wenn es trotz Corona hoffentlich wieder normal läuft, werde ich garantiert ins „Bellevue" zurückkommen. Im Mai oder Juni etwa. Und dann berichte ich Ihnen an dieser Stelle von einem besonderen Essen. Versprochen!