Der 1. FC Saarbrücken hat punktemäßig sein bestes Drittliga-Halbjahr gespielt. Doch geräuschlos verliefen die 20 Spiele nicht, im Gegenteil.
Das Fußball-Jahr 2022 begann aus Saarbrücker Sicht turbulent und fast erwartungsgemäß mit einer Personalentscheidung. Innenverteidiger Dennis Erdmann löste seinen Vertrag auf und wechselt in die USA. Der „Earthman", wie er sich selbst nennt, kam spät, polarisierte und sorgte mit dem vermeintlichen Rassismus-Eklat gegen Magdeburg für den unrühmlichen Höhepunkt einer emotionalen Hinrunde, an deren Beginn ein Umbruch stand, der extrem groß ausfiel. Dass Topscorer Nicklas Shipnoski nicht zu halten sein würde, war absehbar. Ähnliches deutete sich auch bei Innenverteidiger Marin Sverko und Allrounder Anthony Barylla früh an. Andere Akteure, wie Fanol Perdedaj oder Kianz Froese wurden nicht verlängert. Publikumsliebling Markus Mendler wurde trotz laufendem Vertrag ein Wechsel nahegelegt.
Und schließlich verletzte sich die etatmäßige Innenverteidigung mit Steven Zellner und Boné Uaferro schwer. Der neue Coach Uwe Koschinat sah Kapitän Manuel Zeitz daher nicht mehr in der Mittelfeldzentrale. Für diese Position hatte er die Neuzugänge Alex Groiß und Dave Gnaase auserkoren, zudem ruhten die Hoffnungen auf dem dauerverletzten Sebastian Bösel.
Hinter Shootingstar Luca Kerber stand das Fragezeichen, ob er sein starkes Halbjahr würde bestätigen können. Das Ende vom Lied: Groiß und Gnaase blieben hinter den Erwartungen, Bösel spielte keine Sekunde, Kerber überragend. So ist es keine Überraschung, dass die Doppelsechs im neuen Jahr Kerber/Zeitz heißen wird. Zeitz half über Wochen durchaus ordentlich im Abwehrzentrum aus, aber die beiden Spiele, die er vor seiner Gelbsperre auf der „Sechs" absolvieren durfte, waren dann auch seine besten. Der 19-jährige Kerber war neben Torwart Daniel Batz und Offensivmann Julian Günther-Schmidt sicher der konstanteste Akteur.
Sinnbildlich für die Probleme in der Hintermannschaft ist die Tatsache, dass die Innenverteidigung in den letzten beiden Spielen des Jahres von Lukas Boeder und Pius Krätschmer gebildet wurde. Zu Saisonbeginn standen beide noch nicht unter Vertrag. Koschinats Wunschtransfer Bruno Soares erhielt keine Arbeitserlaubnis, der eilig nachverpflichtete Dennis Erdmann sorgte für Nebengeräusche. Immerhin: Steven Zellner und Boné Uaferro trainieren nach der Pause wieder mit, zudem ist der vertragslose Bjarne Thoelke laut Sportdirektor Jürgen Luginger eine Option.
Wenig Spielraum für Verpflichtungen
Rein tabellarisch gesehen befindet sich der FCS absolut im Soll. 34 Punkte nach 20 Spielen bedeuten Rang fünf. Einen Gegner über 90 Minuten kontrolliert hat Koschinats Team im Laufe der Saison eigentlich nie. Nach einer spielerisch schwierigen Vorbereitung gab es leistungstechnisch eine Berg- und Talfahrt. Die Punkte-Ausbeute stimmte allerdings immer. Höhepunkt war sicher der spektakuläre Heimsieg gegen Magdeburg. Sinnbildlich für das Auf und Ab wurde die Partie gegen den SV Wehen Wiesbaden. Einer katastrophalen ersten Halbzeit folgte eine fulminante zweite. Zu einem Punktgewinn reichte es dennoch nicht. Stark spielte das Team zu Hause gegen Türkgücü München (3:1) und den MSV Duisburg (2:0). Auswärts stachen die erste Halbzeit in Zwickau (2:1) sowie die zweite von Halle (3:2) heraus. Tiefpunkte waren sicherlich die Totalausfälle in den Derbys gegen Waldhof Mannheim und den 1. FC Kaiserslautern, in denen Mannschaft und Trainer viel Kredit verspielt haben.
Beim Blick auf die Mannschaft bleibt festzustellen, dass Koschinat vor allem Neuzugängen viel Kredit eingeräumt hat, was nicht immer mit Leistung zurückgezahlt wurde. Auf der linken Seite rief der Trainer einen Zweikampf zwischen dem etablierten Mario Müller und Nick Galle aus, der darin endete, dass Müller kein Selbstvertrauen mehr hatte und Galle den Nachweis schuldig blieb, Drittligaformat zu haben.
Rechts spielte Dominik Ernst einen soliden Part, die Ankündigung des Trainers, dass er gemeinsam mit Robin Scheu auf der rechten Seite die Liga in Angst und Schrecken versetzen werde, war allerdings etwas hochgegriffen, was vor allem aber am körperlich nicht ausreichenden Zustand von Scheu lag. Dessen Rückrunde kann eigentlich nur besser werden. Durchgehende Verstärkung war dagegen Angreifer Adriano Grimaldi, der allerdings körperlich in Bestform sein muss, um dem Team zu helfen. Aufgrund seiner Statur zieht er die hohen Bälle geradezu magisch an. Für spielende Stürmer wie Sebastian Jacob ist dies keine einfache Situation, hier ist das Fingerspitzengefühl des Trainers gefordert. Festzuhalten bleibt, dass wohl kein Team der Liga eine solch große qualitative Auswahl in der Offensive hat wie der FCS. Neben Goalgetter Grimaldi ist auch Neuzugang Justin Steinkötter zu nennen, der nach Anlaufschwierigkeiten vor dem Durchbruch steht. Maurice Deville erwies sich als loyaler Teamplayer, der aufgrund seiner Leistungen öfter in der Startelf stehen müsste, aber auch großen Konkurrenzkampf hat. Flügelflitzer Minos Gouras fiel coronabedingt über Wochen aus, sollte aber im Januar wieder voll da sein. Koschinats Hauptaufgabe wird neben der Formierung einer funktionierenden Viererabwehrkette vor allem sein, aus dem vorhandenen Offensiv-Potenzial mit Grimaldi, Jacob, Günther-Schmidt und Gouras eine schlagkräftige Einheit zu formen, in der niemand das Gefühl hat, zu kurz zu kommen. Allrounder und Routinier Tobias Jänicke kann viele Positionen spielen und wird auch im neuen Jahr viel Spielzeit haben. Ob es im Winter Transferaktivitäten geben wird, soll zunächst abgewartet werden. Generell fehlt dem Team vor allem ein schneller Innenverteidiger. Sollte Zellner schnell in Form kommen und auch Thoelke unter Vertrag genommen werden, wäre plötzlich auch hinten wieder „alles im Lot", zumal auch Uaferro bald wieder zur Verfügung steht. Sportchef Luginger formuliert es vorsichtig: „Sie waren lange verletzt, wir haben ein bisschen Zeit, die Situation zu beobachten."