Knapp zwei Wochen vor Olympia steht in Aspen, Colorado, mit den Winter-X-Games das wichtigste Event der internationalen Snowboarder- und Ski-Freestyle-Szene an. Einige der teilnehmenden Stars wie Shaun White, Eileen Gu oder die Deutsche Annika Morgan werden auch in Peking mit dabei sein.
Eine Teilnahme an den Olympischen Spielen ist für die meisten Athleten der Höhepunkt ihrer sportlichen Karriere. Was allerdings nicht unbedingt für die Stars der internationalen Crossboarder- oder Ski-Freestyle-Szene gilt. Denn für sie sind die Winter-X-Games das Maß aller Dinge. Weil allein schon das Startrecht so etwas wie ein Ritterschlag ist. Denn im Unterschied zu Olympia kann sich niemand für die X-Games durch Hochklasseleistungen qualifizieren, sondern ist darauf angewiesen, dass er von einem Komitee, bei dem der für die Veranstaltung zuständige US-Fernsehsender ESPN das Sagen hat, eine persönliche Einladung erhält. „X-Games sind spannender. Es ist schwieriger reinzukommen als bei Olympia", so Annika Morgan (Jahrgang 2002), die Deutschland als einzige Starterin bei dem Mega-Event vertreten darf, das vom 21. bis 23. Januar im Buttermilk Ski Resort in Aspen/Colorado über die Bühne gehen wird.
Bereits zum 21-mal ist der mondäne Wintersport-Hotspot Gastgeber der X-Games, für die heuer trotz Corona wieder Zuschauer zugelassen sind, die die Wettbewerbe kostenfrei miterleben dürfen. Wer nicht live vor Ort sein kann, dem werden die für das Fernsehen maßgeschneiderten akrobatischen Vorführungen natürlich via Mattscheibe ins heimische Wohnzimmer geliefert. Wobei in den USA ESPN, ESPN 2 und ABC ausführliche Übertragungen geplant haben. Für Deutschland hat wieder ProSieben Fun die TV-Rechte erworben. Daneben sind auch Youtube Channel, Facebook oder Twitter mit im Boot.
Das Maß aller Dinge in der Freestyle-Szene
Während bei den Olympischen Spielen in Peking im Bereich Snowboard und Ski-Freestyle in 24 Disziplinen (13 Freestyle, 11 Snowboard) um Medaillen gekämpft werden wird, beschränkt man sich in Aspen auf 14 Entscheidungen. Wobei selbst die Nominierung der dafür vorgesehenen Teilnehmer von ESPN sehr geschickt inszeniert wurde. Auf der Webseite xgames.com wurden die Auserwählten nur häppchenweise präsentiert. Anfang Januar führte die Starterliste dann 82 Athleten, die allesamt über die nötige ausgeklügelte Technik verfügen, aber darüber hinaus auch die Gewähr für spektakulär actionreiche Performances sowie eine gehörige Portion an Risikobereitschaft bieten, weil dies seit jeher die bevorzugten Hauptauswahl-Kriterien bei den X-Games sind. Auch die Unangepassten werden im Rahmen der X-Games von der jugendlichen Fan-Crowd besonders geliebt. Weshalb es nicht weiter verwunderlich war, dass einer der Stars der Szene, der achtfache schwedische X-Games-Goldmedaillen-Gewinner und Ski-Freestyler Henrik Harlaut, wieder eingeladen wurde, obwohl er nach seinem Sieg im Knuckle Huck anno 2021 wegen einer aus seiner Sicht zu niedrigen Bewertung seiner Big Air-Kür einfach nicht mehr beim Slopestyle-Wettbewerb angetreten war.
Um Medaillen, ganz traditionell um Gold, Silber und Bronze, wird heuer bei den Winter X-Games in folgenden Disziplinen gekämpft:
• Ski und Snowboard SuperPipe (jeweils für Männer und Frauen)
• Ski und Snowboard Slopestyle (jeweils für Männer und Frauen)
• Ski und Snowboard Big Air (jeweils für Männer und Frauen)
• Ski und Snowboard Knuckle Huck (nur für Männer)
Aufgeteilt in 14 Einzelwettbewerbe
Den Auftakt werden die Damen am 21. Januar um die örtliche Mittagszeit mit Snowboard Slopestyle machen, zum Abschluss werden die Herren am Morgen des 23. Januar zum Ski SuperPipe antreten. Big Air gilt in der Snowboarder-Szene wegen der Flughöhe als spektakulärste Disziplin, aber nichts führt an Slopestyle als heimlicher Königsdisziplin vorbei. Bei den Ski-Freestylern ist das interdisziplinäre Ranking weniger klar ausgeprägt. Beim Big Air gilt es für Snowboarder und Ski-Freestyler gleichermaßen, auf einer großen Schanze, dem sogenannten Kicker, einen möglichst schwierigen und kreativen Sprung mit Rotationen in der Luft zu absolvieren, was von einer Jury auf einer Skala zwischen 0 und 100 Punkten bewertet wird. Beim Slopestyle besteht die Aufgabe in der Bewältigung eines Parcours, wobei die Punktrichter ihr Hauptaugenmerk auf die möglichst kreative Überwindung mit Spins (Drehungen um die eigene Körperachse) oder Flips (Drehungen um die Horizontalachse) von als „Obstacles" bezeichneten Hindernissen richten. Die Superpipes von Aspen, bei denen es sich um zwei parallele Halfpipes handelt, erlauben den Sportlern extrem schwierige Übungen wie Dreifach-Überschläge oder Vierfachdrehungen. Die Knuckle Huck wurde erstmals 2020 ins Programm der X-Games für männliche Athleten neu aufgenommen. Dabei müssen sich die Teilnehmer über die Table-Kante am Big Air-Kicker katapultieren und dabei mit möglichst kreativen Sprungelementen punkten.
Die Favoriten der 14 Einzelwettbewerbe im Einzelnen:
Männer Snowboard Big Air: Teilnehmerzahl: 8. Als Top-Favorit wird der Kanadier Mark McMorris (Jahrgang 1993) gehandelt, der mit bislang 21 Medaillen (9 Gold, 9 Silber, 3 Bronze) bei den Winter X-Games gemeinsam mit dem Amerikaner Shaun White der erfolgreichste Teilnehmer des Events ist. Sein Hauptkonkurrent dürfte der norwegische Vorjahressieger Marcus Kleveland sein, der auch bei Olympia in Peking zu den heißesten Medaillen-Kandidaten gezählt werden muss. Außenseiter-Chancen werden dem Kanadier Maxence Parrot eingeräumt.
Männer Snowboard Slopestyle: Teilnehmerzahl: 10. Aufgrund der großen Ähnlichkeit der beiden Wettbewerbe Big Air und Slopestyle dürfte es auch in dieser Disziplin zu einem Kräftemessen zwischen Mark McMorris und Marcus Kleveland kommen.
Männer Snowboard SuperPipe: Teilnehmerzahl: 8. Genau rechtzeitig für die Olympischen Spiele in Peking, wo er seine vierte olympische Goldmedaille nach 2006, 2010 und 2018 in der Halfpipe gewinnen möchte, meldet sich der amerikanische Ausnahmekönner der internationalen Snowboarder-Szene, Shaun White, nach jahrelanger Absenz in Aspen zurück. Mit 23 Medaillen ist er Rekordhalter bei den X-Games, allerdings gewann er zwei seiner insgesamt 15 Goldmedaillen bei den Sommer X-Games auf dem Skateboard. Man darf gespannt sein, ob der inzwischen etwas in die Jahre gekommene Modellathlet (Jahrgang 1986) sich in Aspen der Angriffe der starken jüngeren Konkurrenz erfolgreich wird erwehren können. Bei seiner letzten Teilnahme anno 2021 hatte es in der SuperPipe nur zu Platz elf gereicht. Der Japaner Yuto Totsuka und der Australier Scott James dürften White das Siegen in Aspen als auch in Peking schwermachen können.
Männer Snowboard Knuckle Huck: Teilnehmerzahl: 8. Hier ist kein eindeutiger Favorit auszumachen, Siegchancen haben Marcus Kleveland, der amerikanische Vorjahres-Winner Dusty Henricksen, der Finne Rene Rinnekangas oder der Amerikaner Zeb Powell.
Frauen Snowboard Big Air: Teilnehmerzahl: 8. In diesem Wettbewerb tritt Deutschlands einzige Snowboard-Spitzensportlerin Annika Morgan an, die jüngst zwar erstmals den Sprung auf ein Podium geschafft hatte, aber in Aspen wohl keine echte Medaillenchance haben dürfte. Weil die Amerikanerin Jamie Anderson, die Neuseeländerin Zoi Sadowski-Synnott, die Kanadierin Laurie Blouin oder die Österreicherin Anne Gasser einfach zu stark sein dürften. Die Ladys werden sich auch in Peking wiedersehen.
Morgan beim Frauen Snowboard Big Air
Frauen Snowboard Slopestyle: Teilnehmerzahl: 8. Gleiche Favoriten wie im Big Air.
Frauen Snowboard SuperPipe: Teilnehmerzahl: 7. Da die haushohe Peking-Goldfavoritin Chloe Kim aus den USA in Aspen nicht am Start sein wird, dürfte ihre Landsfrau Maddie Mastro das Siegertreppchen besteigen können.
Männer Ski-Freestyle Big Air: Teilnehmerzahl: 8. Vorteil Schweiz, weil auf Titelverteidiger Andri Ragettli die WEtten am höchsten stehen. Aber Vorsicht vor dem Amerikaner Alex Hall und dem Schweden Henrik Harlaut.
Männer Ski-Freestyle Slopestyle: Teilnehmerzahl: 10. Offener Ausgang, vielleicht mit kleinem Vorteil für den amerikanischen Titelverteidiger Nick Goepper, vor dem Norweger Ferdinand Dahl und allen genannten Big Air-Favoriten.
Männer Ski-Freestyle SuperPipe: Teilnehmerzahl 8. Geheimtipp ist der Amerikaner Alex Ferreira, Titelverteidiger der Neuseeländer Nico Porteous.
Männer Ski-Freestyle Knuckle Huck: Teilnehmerzahl: 8. Henrik Harlaut möchte seinen Coup von 2021 wiederholen, ihm dicht im Nacken dürfte der Amerikaner Quin Wolfermann sitzen.
Frauen Ski-Freestyle Big Air: Teilnehmerzahl: 8. Als unschlagbar gilt der blutjunge Shootingstar der Free-Ski-Szene namens Eileen Gu (Jahrgang 2003), die als gebürtige Amerikanerin für China auch in Peking auf olympische Goldmedaillenjagd gehen wird. Zu beachten aber auch die Schweizerin und Titelverteidigerin Mathilde Gremaud.
Frauen Ski-Freestyle Slopestyle: Teilnehmerzahl: 8. Eileen Gu zum Zweiten, allerdings hat sie im Slopestyle Konkurrenz durch Estin Kelly Sildaru.
Frauen Ski-Freestyle SuperPipe: Teilnehmerzahl: 7. Und Eileen Gu zum Dritten, wieder wohl vor Kelly Sildaru.