In seinem filmischen Schaffen war Robert Mitchum kein bisschen wählerisch. Häufig schlüpfte er bereitwillig in die Schurken-Rolle und untermauerte dadurch sein Image, das auch daher rührte, dass er dem Hollywood-Glamour nichts abgewinnen konnte. Jetzt jährt sich sein Todestag zum 25. Mal.
Als der knapp 25-jährige Robert Mitchum 1942 ohne fundierte Schauspiel-Ausbildung seine ersten kleineren Rollen in Hollywood bekam, hatte er längst die harte Schule des Lebens kennengelernt. Das ließ sich zweifelsfrei auch an seinem Äußeren ablesen. Die gebrochene Nase hatte sich der harte Hüne mit dem imposanten Brustkorb, dem behäbigen Gang, der tiefen Bariton-Stimme, dem ausgeprägten Kinngrübchen und dem Gardemaß von 1,85 Metern bei früheren, wesentlich anstrengenderen Gelegenheitsjobs erworben. Das zerknautschte Gesicht und die hängenden Lider, denen er seinen legendären Schlafzimmerblick verdankte, machten ihn unverwechselbar. Er jobbte als Preisboxer, der bei der Mehrzahl seiner 27 Kämpfe den Ring als Verlierer verließ, als Rausschmeißer in Nachtclubs und machte Nachtschichten als Malocher bei den Lockheed-Flugzeugwerken.
Noch schlimmere Erfahrungen hatte Mitchum bereits im zarten Alter von 14 Jahren gesammelt, als er als Landstreicher aufgegriffen wurde und das als Kettensträfling mit Steineklopfen büßen musste. Die Laufbahn als Bad Boy schien für ihn damit vorgezeichnet, zumal er auch dem Alkohol nicht widerstehen konnte und eine Vorliebe fürs Kiffen entwickelt hatte. Letzteres brachte ihm 1949 eine zweimonatige Haftstrafe wegen Marihuana-Besitzes ein.
Vom frühen Kindheitstraum einer Hollywood-Karriere konnte bei dem am 6. August 1917 in Bridgeport im US-Bundesstaat Connecticut geborenen Robert Charles Durman Mitchum, der schon mit knapp zwei Jahren seinen als Gleisarbeiter tätigen Vater verlor und später mit Mutter, Stiefvater und Geschwistern nach New York City und Delaware umziehen sollte, keine Rede sein. Zwar wurde von ersten Auftritten im Alter von acht Jahren an der Seite seiner Schwester Julie in Vaudeville-Theatern gesprochen. Aber in der Schule hatte er ganz erhebliche Probleme, was sich in zwei Rauswürfen niederschlug.
Der Durchbruch gelang ihm 1945 mit einem Kriegsfilm
Dabei war Mitchum durchaus ein helles Köpfchen und zeigte großes Interesse am Musischen. Er spielte Saxofon, verfasste heimlich elegische Gedichte und schrieb später als Ghostwriter Kolumnen für einen bekannten Astrologen. Zudem komponierte er ein von Star-Regisseur Orson Welles in der Hollywood Bowl aufgeführtes Oratorium und bewies durchaus beachtliches Gesangstalent mit dem 1957 veröffentlichten Album „Calypso – is like so ..." und der kleinen Hit-Single „The Ballad of Thunder Road".
Den eigentlichen Anstoß für die Welt der Bühne verdankte er seiner älteren Schwester Julie, die sich in der Hoffnung auf Filmangebote im kalifornischen Long Beach niedergelassen hatte. Nachdem ihr Bruder Robert 1936 bei ihr eingezogen war, konnte sie Mitchum zum gemeinsamen Eintritt in die lokale Laientheatergruppe „The Players Guild of Long Beach" überreden. Für diese schrieb Robert mehrere Stücke und war auch als Bühnenarbeiter tätig.
Da Robert damit aber nicht genügend verdiente, um nach der Heirat mit Dorothy Spence 1940 und der Geburt dreier Kinder die Familie ernähren zu können, nahm er eine Festanstellung beim Flugzeughersteller Lockheed Aircraft an. Dort lernte er zufällig die damals noch völlig unbekannte Norma Jean Mortenson kennen, die bald unter ihrem Künstlernamen Marilyn Monroe für Furore sorgen sollte. An ihrer Seite war er 1954 in der Figur des Matt Calder im Western „Fluss ohne Wiederkehr" von Regisseur Otto Preminger zu sehen. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg.
Die ersten Schritte in die Traumfabrik gelangen ihm 1942, als er in diversen sogenannten Hopalong-Cassidy-Western, bei denen er eigentlich kaum mehr als Reiten musste, mitwirkte. Anschließend gab er den Bösewicht in einigen Laurel-und-Hardy-Filmen. Völlig unerwartet schaffte er 1945 den großen Durchbruch in Hollywood mit dem Kriegsfilm „Schlachtgewitter am Monte Cassino". Für seine Rolle des Leutnants Walker erhielt er ein Jahr später sogar eine Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller. Mitchum war plötzlich ein Star und konnte sich von nun an seine Hauptrollen aussuchen. Er spielte in unzähligen Western mit – ein frühes Highlight war Raoul Walshs „Verfolgt" 1947 –, in Kriegsfilmen, Komödien oder auch kriminalistischen Werken des Film Noir. Besonders der Film Noir stand in den USA in den 1940er-Jahren hoch im Kurs. Für Mitchum ein Glücksfall, was er mit den beiden 1947 veröffentlichten Streifen „Goldenes Gift" von Jacques Tourneur oder „Im Kreuzfeuer" von Edward Dmytryk eindrucksvoll unter Beweis stellte. Mit seiner fatalistisch-lakonischen Mimik und Körpersprache, seinem durchdringenden Blick und seiner häufig fast schon arrogant anmutenden Wortkargheit war er geradezu prädestiniert für dieses Genre. Als gestandener Hollywood-Schauspieler hatte er keinerlei Problem damit, die Rolle des Schurken zu übernehmen und damit gewissermaßen zum Antihelden zu werden, mit dem sich das Publikum kaum identifizieren konnte.
Gewählt zu einer von 25 Filmlegenden
Dennoch gelang es ihm, sich mit seinen mehr als 120 Kinofilmen und zahlreichen Auftritten in TV-Serien wie „Himmel über Afrika", „Fackeln im Sturm" oder „Der Feuersturm", die ab den 1980er-Jahren den Schwerpunkt seiner Arbeit bilden sollten, die Bewunderung der Kinogänger zu sichern. Die Loblieder auf seine Coolness oder seinen minimalistischen, meist völlig emotionslosen Schauspielstil ließen ihn äußerlich ebenso völlig unbeeindruckt wie der häufig geäußerte Vorwurf, er sei durch viele seiner Rollen regelrecht „geschlafwandelt". Seinem Status als Filmstar maß er öffentlich ohnehin wenig Bedeutung bei, was sich mit einer Vielzahl rüpelhafter Zitate belegen ließ: „Filme langweilen mich, insbesondere meine eigenen." Oder: „Ich habe die Schauspielerei nie sonderlich gemocht. Und ich hasste jede Drehminute." Oder: „Rin Tin Tin hatte den größten Einfluss in meinem Leben. Ich kam mit 1,14 Dollar in der Tasche nach Hollywood und sagte mir: So gut wie ein Hund kannst Du auch sein. Also wurde ich Schauspieler." Oder: „Ich war nie hinter einem Job her. Sie schienen mich zu verfolgen. Die Kohle kam immer reichlicher, und das ist todsicher besser als eine Stechuhr." Und: „Ich habe nur zwei Schauspielstile: mit Pferd oder ohne." Und nicht zuletzt: „Ich habe drei Gesichtsausdrücke: nach links schauen, nach rechts schauen und geradeaus schauen."
Mit diesen Sprüchen und seinem berüchtigten „NAR"-Kürzel-Kommentar am Rande vieler seiner Drehbücher, was für „no acting required", „keine Schauspielerei vonnöten", stand, machte er sich im Kollegenkreis und im Umfeld der Traumfabrik natürlich wenig Freunde. Das mag auch erklären, warum Mitchum nie einen Oscar gewann, obwohl er vom American Film Institute 1999 zu den 25 größten männlichen Legenden der Filmgeschichte gezählt wurde.
Auch unter renommierten Regisseuren hatte Mitchum viele Bewunderer. Beispielsweise Howard Hawks, der Mitchum im Western „El Dorado" 1966 als versoffenen Hilfssheriff an der Seite von John Wayne eingesetzt hatte. Oder David Lean, der mit Mitchum in der Rolle des ehemaligen Dorflehrers Charles Shaughnessy 1970 das Liebesdrama „Ryans Tochter" gedreht hatte: „Bob musste nur anwesend sein, und jeder andere Schauspieler war nicht mehr als ein Loch in der Leinwand." Oder Charles Laughton, der mit „Mitch" 1955 den Film-Noir-Schocker „Die Nacht des Jägers" realisiert hatte, in dem Mitchum in einem seiner besten Leinwand-Auftritte den psychopathischen Wanderprediger Harry Powell mimte: „Mitchum ist ein großer Schauspieler, ich könnte mir keinen besseren Macbeth vorstellen."
Techtelmechtel mit Shirley MacLaine
Auch die Rolle des Strafgefangenen Max Cady in J. Lee Thompsons Psychothriller „Ein Köder für die Bestie" von 1962 zählt wie die Figur des Privatermittlers Philip Marlowe im 1975 entstandenen Krimi „Fahr zur Hölle, Liebling" zu den cineastischen Glanzleistungen des Robert Mitchum, der seine letzte größere Kino-Performance im Western „Dead Man" von Jim Jarmusch im Jahr 1995 hatte.
Die Hauptrolle zu zwei Filmen, mit denen die Kollegen George C. Scott und Clint Eastwood zu Weltstars aufstiegen – „Patton – Rebell in Uniform" und „Dirty Harry" – lehnte der sonst nicht sonderlich wählerische Mitchum ab: „Zu wenig Tiefe, zu viel Brutalität." Am 1. Juli 1997, kurz vor seinem 80. Geburtstag, erlag der lebenslange Raucher Mitchum, der trotz einer Affäre mit Kollegin Shirley McLaine Anfang der 1960er-Jahre bis zuletzt mit seiner Ehefrau zusammenblieb, im kalifornischen Santa Barbara einem Lungenkrebsleiden. Während der nur einen Tag später verstorbene James Stewart von Präsident Bill Clinton als „Schatz der Nation" gewürdigt wurde, blieb Mitchum eine ähnliche Anerkennung von oberster Stelle verwehrt. Stewart habe, so der „Spiegel", für den braven amerikanischen Bürger gestanden. Mitchum hingegen habe eher das dunkle Amerika verkörpert.