Gottfried Ludewig tritt für die CDU in Pankow an. Der ehemalige Provokateur setzt auf seriöse Themen und hat dank eines komfortablen Listenplatzes gute Aussichten auf den Bundestag. Ganz im Gegensatz zu Frank Henkel. Der frühere Berliner CDU-Vorsitzende müsste im Wahlbezirk Mitte das Direktmandat holen.
Gottfried Ludewig ist ein vielbeschäftigter Mann. Mehr als sechs Termine in drei Tagen, darunter natürlich auch eine Reihe von Interviews, sind bei dem CDU-Kandidaten keine Seltenheit. Hinzu kommen die Berliner Haushaltsberatungen. Ludewig ist nämlich nicht nur Kandidat für den Bundestag, sondern bereits seit knapp sechs Jahren auch Mitglied des Abgeordnetenhauses. Dort startete er 2011 als gesundheitspolitischer Sprecher, bekam 2014 zusätzlich auch das Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Im Herbst 2016 wurde der gebürtige Bonner dann noch einmal in das Landesparlament gewählt – trotz des historisch schlechten Wahlergebnisses für die Berliner CDU. Und er bekam einen der begehrten fünf Fraktionsvize-Posten der Union zugeteilt.
Dann die große Wende: Kurz nach der Wahl will Ludewig plötzlich etwas ganz anderes. Nämlich in den Bundestag. Dazu lässt er sich von seinem Kreisverband noch im November 2016 als Direktkandidat aufstellen. Ein irritierender Schachzug – zumindest für Außenstehende. Warum lässt sich Ludewig zuerst ins Landesparlament wählen, übernimmt dort wichtige Ämter und will dann lieber in den Bundestag?
Andererseits ist aber auch klar: Nur wer über eine starke Machtposition verfügt, kann sich innerparteilich durchsetzen. Und diese Durchsetzungsfähigkeit hat Ludewig spätestens bei der Aufstellung der CDU-Landesliste für die Bundestagswahl bewiesen. Hier landete er weit vorne, genauer gesagt: auf Platz fünf. Eine Position, die ihm auch unter Berücksichtigung der voraussichtlich erfolgreichen Direktmandate seiner Parteikollegen den sicheren Einzug in den Bundestag garantieren dürfte. Verblüffend: Mandatsinhaber wie der promovierte Physiker Philipp Lengsfeld, der seit 2013 im Bundestag sitzt, erhielten genauso wenig einen Platz auf der Landesliste wie der frühere Parteichef und Innensenator Frank Henkel.
Plötzlicher Schwenk vom Land zum Bund
Mindestens ebenso überraschend: Die Neuköllner Abgeordnete Christina Schwarzer bekam nur Platz sechs der Landesliste. Sie ist die zweite Frau auf den ersten zehn Plätzen neben Spitzenkandidatin und Parteichefin Monika Grütters. Grütters hatte Schwarzer eigentlich den sicheren Platz fünf geben wollen, wie sie betonte. Dort steht aber nun der Name Gottfried Ludewig. Grütters kommentierte diese Entscheidung mit der Bemerkung, beim Frauenanteil sei „noch Luft nach oben“ vorhanden.
Die Querelen um Ludewigs Äußerung zum „doppelten Wahlrecht für Leistungsträger“, das er 2008 als Doktorand angeregt hatte, scheinen mittlerweile vergessen. Schon als er seinen Vorstoß seinerzeit bei „Anne Will“ rechtfertigten wollte, kanzelten Hubertus Heil und Guido Westerwelle seine Idee als „Studentenwitz“ ab. Mittlerweile setzt der Kandidat, der sich seinerzeit mehrfach für seine Provokation entschuldigt hatte, auf seriöse Themen: eine bessere medizinische Versorgung und Pflege, mehr Polizisten und mehr Videoüberwachung an gefährlichen Orten. Daneben gehört die Verkehrspolitik zu seinen Schwerpunkten. Im Wahlkampf ist er dazu auch schon mal mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier auf dem Fahrrad unterwegs. Ludewig ist gut vernetzt. Gelernt haben könnte er dies von seinem Vater Johannes, früher Chef der Deutschen Bahn und heute Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates.
In seinem Wahlkreis muss sich Ludewig gegen den Linken-Kandidaten Stefan Liebig durchsetzen. Der punktet bei vielen Anwohnern mit seiner klaren Haltung gegen den Flughafen Tegel. Ludewigs CDU befürwortet dagegen neuerdings die Offenhaltung. Doch auch wenn es für den Christdemokraten als Direktkandidat schwer werden dürfte: Über die Landesliste ist er ja recht sicher mit von der Partie.
Auch Frank Henkel möchte vom Berliner Abgeordnetenhaus in den Bundestag wechseln. Die Liste der politischen Ämter und Mandate, die der 53-Jährige vorzuweisen hat, ist lang: 16 Jahre Parlamentserfahrung, fünf Jahre Regierungsmitglied als Senator für Inneres und Sport, zudem war Henkel Bundesratsmitglied. Dass er im Wahlkreis Mitte antritt, passt zu seiner persönlichen Biografie: „Ich kenne Mitte wie kaum ein anderer. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Ich habe vor, Politik nicht nur hinter den Mauern des Bundestages zu machen, sondern eng verbunden mit den Menschen in Mitte“, sagt Henkel. Damit hebt sich der gebürtige Ost-Berliner von seiner Kontrahentin Eva Högl ab, die – wie so viele Berliner – zugezogen ist. Ursprünglich stammt Högl aus dem niedersächsischen Osnabrück und ist dann im Kurort Bad Zwischenahn bei Oldenburg aufgewachsen. Henkel dagegen lebte 17 Jahre in Ost-Berlin, ehe er 1981 mit seiner Familie nach West-Berlin ausreisen durfte.
Scheitern, ohne gleich geächtet zu werden
Um seine Direktkandidatur für den Bundestag im CDU-Kreisverband durchzusetzen, musste Henkel zunächst den amtierenden Mandatsträger der CDU in Mitte, Philipp Lengsfeld, aus dem Rennen werfen. Dies gelang dem ehemaligen Senator, als er Ende Februar mit 27 zu 17 Stimmen gegen den Bundestagsabgeordneten siegte. Damit Henkel aber wirklich sicher in den Bundestag einziehen kann, wäre ein vorderer Platz auf der Landesliste vonnöten gewesen. Doch genau den verwehrte die CDU Berlin ihrem früheren Landesvorsitzenden. Viele fanden das schäbig, hatte Henkel doch einst die massiv zerstrittene Partei geeint und 2011 sogar wieder in die Regierungsbeteiligung geführt. Für den Kandidaten selbst ist die fehlende Listenabsicherung kein großes Problem: „Ich bin nicht auf der Landesliste der Berliner CDU, aber da gibt es nichts zu jammern. Das entspricht jedenfalls meiner Haltung.“ Die Entscheidung gelte es zu akzeptieren, sagt Henkel. Er setze ganz klar „auf Sieg und nicht auf Platz“.
Er will die Wähler mit den Schwerpunkten Bildung, Sicherheit und Familie für sich gewinnen. Henkel ist überzeugt, „dass Bildung der Schlüssel für eine gute Zukunft unserer Kinder ist. Dazu zählt auch, dass ich möchte, dass Familien und Kinder stärker im Mittelpunkt von Politik stehen sollten.“ Sicherheit sei zudem für jeden Bürger wichtig. Nur wer sicher sei, könne frei leben. Henkel: „Ich bin für einen starken Staat.“
Das Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2016, bei dem die CDU ein historisch schlechtes Ergebnis einfuhr, hat Henkel verarbeitet. „In einer Demokratie muss es möglich sein, auch mal zu scheitern, ohne gleich geächtet oder vom Platz gestellt zu werden“, sagte er in seiner Bewerbungsrede um die Direktkandidatur. Für den 24. September steht wieder alles auf Anfang – und zwar bundesweit.