Flaschen. Tüten. Netze. Manche Teile der Ozeane sehen aus wie eine Müllkippe. Auch mit dem Mikroskop wird es nicht besser. Winzige Plastikteilchen verseuchen nicht nur die Meeresbewohner, sondern auch uns Menschen. Die Biologin Bettina Wurche, Expertin für Plastikmüll im Meer, hält regelmäßig Vorträge zur Problematik. So auch vor Kurzem anlässlich der Ausstellung „Lebenswelten“ im früheren Bergwerk Reden.
Die Produktion von Plastik hat sich seit 1964 verzwanzigfacht. 300 Millionen Tonnen Plastik werden jedes Jahr hergestellt, der Löwenanteil von 26 Prozent wird für Verpackungen verwendet. 72 Prozent des hergestellten Plastiks wird nicht wiederverwendet. 40 Prozent landen in Deponien, 32 Prozent verlassen das System, das heißt, sie gelangen unkontrolliert in die Umwelt, wie zum Beispiel in die Meere. Einer Schätzung zufolge sind das weltweit jährlich 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen.
„Es ist katastrophal“, sagt die Biologin Bettina Wurche. „Ich halte das Müllproblem für eines der größten, das wir überhaupt haben. Dennoch habe ich den Eindruck, dass es vielen Menschen immer noch nicht bewusst genug ist, um zu handeln. Obwohl man es heute überhaupt nicht mehr ignorieren kann.“ Es wird vermutet, dass derzeit 150 Millionen Tonnen Plastikmüll unsere Meere belasten. Im Jahr 2050 schätzt man, dass es – als Gewicht gerechnet – mehr Plastik als Fische in den Weltmeeren geben wird. Schuld daran sind hauptsächlich die Länder Südostasiens, in denen Müllentsorgung häufig noch ein Fremdwort ist. Aber auch wir Europäer tragen dazu bei: Medikamente gibt es in der Plastikverpackung, Gemüse und Obst sind in Plastik verpackt, und in unseren Duschgelen sind sogenannte Microbeads, kleine Plastikteilchen. Auch die Fischerei steht in der Verantwortung: Ein Zehntel des Plastikmülls wird von Fischerbooten verursacht.
Ein Teil des Mülls treibt auf dem Wasser und wird durch die Meeresströmungen zusammengetrieben – und bildet so regelrechte Müllinseln, Müllstrudel. Ein großer Teil des Mülls sinkt aber zu Boden.
Aber nicht nur sichtbare Makroplastik, sondern auch kleinste Plastikteilchen, sogenannte Mikroplastikpartikel, die kleiner als fünf Millimeter sind, finden sich zuhauf im Meer. Durch die Wellen, UV-Strahlung und das Salzwasser zersetzt sich das Plastik immer weiter. Bei diesem Zersetzungsprozess werden auch Schadstoffe freigesetzt. „Das kann krebserregend sein, das ist fruchtbarkeitsmindernd. Das macht sich in den Industriestaaten heute schon bemerkbar“, stellt Wurche klar. Was man bei Fischen oder auch großen Säugetieren wie Walen schon nachweisen konnte, wird jetzt auch für die Menschen, am Ende der Nahrungskette, zum Problem. Sowohl durch den Verzehr von Meerestieren, ob Bio oder nicht, als auch durch unser Trinkwasser nehmen wir winzige Plastikpartikel zu uns, werden immer weiter verseucht. „Im Körper von 90 Prozent der deutschen Bevölkerung lässt sich heute Mikroplastik nachweisen“, erzählt Wurche.
Was in den 50er-Jahren mit der Plastikproduktion begann, lässt sich heute nicht so einfach rückgängig machen. Das Plastik in unseren Ozeanen zersetzt sich weiter, bis zu 400 Jahre kann sich der Kunststoff in den Meeren halten. Unfruchtbarkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Krebs werden im Zusammenhang mit dem Plastikproblem genannt. „Da wird noch einiges auf uns zukommen“, ist sich die Biologin sicher.
Aber nicht nur die Mikroplastik gefährdet unsere Gesundheit und die der Meeresbewohner. Viele Fische, Vögel und Säuger sterben auch durch den hohen Anteil an Makroplastik in den Ozeanen. Die Tiere verfangen sich in sogenannten Geisternetzen. Das sind Netze, die Fischer einfach im Meer zurücklassen. Jedes Jahr sind das Schätzungen zufolge neben unzähligen anderen Meerestieren zwischen 57.000 und 135.000 Wale, Robben und Seehunde. Aber auch durch den Konsum sterben zahlreiche Tiere. Mehr als 1.333 verschiedene Arten, die in Meeren oder im Küstenbereich leben, werden in Mitleidenschaft gezogen. Das besonders grausame: Trotz vollem Magen verhungern die Tiere elendig, weil ihr Magen bereits mit Tüten, Flaschenverschlüssen und anderen Plastikteilchen voll ist.
Auch Lebensräume wie Korallenriffe werden durch Ablagerungen von Plastikmüll geschädigt. Der Müll kann auch Organismen als Floß dienen, die so in andere, fremde Lebensräume eindringen können – so beispielsweise in Korea, wo es eine Massenausbreitung einer Quallenart gibt, die als Ursache den Plastikmüll haben soll. Tatsächlich wird der Plastikmüll im wachsenden Maße die Biodiversität negativ beeinflussen.
Gegen die weitere Verseuchung unserer Meere muss dringend mehr unternommen werden. Auch wenn wir unsere Fehler nicht vollständig rückgängig machen können, so können wir doch aufhören, es noch schlimmer zu machen.