Mit hoher Motivation sind wissenschaftliche Mitarbeiter bemüht, dem Sparkurs und Personalabbau zu trotzen. Kein Dauerzustand, sagt Luitpold Rampeltshammer von der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeit an der Universität des Saarlandes. Zugleich kritisiert er das Schwarze-Peter-Spiel um Verantwortlichkeiten.
Herr Rampeltshammer, die Studierenden protestieren einmal mehr. Diesmal geht es um die geplante Verwaltungsgebühr. Ist die mit 50 Euro im Semester wirklich so unzumutbar?
Das Problem ist, man kann schon sagen, die Unterfinanzierung der Hochschulen. Manchmal überrascht es einen selbst, wie gut die Universität die Leistungen noch erfüllt unter den gegebenen Bedingungen. Es ist ja so, dass bestimmte Leistungen von den Universitäten selbst zu tragen sind. Die Personalsteigerungen sind ja jetzt nicht so hoch gewesen, aber auch bei der Energie kommen auf die Universität Kosten zu, die sie mit einem festgeschriebenen Haushalt abdecken muss. Es wird deutlich, dass es hier auf dem Campus Veränderungen gibt. Deshalb muss die Unileitung versuchen, Einkünfte zu generieren. Und da war jetzt die Verwaltungsgebühr von 50 Euro ein Mittel dazu. Ich persönlich finde es nicht glücklich. Studierende gucken natürlich: Was kostet es mich zu studieren? Es ist sicher nicht das erste, da sehen sie zunächst auf die Qualität und die Chance, hinterher einen Job zu finden. Und da muss man schon feststellen, dass allein durch die Diskussion um die Sparmaßnahmen eine Entwicklung in Gang gesetzt wurde. Bei den Romanisten, die gehören schon wegen der Nähe zu Frankreich zu den attraktivsten Angeboten, war es bislang so, dass sich die besten Abiturienten auf zwei, drei Hochschulen in Deutschland verteilt haben. Jetzt kommen die allerbesten nicht mehr nach Saarbrücken, weil die verunsichert sind. Da spielen die Verwaltungsgebühren eine zusätzliche Rolle. Hochschulen stehen im Wettbewerb um die Allerbesten, und da sind die Gebühren aus meiner Sicht nicht hilfreich.
Ist die Situation denn wirklich so dramatisch?
Ich sehe das wirklich so. Man muss hier einen Riesenapparat am Laufen halten. Und dann friert das Land die Mittel ein. Das ist natürlich die Kehrseite der Hochschulautonomie. Hochschulautonomie ist schon eine gute Sache, aber jetzt hat man sie unter den Vorgaben eines zugefrorenen Deckels. Aus der politischen Perspektive könnte man sagen, da schieben sich Leute den Schwarzen Peter zu. Es gibt nicht mehr die direkte Verantwortung. Das Land sagt, die Universität hat einen Globalhaushalt und muss gucken, wie sie damit zurechtkommt. Die Universitätsleitung sagt, unter den vorgegebenen Bedingungen ist es schwierig, also in Richtung Land: Wir brauchen mehr Geld. Damit verschwimmt die Verantwortung ein bisschen ins Nebulöse. Ich halte das für ein Problem. Früher gab es klare Zuständigkeiten, heute gibt es ein Nirwana, in dem alle Zuständigkeiten versanden. Kritik prallt ab, weil es keine genaue Zuständigkeit gibt.
Wir lange kann man einen solchen Zustand durchhalten?
Das kann man nicht sagen. Momentan schaut alles an der Uni auf das Jahr 2020. Es gibt so ein Gefühl nach dem Motto, wir kneifen jetzt die Backen zusammen und wursteln uns durch bis 2020, dann werden die Karten neu gemischt, dann gibt es einen neuen Verteilungstopf. Wobei die Zustände hier schon schwieriger werden, vor allem für die wissentlichen Mitarbeiter. Wenn man sich den Stellenplan ansieht: Die Zahl der Professoren bleibt ungefähr gleich, bei den anderen Gruppen wird reduziert. Das sind die 400 Köpfe, die fehlen. Gleichzeitig sind die Anforderungen gestiegen, etwa um Drittmittel einzuwerben. Aber wenn man die Anzahl an wissenschaftlichen Mitarbeitern reduziert, reduziert man auch die Möglichkeit, um mit Projekten an Drittmittel ranzukommen, weil einfach der Unterbau fehlt. Man kann sich dann vorstellen, was das für die Belastungen für die Mitarbeiter bedeutet. Wenn man sich die Gruppe anschaut, dann sind fast 90 Prozent befristet. Das geht eigentlich nur durch die hohe Motivation, für die ist wissenschaftliche Arbeit ein Wert an sich, was auch eine Studie gezeigt hat, die wir als Kooperationsstelle mit auf den Weg gebracht haben. Die zeigt, dass hoch motivierte wissenschaftliche Mitarbeiter deutlich mehr arbeiten, als sie müssten, und schultern so auch viele Dinge, um die Qualität der Universität aufrecht zu erhalten. Wenn jetzt die Zahl reduziert wird und die Anforderungen steigen, ist das schon eine Situation, die nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag aufrecht zu erhalten ist.
Wie wirkt sich der Sparkurs auf das Studium selbst aus?
Es ist schon so, dass Tutorien fehlen, dass Arbeitsgruppen fehlen, dass Bibliothekszeiten eingeschränkt werden. Man muss sagen, dass sich die Situation objektiv für Studierende schwieriger gestaltet. Und die, die jetzt in der Endphase sind, haben nichts davon, wenn 2021 mehr Geld kommt.
Wie nehmen Sie aktuell die Stimmung wahr?
Die Stimmung auf dem Campus ist überraschenderweise gar nicht so schlecht. Wie gesagt, schauen alle auf 2020. Das ist auch ein psychologischer Effekt. Man erhofft sich die Lösung der Probleme in relativ naher Zukunft. Ob es so kommt? Es gibt ja hier an der Uni den geflügelten Spruch, dass es zwei Arten gibt, an der Uni zu Tode zu kommen: Entweder wird man an der philosophischen Fakultät von herabfallenden Ziegeln erschlagen, oder man rutscht in der Informatik auf hochglanzpoliertem Marmor aus. Genau das schildert den Zustand an der Uni recht treffend. Da gibt es schon eine große Ungleichheit auf dem Campus.
Die andere Ungleichheit scheint es traditionell zwischen Geistes- und Naturwissenschaften zu geben.
Die Geisteswissenschaften sind schon sehr erfolgreich hier. Aber sie haben nicht mehr den Stellenwert, den sie früher hatten, obwohl sie von den Studierendenzahlen schon ein großer Teil sind. Die Aufmerksamkeit geht auf die großen Leuchttürme, die kleinen Leuchttürme in der Geisteswissenschaft bekommen nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.
Man braucht aber doch diese großen Leuchttürme.
Ja, unbedingt. Ich hielte auch nichts davon, sozusagen im Gießkannenprinzip drüberzugehen. Die grundsätzliche Schwierigkeit ist die Finanzsituation des Landes, die sich durchschlägt auf die Universität, auf die Studienbedingungen, die Beschäftigung, die Qualität. Die Leidtragenden sind dann die in manchen Bereichen Studierende und die Beschäftigten.
Das Saarland setzt auf seine Frankreichstrategie, die Universität der Großregion gehört mit dazu. Ist die eine tragfähige Perspektive?
Wir haben eine Untersuchung der Hochschulabsolventen gemacht. Und da stellen wir fest, dass für die allerwenigsten Frankreich eine Rolle spielt als Beschäftigungsmöglichkeit. Wenn die so denken, ist natürlich für sie die Universität der Großregion nicht so interessant. Während die Attraktivität von Luxemburg als möglicher Arbeitgeber sehr viel interessanter ist. Das ist die deutsche Sicht. Aus französischer Sicht ist es eher ein größerer Gewinn. Die Universität gewinnt dadurch an Kooperationspartnern. Es gibt Ungleichheiten in der Region, und die setzen sich auch fort bis in die Hochschulen. Es ist ein Prozess, der lange dauert, aber ich finde es gut, dass der Weg gegangen wird. Für so ein Projekt muss man schon längere Zeiträume ins Auge nehmen.
Zum Semesterbeginn war ein leichter Rückgang der Studierendenzahl festzustellen. Sind das bereits erste Indizien, oder liegt das, wie argumentiert wird, auch an äußeren Faktoren wie etwa der demografischen Entwicklung?
Es gibt wohl nicht die eine Ursache, sondern mehrere Gründe. Es ist schon die demografische Entwicklung. Die wurde aber oft kompensiert durch eine Strahlkraft der Universität, wie der Saarländer sagen würde, ins Reich, aber auch international. Der Anteil international Studierender ist schon sehr hoch, und da muss man sagen, das ist natürlich der naturwissenschaftlich-technische Bereich, bei dem die Uni international hohes Renommee hat. Wenn jetzt Studierende fernbleiben, ist das sicher schon eine Reaktion auf die öffentlichen Diskussionen um die Sparmaßnahmen.
Nach langem Hickhack hat die Uni jetzt mit Manfred Schmitt einen neuen Präsidenten. Hat das etwas verändert?
Er kann natürlich die finanzielle Situation auch nicht verändern. Was ich aber schon spüre, ist mehr Transparenz. Die Informationen laufen, wenn es um Entscheidungen geht. Er ist auch jemand, der auf Studierende zugeht, der auf Beschäftigte zugeht, der ansprechbar ist. Das war eigentlich auch nie das Problem von Herrn Linneweber, aber da gab es andere Schwerpunktsetzungen. Also nach meiner Einschätzung haben wir schon einen guten Griff gemacht.
Jetzt gab es im vergangenen Jahr große öffentliche Diskussionen um den Sparkurs, die größten Uni-Demos im Land. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass die Uni im öffentlichen Bewusstsein gar keine so große Rolle spielt. Täuscht das?
Vielen ist offenbar unklar, was die Uni so macht, außer Absolventen zu produzieren. Die Forschung, die Einwerbung von Drittmitteln, da ist vielen nicht klar, was das für Arbeitsplätze bedeutet, die dem Land auch guttun. Das fällt in Diskussionen oft hinten runter. Die Landeskinderuniversität ist schon wichtig, weil das Land ja auch an Grenzen liegt. Und wenn man dann nach Trier oder Kaiserslautern sieht, dann ist die Ausstattung dort schon besser, was natürlich zu Diskussionen und Frustrationen führt. Die Exzellenz ist auch wichtig für die Außenwirkung. Wenn aber die finanzielle Basis nicht langfristig gesichert ist, dann lässt sich beides nicht halten. Dann kann keine Landeskinderuni bestehen bleiben und sich keine Exzellenz entwickeln.
Nach den intensiven Auseinandersetzungen der Vergangenheit: Sind die schlimmsten Befürchtungen eingetreten?
Vor dem Hintergrund der Finanzausstattung ist die Situation besser, als ich es gedacht hätte. Vor zwei, drei Jahren habe ich geglaubt: Das kann so nicht funktionieren. Es funktioniert, in manchen Bereichen gut, in anderen weniger gut. Es funktioniert aus meiner Sicht wegen der hohen Motivation der Beschäftigten, die nicht hundert Prozent bringen, sondern 105 oder 110 Prozent. Das ist aber nicht ewig aufrechtzuerhalten.