Manager bringen zunehmend ihren ganzen Berufsstand in Verruf.
Das System der sozialen Marktwirtschaft lebt davon, dass Recht und Gesetz für alle gleichermaßen gelten, Entscheidungsfreiheit herrscht, Machtmissbrauch verhindert wird, Verantwortung und Risiko im ausgewogenen Verhältnis entlohnt werden, Privatkapital nicht nur nach egoistischem Gewinnstreben, sondern auch gemeinwohlorientiert eingesetzt wird und alle Marktteilnehmer nach allgemein akzeptierten ethischen Grundätzern ehrbarer Kaufleute miteinander umgehen.
Das Prädikat sozial beinhaltet darüber hinaus die Selbstverpflichtung der Gesellschaft, in Not Geratenen Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und niemanden dauerhaft materiell zurückzulassen, sondern alle am Wachstum und Wohlstand teilhaben zu lassen.
Dieses wohlkonstruierte System, von Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack im Nachkriegselend der frühen 50er-Jahre etabliert, hat sich über Jahrzehnte bewährt. „Wohlstand für alle“ – ein politischer Slogan aus der Erhard-Ära – wurde in vertrauensvollem Zusammenwirken aller großen gesellschaftlichen Gruppen in der gesamten Breite bis zum heutigen Tage weitgehend verwirklicht. Mit dem Ergebnis, dass wir trotz aller Wirren und Risiken der Zeit nach wie vor Bewohner eines Landes sind, „… in dem man gut und gerne lebt!“ – so ein politischer Slogan der Gegenwart.
So schön das alles klingen mag, ist dieses in der Wirtschaftsgeschichte einmalige freiheitliche und soziale Wirtschaftssystem in Gefahr: „Die Totengräber der Marktwirtschaft“ (Marc Beise) sind unterwegs. Dass im zurückliegenden Bundestagswahlkampf die bedrohte „Soziale Gerechtigkeit“ zum Thema wurde, kommt nicht von ungefähr.
Für egoistische Raffgier von Managern oder anderen Entscheidungsträgern in Spitzenpositionen mit Vorbildfunktion ist im ethisch-moralischen Gefüge der sozialen Marktwirtschaft kein Platz. Sie sprengt das System. Zwar sind solche Verhaltensweisen zum Glück unter deutschen Managern selten, aber sie kommen vor und erregen dann großes öffentliches Ärgernis.
Jüngstes Beispiel lieferte der Luftfahrt-Manager Thomas Winkelmann, der die von ihm geleitete Air Berlin in die Insolvenz führte und sich selbst für ein halbes Jahr erfolglose Arbeit einen goldenen Handschlag in Höhe von 4,5 Millionen Euro verschaffte. Diese ließ er zudem trickreich durch eine Bankgarantie insolvenzsicher machen. Das heißt, die Summe wird gezahlt, auch wenn das Unternehmen nicht mehr zahlen kann.
Dass dabei die öffentliche Entrüstung hochkocht, ist verständlich, auch wenn der Vorgang juristisch nach allen Regeln der Kunst sauber sein mag. Ethisch ist er es nicht. Nebenbei bemerkt: Den gleichen Vorwurf trifft auch den Aufsichtsrat, der einen solchen Vertrag genehmigt hat.
Solche Beispiele sind leider nicht neu. Den Reigen eröffnet hat Thomas Middelhoff, der 2002 Bertelsmann verließ mit 20 Millionen Euro Abfindung. Es folgten Gerhard Eick, der im März 2009 den Posten des Vorstandsvorsitzenden der Arcandor AG übernahm, diese am 1. September 2009 in die Insolvenz führte und für diese halbjährige Tätigkeit eine garantierte Abfindungssumme in Höhe von 15 Millionen Euro erhielt.
Wendelin Wiedeking, langjähriger Chef von Porsche, kassierte 2009 bei seiner Entlassung 50 Millionen. Absoluter Spitzenreiter der Raffzahn-Garde ist bislang der frühere ENBW-Chef Utz Claassen, der vom inzwischen untergegangenen Sonnenenergie-Unternehmen Solar Millennium 2010 eine Antrittsprämie von neun Millionen erhielt und weiter sieben Millionen als Abfindung verlangte – nach 74 Tagen Arbeitszeit. Dagegen erhielt Christine Hohmann-Dennhardt für ihre knapp einjährige Tätigkeit im VW-Vorstand als Leiterin des Ressorts Integrität und Recht „nur“ eine Abfindung von zwölf Millionen – vermutlich, weil die Arbeit im VW-Konzern besonders leicht war.
Wenn solche Vorgänge Schule machen, muss man sich nicht wundern, wenn bei der arbeitenden Bevölkerung nicht nur das Vertrauen in die Wirtschaft schwindet, sondern dass die Raffmentalität immer weitere Kreise zieht. Nach dem Motto: Jeder denkt an sich, nur ich denk’ an mich!