Jann-Fiete Arp ist gerade einmal 17 Jahre alt und muss schon mit dem Druck leben, der potenzielle Retter des HSV zu sein. Und die große Stürmer-Hoffnung für Deutschland. Doch außer ihm gibt es noch weitere interessante junge Spieler in der Bundesliga.
Erster Schuss, erstes Tor: Von einem solchen Start in die Fußball-Bundesliga träumen viele Jungs. Jann-Fiete Arp hat es geschafft. Als erster im Jahr 2000 geborener Spieler war er in der Bundesliga zum Einsatz gekommen und nach einem Mini-Auftritt gegen Bremen und der U17-WM – bei der er in fünf Spielen fünf Mal traf – kam er in Berlin zum Zug und traf direkt.
Aus welchem Holz der 17-Jährige geschnitzt ist, zeigte sich direkt danach. Denn während andere Teenager dieses Erlebnis durch überschwänglichen, möglicherweise wochenlang einstudierten Jubel gefeiert hätten, war Arp schlecht gelaunt. Das Spiel ging nämlich 1:2 verloren. „Und ich mag es nicht, wenn Leute mir zu einer Niederlage gratulieren." Am nächsten Spieltag gegen Stuttgart stand Arp in der Startelf und traf erneut. Und bekam danach in ähnlicher Rekordgeschwindigkeit, in der er nach oben geschossen war, einen Eindruck darüber, welcher Hype junge Spieler heutzutage im Milliarden-Geschäft Fußball erwartet.
Jeder wollte etwas von dem Jungen, überall wurde er gefeiert. „Der HSV ist voll Fiete", schrieb die Bild. „Fiete, du bist der Wahnsinn", titelte das Hamburger Abendblatt. Für „Sport1" war er ein „Wunderknabe", für die Internetseite „Talentkritiker" gar schon „Hamburgs Stürmer des Jahrtausends". Das war natürlich eigentlich wer anders, doch eben dieser Uwe Seeler hatte gar nichts gegen diese Schlagzeilen. „Ich bin nicht böse, wenn er ‚Uns Fiete‘ genannt wird", sagte „Uns Uwe". „Das hat der Bursche sehr gut gemacht. Ich hoffe, dass man weiterhin richtig mit ihm umgeht. Er ist eine Bereicherung."
Der Druck war aber riesengroß. Weil der HSV gleich zu Saisonbeginn mal wieder in die Abstiegszone gerutscht war, bekam Arp eben nicht nur den Status des Ausnahmetalents, der neuen deutschen Stürmer-Hoffnung und des neuen Seelers, sondern auch gleich den des Hoffnungsträgers, der einen ganzen Verein vor dem erstmaligen Absturz in die Zweite Liga bewahren soll. Und da Arp vom HSV erstmal geschützt und nicht in Interviewzonen gestellt wurde, wurden eben andere über ihn befragt. Seine Schulleiterin, sein bester Freund und wer auch immer.
„Er ist wahnsinnig konzentriert"
Das ist ganz schön viel für einen jungen Mann, der noch zur Schule geht und 200 Meter entfernt vom Volksparkstadion in einem kleinen Zimmer im Nachwuchsleistungszentrum wohnt. Und dessen Name zwar schon Wochen und Monate vorher immer in Hamburg und bei Fußball-Experten fiel, der aber damals noch unbehelligt durch die Straßen in Hamburg laufen konnte. Nun fällt ihm das sogar in anderen Städten der Republik schwer.
Doch der wohlerzogene, bescheidene und intelligente Arp meisterte den Rummel so gut es nur geht. Im Unterricht soll er nicht nachgelassen haben, auch seinen Spüldienst in der Akademie verrichtete er weiterhin mit großer Selbstverständlichkeit.
Auf dem Trainingsplatz gab er sogar noch mehr Gas und musste vom Verein mit Nachdruck davon überzeugt werden, einmal eine Woche Auszeit zu nehmen, um alles zu verarbeiten. „Er ist wahnsinnig konzentriert. Und geht sehr cool mit dem Hype um", lobte HSV-Sportdirektor Jens Todt. In den ersten vier Spielen bekam Arp vom „kicker" die Noten 2,5, 2,0, 3,0 und 2,5. Erst beim 0:0 in Freiburg, als der Stürmer in einem enttäuschenden Spiel ohne große Torraumszenen in der Luft hing, bekam er eine 5. Erst einmal ein Ausrutscher und sicher noch lange keine Krise.
Auch Trainer Markus Gisdol freut die Bodenständigkeit Arps, dennoch mahnt er ihn auch immer, diese nicht zu verlieren: „Ich gebe ihm den Tipp, er soll sich nicht von jedem belabern lassen. Grundsätzlich soll er ganz nah bei sich bleiben und seiner Familie." Und fast mahnend sagte er in Richtung der Fans und Medien: „Unsere Youngster sollen nicht alle Last auf sich nehmen. Die Erwartungshaltung darf nicht zu hoch schießen. Es wird so viel Wirbel gemacht um den jungen Burschen."
Klar ist, dass Jann-Fiete Arp nicht nur alle Anlagen hat, den HSV zu bereichern, sondern dass er wohl eines der größten Stürmertalente ist, das Deutschland je hatte. Schon jetzt hat er zwar in allen Bereichen logischerweise noch Luft nach oben, aber keine wirklich auszumachende Schwäche. Er ist schnell, körperlich robust, technisch gut und eiskalt vor dem Tor. Schon im Sommer wollten ihn große Vereine aus dem In- und Ausland. Arp verlängerte beim HSV, aber bewusst erst mal nur bis 2019. Und weitere Gespräche mit dem HSV blockte sein Berater bisher ab. Klar ist: Jann-Fiete Arp stehen in der großen Fußballwelt scheinbar alle Türen offen.
Doch außer ihm gibt es noch weitere spannende deutsche Talente in der Bundesliga. FORUM zeigt fünf von ihnen.
Yann Aurel Bisseck (17, Abwehr, 1. FC Köln): Der zweite Mann auf dem Mond ist eigentlich derjenige, der zu spät kam, dessen Besonderes nicht mehr besonders ist. Yann Aurel Bisseck wurde durch einen Einsatz für den 1. FC Köln im November gegen Hertha, drei Tage vor seinem 17. Geburtstag, zum zweiten Spieler des 2000er-Jahrgangs nach Arp und dem zweitjüngsten der Liga-Historie nach Nuri Sahin. Wertlos war das aber ganz und gar nicht. „Ein Kindheitstraum" ist für den groß gewachsenen Abwehrspieler in Erfüllung gegangen. Zumal er keine Eintagsfliege war. Eine Woche später auf Schalke wurde er zur Halbzeit eingewechselt, bekam dann aber die Härte der Bundesliga zu spüren und erlitt eine Gehirnerschütterung.
Kai Havertz (18, Mittelfeld, Bayer Leverkusen): Viele wollen gar nicht glauben, dass Havertz erst 18 ist. Zum einen ist der gebürtige Aachener seit seinem Debüt im Oktober 2016 zum gestandenen Bundesliga-Spieler geworden und hat in der durchaus prominenten Leverkusener Mannschaft schon fast 40 Spiele absolviert, die meisten in der Startelf. Zum anderen wirkt Havertz schon unglaublich reif. Für Bayer-Sportchef Rudi Völler hat er eine „Ballbehandlung wie Mesut Özil". Havertz besitzt zwar einen Vertrag bis 2022 in Leverkusen, doch der FC Bayern beobachtet ihn bereits und Havertz hält München für „einen reizvollen Verein".
Felix Uduokhai (20, Abwehr, VfL Wolfsburg): Vor der Saison gab Wolfsburg 62 Millionen Euro an Ablöse und Leihgebühr für zehn neue Spieler aus. Der billigste von ihnen: Felix Uduokhai. Ende Oktober titelte das Fachmagazin „kicker": „Uduokhai, der Glücksgriff – Wolfsburgs bester Neuzugang." Dass um den 1,92 Meter großen Abwehrspieler im Sommer kein Wettbieten stattfand, verwundert. Er war bei 1860 München in einer katastrophalen Abstiegs-Saison als Teenager einer der besten und kostete nur eine Million Euro. Inzwischen stehen die Bewerber Schlange.
„Er ist unglaublich ballsicher"
Dennis Geiger (19, Mittelfeld, TSG Hoffenheim): Als Sebastian Rudy zum FC Bayern wechselte, riefen natürlich viele in Hoffenheim nach Ersatz. Alexander Rosen blieb gelassen. Dennis Geiger in der Hinterhand zu haben, ließe ihn „ruhig schlafen". Die breite Masse wunderte sich, nur Experten kannten Geiger. Doch in den ersten 22 Pflichtspielen kam er 17 Mal zum Einsatz, stand fast immer im Kader und spielte meistens gut. „Er hat nie Angst, einen Fehler zu machen, und er ist unglaublich ballsicher", lobt Trainer Julian Nagelsmann.
Jan-Niklas Beste (18, Abwehr, Borussia Dortmund): Wortspiele um seinen Namen liegen auf der Hand – und viele von ihnen könnten noch zum Zuge kommen. Denn Beste ist nicht nur ein besonders Guter, er ist auch Außenverteidiger. Und da gibt es in Deutschland bekanntlich seit Jahren einen großen Bedarf. Der neue BVB-Trainer Peter Bosz zog ihn direkt hoch in den Kader, nahm ihn mit ins Trainingslager, setzte ihn im DFB-Pokal 90 Minuten ein. Zwar folgten trotz großer Dortmunder Personalnot auf den Außenverteidiger-Positionen noch keine weiteren Einsätze bei den Profis, dennoch hat Beste Anlagen, es zu schaffen.
Darüber hinaus hat die Bundesliga viele Ausnahme-Talente zu bieten, die für andere Nationalmannschaften spielen: Weston McKennie (19, Mittelfeld, Schalke 04) zum Beispiel, der den Sprung ins A-Team der USA schon geschafft hat. Dazu Nikolas Nartey (17, Mittelfeld, 1. FC Köln, Dänemark), Jadon Sancho (17, Mittelfeld, Borussia Dortmund, England), Dan-Axel Zagadou (18, Abwehr, Borussia Dortmund, Frankreich), Alexander Isak (18, Sturm, Borussia Dortmund, Schweden), Kevin Danso (19, Abwehr, FC Augsburg, Österreich) oder Marco Friedl (19, Abwehr, Bayern München, Österreich).
Man darf gespannt sein.