Armin Veh ist seit Dezember Geschäftsführer Sport beim Tabellenletzten 1. FC Köln. Und er agiert dort, wie man es von ihm gewohnt ist: in einer für das Fußball-Geschäft geradezu verblüffend direkten Art.
Seine Trainer-Karriere hat Armin Veh schon vor einigen Monaten insgeheim beendet. Zwar ist er erst 57, doch bereits seit 1990 war der gebürtige Augsburger Fußball-Coach. Elf Stationen bei acht Vereinen in 26 Jahren, das sollte reichen. Auch wenn das Feuer noch in ihm loderte. Aber er hatte alles erlebt. Begonnen hatte er in der Bayernliga bei „seinem" FC Augsburg. Greuther Fürth und Reutlingen führte er in die Zweite Liga, er hielt mit Hansa Rostock die Klasse in der Bundesliga, wurde als vermeintliche „Übergangslösung" 2007 mit dem VfB Stuttgart Meister und führte Eintracht Frankfurt nach dem Abstieg 2012 zurück in die Bundesliga und dann direkt in die Europa League. Aber er hatte auch viele negative Erfahrungen machen müssen. Er wurde in Stuttgart rund anderthalb Jahre nach der Meisterschaft entlassen, beim damaligen Meister Wolfsburg nach kaum mehr als einem halben Jahr und beim Hamburger SV nach achteinhalb Monaten. Seine letzten beiden Stationen waren wieder Stuttgart und wieder Frankfurt, doch die aufgewärmten Lieben klappten nicht. Da kam Veh wohl zu der Ansicht, dass er alles erlebt und gesehen hatte. Dass er genug Erfolge gefeiert hatte, für genug Misserfolge der Sündenbock war und es auch nur wenige Aufgaben gab, die ihn noch reizen würden. Vor allem, dass jeweils die Rückkehr ins bewährte Umfeld nicht funktionierte, grämte ihn. Und so gab er öffentlich zu, diese Schritte bereut zu haben: „Im Nachhinein muss ich sagen: Ich hätte Stuttgart nicht machen dürfen und Frankfurt auch nicht ein zweites Mal."
Die Nachbildung der Meisterschale, die sich nach dem Titel jeder Beteiligte für 2.500 Euro machen durfte, steht bei ihm in Augsburg über dem Kamin. Und als er nach etwa einem Jahr der Vereinslosigkeit einen Journalisten der dpa zu sich nach Hause einlud und diesem über Domenico Tedesco erzählte: „Ein knappes halbes Jahr bei Aue, und jetzt ist er Schalke-Trainer. Das ist ja witzig" – da wurde ihm das gleich als Neid eines Auslaufsmodells ausgelegt, das keinen Job mehr findet. Vor allem, weil er noch nachlegte: „So leicht wie heute, Bundesliga-Trainer zu werden, war es noch nie. Ich musste schon dreimal Meister werden und aufsteigen, bis ich eine Chance bekommen hab’ in der Bundesliga."
Genug vom Trainer-Job
Aber Neid war das nicht. Es war die Analyse über das Damals und das Heute eines Protagonisten beider Zeiten. „Es gibt schon Momente, wo man’s wirklich vermisst. Das gibt’s schon", sagte er damals, im Sommer 2017. Auf den Trainerstuhl wollte er dennoch nicht mehr zurück. Da der Fußball ihn trotzdem nicht losließ, wurde er schließlich Dauer-Experte beim „Doppelpass" und wurde damit quasi ein Nach-Nachfolger des legendären Udo Lattek, der nach seiner großen Trainer-Karriere jeden Sonntagmorgen in der Fußball-Talkshow auf Sport1 aus dem Nähkästchen geplaudert und dabei niemanden geschont hat.
Das hat auch Armin Veh nicht. So war er noch nie. So tickt er einfach nicht. Veh ist empathisch, gesellig, ein Charmeur. Aber auch ein Mann des klaren Wortes. In seiner ersten Amtszeit beim VfB stellte er den damals erst 19 Jahre alten Sven Ulreich – der heute als überaus solider Vertreter von Manuel Neuer beim FC Bayern glänzt – ins Tor. Nahm ihn aber kurz darauf wieder raus und kritisierte ihn öffentlich in ungewohnter Deutlichkeit. „Wir haben durch zwei Torhüter-Fehler verloren. Das haben alle gesehen. Da bringt es nichts, den Torhüter zu schützen", haderte Veh nach einem 0:3 in Leverkusen. Auf die Frage, ob er das Talent damit nicht zu sehr demontiere, antwortete er: „Um ein Großer zu werden, muss er auch mit Druck fertig werden. Er wird ja schließlich auch gefeiert, wenn er gut hält."
Und in der Tat: Sieben Jahre später sagte Ulreich in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten": „Im Nachhinein muss ich ihm dafür sogar dankbar sein." Denn: „Diese Entscheidung hat damals dafür gesorgt, dass ich meinen Traum, Bundesliga-Torhüter zu werden, noch intensiver und konsequenter verfolgt habe. Ich habe damals noch mal eine Schippe draufgelegt – das hat sich dann auf lange Sicht ausgezahlt." Die Wahrheit ist eben manchmal hart. Doch mit etwas Abstand macht sie Sinn. Armin Veh spricht in diesem Geschäft das aus, was viele oft nur denken. Deshalb hat er so große Erfolge gefeiert. Und deshalb hat er nicht mehr davon gefeiert. „Er ist sehr klar und geradlinig. Das hat nicht jeder Trainer, und es tut sehr gut", sagte Ulreich.
Diplomatie ist nicht seine Stärke
Beim 1. FC Köln müssen sie also ungefähr gewusst haben, worauf sie sich einlassen, als sie Veh als neuen Geschäftsführer Sport installierten. Doch vielleicht war es auch genau das, was sie in der damaligen Situation brauchten. Nach dem umjubelten Einzug in den Europacup nach 25 Jahren Abstinenz war der FC beispiellos abgestürzt. Der im Sommer noch als „Manager des Jahres" geehrte Jörg Schmadtke verabschiedete sich im Oktober, der beliebte und gefeierte Trainer Peter Stöger wurde Anfang Dezember entlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kölner historisch schlechte drei Punkte nach 14 Spielen auf dem Konto. Und zwischen der Verkündung von Vehs Übernahme und seinem tatsächlichen Amtsantritt am 11. Dezember verschlechterte sich die Situation weiter dramatisch. Unter der Woche schied der FC durch das unnötige 0:1 bei Roter Stern Belgrad aus der Europa League aus, am Sonntag danach führte er gegen den Vorletzten Freiburg mit 3:0 und verlor durch zwei Elfmeter in der Nachspielzeit noch 3:4. Auf den Rängen im Kölner Stadion herrschte Entsetzen. Alle sahen sich fassungslos an und glaubten zu wissen: Das war der Abstieg. Doch keiner sprach es aus.
Bis eben keine 24 Stunden später Armin Veh auf dem Podium saß. „Der gute Veh", als den ihn manche schon in Hoffnung auf ein Fußball-Wunder empfingen, machte wieder keine Kompromisse und redete Klartext. „Ich bin nicht blauäugig", sagte er. Sollte der FC im kommenden Jahr nicht in der Zweiten Liga spielen müssen, sei das „ein Super-Wunder. Wenn wir gestern gewonnen hätten, hätten wir noch eine kleine Chance gehabt. Jetzt muss man klar sagen, dass du normalerweise anders planen musst." Sagte Veh und schob mit Blick auf seine Personalplanung auch noch deutlich hinterher: „In der Zweiten Liga müssen wir eine Mannschaft haben, die sofort die Favoritenrolle annehmen kann."
In dieser fußballverrückten Stadt, die gerade in Bezug auf ihren FC stets zwischen Euphorie und Weltuntergangsstimmung schwankt, war das ein deutliches Zeichen.
Vehs Vorgänger Schmadtke war schon als – manchmal brummeliger, dann wieder kernig-humoriger – Mann des klaren Wortes bekannt. Doch sein Nachfolger scherte sich offenbar noch weniger um Befindlichkeiten und Träumereien. Manch einer kritisierte die deutlichen Worte Vehs beim Amtsantritt. Er würde damit Spielerkäufe erschweren, Verkäufen Tür und Tor öffnen und die Fans aus dem Stadion treiben. Spätestens, nachdem sie eine Nacht darüber geschlafen hatten, war den meisten klar: Hier hatte es jemand in Anbetracht der damaligen Situation einfach nur auf den Punkt gebracht.
Schneller Wiederaufstieg geplant
Und so handelte Veh auch weiter. Ex-Trainer Stöger, dem viele Fans selbst in der Krise eine Art Heiligenschein verpasst hatten, kritisierte er mehrfach für seine schwache Punkteausbeute und die vielen Verletzten in der Hinrunde. Und stellte vor Stögers schneller Rückkehr mit Dortmund ins Kölner Stadion unverblümt klar: „Dieses halbe Jahr wird – wenn wir absteigen – der Grund dafür sein." Dessen Nachfolger Stefan Ruthenbeck, der nach drei Siegen in Folge tatsächlich eine Aufholjagd gestartet hatte, habe er „nicht versprochen, dass der Vertrag automatisch verlängert wird, wenn er den Klassenerhalt schafft". Und das, obwohl es laut Veh selbst ja ein „Super-Wunder" wäre.
Doch Veh verspricht nichts, was er nicht halten kann. Er eiert nicht rum, er braucht keine Hintertürchen und hält nichts von „Wir schauen von Spiel zu Spiel"-Phrasen. Das ist im heutigen Fußball-Zirkus eine angenehme Ausnahme. Und Veh lebt diese Eigenschaft als Geschäftsführer offenbar noch leidenschaftlicher aus als einst als Trainer.