Im knallharten Spionage-Thriller „Red Sparrow“ von Francis Lawrence mimt Oscarpreisträgerin Jennifer Lawrence eine eiskalte russische Badass-Spionin, die einen CIA-Agenten (Joel Edgerton) nach allen Regeln verführt und sich gegen alle Regeln in ihn verliebt.
Gemein, gefährlich, grandios – sie ist die weibliche Wunderwaffe, wie sie sich die Putin-Administration nur wünschen kann: Als ehrgeizige russische Balletttänzerin dreht Dominika Egorova (Jennifer Lawrence) formvollendete Pirouetten auf den Bühnen, die für sie die Welt bedeuten. Begabung scheint ihr in die Wiege gelegt zu sein. Im Bestseller „Operation Red Sparrow“ von Jason Matthews heißt es: „Als Dominika fünf war, fiel den Eltern auf, dass sie ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis besaß. Sie konnte Zeilen aus Puschkins Werken aufsagen, die Konzerte von Tschaikowski bestimmen. Und wenn Hausmusik gemacht wurde, tanzte Dominika im Wohnzimmer barfuß um den Orientteppich, völlig im Takt, und wirbelte und sprang, vollkommen im Gleichgewicht, während ihre Augen glänzten und sie theatralisch die Hände bewegte.“ Doch dem aufstrebenden Aufstieg als Primaballerina folgt der jähe Sturz. Auf ihrem entbehrungsreichen Weg an die Weltspitze knallt sie hart auf das Bühnenparkett, bricht sich den Knöchel und muss dem fatalen Ende ihrer Karriere ins Auge blicken. Schlimmer ist jedoch ihre Sorge um ihre schwer erkrankte Mutter Nina (Joely Richardson), denn ohne Engagements fehlen der ergebenen Tochter die nötigen finanziellen Mittel für die teure Behandlung.
Finanzielle Not verändert alles
In ihrer bitteren Not landet sie an der berüchtigten russischen Red Sparrow School, ein Härte-Bootcamp für angehende Spioninnen und Spione unter der gnadenlosen Ägide von Head Mistress (Charlotte Rampling), an der sie von sadistischen Ausbildern zur verführerischen Femme Fatale, zur mörderischen Mega-Mata-Hari, getrimmt wird.
Die unheilvolle Wandlung vom liebenswürdigen Multitalent zur Terminatorin verantwortete nicht zuletzt der eigene, skrupellose Onkel, ein linientreuer Funktionär. In der packenden Vorlage wird ihre Notlage besonders deutlich: „‚Würdest du deinem Onkel helfen?‘ Er legte die Hände auf ihre Schultern. Eine Schlange, die die Zunge vorschnellen ließ, um die Luft zu schmecken. Dass er sie gerade jetzt fragte, war monströs, typisch, gemein. Dominika spürte ihren Herzschlag fast bis in den pochenden Fuß. Hinter Wanjas Kopf erblühte ein gelber Schein, so, als wäre er ein byzantinischer Heiliger. Dann kehrte ihr Atem zurück – und mit ihm eine dumpfe Ruhe. Gerade weil ihr Onkel damit rechnete, dass sie ablehnte, nahm Dominika an. Gelassen erwiderte sie seinen Blick, sah, dass er die Augen leicht zusammenkniff, merkte, wie er kalkulierte. ‚Ausgezeichnet‘, sagte Wanja. ‚Du weißt, dein Vater wäre ungeheuer stolz. Es gab keinen größeren Patrioten als ihn. Und er hat seine Tochter zu einer Patriotin erzogen. Einer russischen Patriotin.‘ ‚Wenn du weiter von meinem Vater sprichst, beuge ich mich vor und beiß dir die Unterlippe ab, dachte Dominika. Jetzt, da meine Karriere als Balletttänzerin vorüber ist‘, sagte sie, ‚kann ich genauso gut geheime Arbeiten für dich erledigen.‘
Ausgebildet als gefährlichster Sparrow („Spatz“) des Programms erledigt sie fortan die anfallenden Jobs mit Kälte und Präzision, hinterlässt eine bluttriefende Schneise in der vom Kalten Krieg bedrohten Welt. Doch hat sie das unmenschliche Trainingsprogramm in eine gefühllose Killermaschine ohne jegliche Emotionen verwandelt? Ausgerechnet ihr schlimmster Feind, der CIA-Spion Nathaniel Nash (Joel Edgerton) verunsichert die meuchelnde Maulwurfspezialistin mehr als ihr lieb ist …
Unmenschliches Trainingsprogramm
Mit liebevoll ausdekorierter Brutalität, wie man sie zuletzt in „Atomic Blonde“ mit Charlize Theron bestaunen durfte, inszeniert Actionspezialist Francis Lawrence („Constantine“) einen trickreichen Spionage-Thriller mit seiner Lieblingsactrice Jennifer Lawrence, der er als erfolgsverbrämter Regisseur für drei der vier Teile der „Tribute von Panem“-Reihe im Part der wackeren Paraderebellin Katniss Everdeen den internationalen kommerziellen Durchbruch bescherte. Die dankbare Basis bildet der Roman des Literatur-Newcomers und Ex-CIA-Agenten Jason Matthews.
Besonders die Mutation von der hämisch belächelten Spottdrossel nach dem dummdreisten Internet-Diebstahl ihrer privaten Nacktaufnahmen zum schusssicheren Elite-Spatz gelingt Jennifer Lawrence nicht nur in den Action-Sequenzen par excellence. Eine derartige stoische Coolness befüllte einst nur Anne Parillaud 1990 in Luc Bessons „Nikita“ in schwelgerische Intensivbilder. Das mag nicht zuletzt an ihrer engen beruflichen wie privaten Zusammenarbeit mit Ausnahmefilmer Darren Arronowsky („Mother!“) liegen. Der Fantasy-Merlin („The Fountain“) hatte übrigens nach der Großproduktion „Noah“ dankend auf den Regieposten verzichtet, wie auch „Sieben“-Erfolgsregisseur David Fincher. Namensvetter Francis Lawrence hat es letztlich gerichtet, mit einem Hollywood-A-Allstar-Cast, einer pikanten Story, einem perfekten Drehbuch und einer polarisierenden Protagonistin, die nachhaltig in unseren Köpfen bleiben wird.