In seinem Buch „Luzides Träumen" beschäftigt sich Andreas Schwarz mit der Kunst des Klarträumens. Im Interview verrät er unter anderem Tipps und Tricks, wie sich diese Fähigkeit erlernen lässt.
Herr Schwarz, wie haben Sie erlernt, Ihre Träume zu beeinflussen?
Nachdem ich auf das luzide Träumen aufmerksam geworden bin, durchforstete ich das gesamte Internet. Auch einige Bücher legte ich mir zu. Damals gab es allerdings noch wenig Informationen im Vergleich zu heute. Mühselig suchte ich mir also alle Informationen zusammen, die ich finden konnte und versuchte, das Wissen umzusetzen und den Anleitungen zu folgen. Es dauerte etwa zwei Wochen, bis ich meinen ersten Klartraum erlebte. Es war ein wundervolles Gefühl: Ein Moment der Erleuchtung, wenn einem im Traum klar wird, dass man viel mehr ist, als man gerade eben noch gedacht hat und der Körper zu diesem Moment im Bett ist und schläft. Auf einen Schlag ist mir die volle Macht des Unterbewusstseins klar geworden, weil ich sie sehen, schmecken, fühlen, riechen und auch hören konnte. Leider war ich in meinen ersten luziden Träumen noch nicht in der Lage, sie zu 100 Prozent zu kontrollieren. Das Training ging ab diesem Zeitpunkt erst so richtig los. Über die Jahre hinweg lernte ich viel aus meinen eigenen Fehlern. Das war auch meine Motivation, das Buch „Luzides Träumen – Die Kunst des Klarträumens effektiv erlernen" zu schreiben und den Kurs „Die Klartraum-Academy" zu veröffentlichen, um Menschen die Möglichkeit zu geben, das Klarträumen möglichst schnell, effektiv und ohne große Umwege zu erlernen. Eines meiner Ziele ist es, Menschen dazu zu bewegen, das volle Potenzial ihrer Träume zu nutzen und somit ihre Lebensqualität massiv zu steigern.
Was sind die Merkmale des luziden Träumens?
Merkmal des luziden Träumens ist ein veränderter Bewusstseinszustand. Man muss sich das in etwa so vorstellen, dass man im Traum wach wird, ohne dass der Traum beendet wird. Alles wird plötzlich klar, man ist sich vollkommen bewusst und kann zum Teil – je nach Klarheitsgrad des Traums – in die Handlung eingreifen. Der Schlüsselfaktor zum Klartraum ist die Erkenntnis, dass man weiß, dass man sich zu diesem Zeitpunkt im Traum befindet. Natürlich kommt auch noch hinzu, dass man sich nach dem Träumen auch an seinen Traum erinnert. Oft ist es aber gar nicht so einfach, den Unterschied zwischen Traum und Wirklichkeit zu erkennen. Häufig träumt man von den skurrilsten Dingen und ist trotzdem der vollkommenen Überzeugung, dass alles Wirklichkeit ist. Erst nachdem man aufwacht, wird einem bewusst, dass alles nur ein Traum war. Im Traum selbst ist es also sehr schwierig zu erkennen, ob es sich um einen Traum oder um die Wirklichkeit handelt. Der Schlüssel zum luziden Traum liegt also darin, sein Gehirn dazu zu bringen, sich im Traum die Frage zu stellen: „Träume ich gerade?" Dazu gibt es ein paar Tricks, die man anwenden kann.
Wie ist luzides Träumen wissenschaftlich zu erklären?
Während der luziden Träume wird der präfrontale Cortex im Gehirn aktiv. Im regulären Traumschlaf ist dieses Gehirnareal weitgehend inaktiv. Mittels Elektroenzephalografie (EEG) können die Hirnströme in bestimmten Hirnarealen gemessen werden. So kann man auf einen Klartraum schließen.
Den wissenschaftlichen Durchbruch im Jahre 1975 haben wir dem amerikanischen Psychologen Stephen LaBerge zu verdanken. Dieser schloss einen Klarträumer an ein Gerät an, welches dessen Augenbewegungen überwachte. Der Klarträumer hatte die Aufgabe, im Klartraum seine Augen in bestimmte Richtungen zu bewegen und so ein Signal an die Wachwirklichkeit zu schicken. Er bewegte seine Augen in regelmäßigen Zeitabständen nach links und nach rechts und gab so ein bestimmtes „Morsezeichen" durch. Die Forscher konnten diese Signale anhand seiner tatsächlichen Augenbewegungen auslesen. Da dieser Versuch reproduzierbar ist, wurde das Klarträumen wissenschaftlich anerkannt.
Gibt es Menschen, die gar nicht träumen können?
In der Regel erlebt jeder gesunde Mensch mehrere Träume in einer Nacht. Lediglich die Traumerinnerung fehlt nach dem Aufwachen. Durch unseren steigenden Alltagsstress haben wir uns angewöhnt, unsere Gedanken direkt nach dem Aufwachen auf unseren Alltag zu richten. Wir haben über die Zeit hinweg verlernt, uns an unsere Träume zu erinnern. Dies ist übrigens auch der Grund, warum sich Kinder viel besser an ihre Träume erinnern können. Obwohl wir es immer mehr verlernt haben, können wir uns diese Fähigkeit mit ein bisschen Training wieder aneignen. Wer sich vornimmt, sich wieder an seine Träume erinnern zu wollen und sich direkt nach dem Aufwachen Zeit nimmt, seine Träume in seinen Gedanken noch einmal durchzugehen, wird bereits Erfolg haben. Weiterhin gibt es noch effektive Techniken, die man anwenden kann, um diesen Vorgang zu unterstützen. Dazu zählen zum Beispiel das berühmte Traumtagebuch und die MILD-Technik (Mnemonic Induced Lucid Dream). So kann sich auch jemand, der eigentlich der Überzeugung war, gar nicht mehr zu träumen, nach wenigen Tagen an einzelne Traumfragmente erinnern. Jeder Mensch träumt in etwa fünf bis sechs unterschiedliche Träume pro Nacht. Das liegt an dem zyklischen Aufbau der Schlafphasen. So treten wir Nacht für Nacht mehrere Male in den REM-Schlaf ein, in dem wir aktiv und lebhaft träumen. Das Potenzial ist also groß. Wir können diese verborgene Zeit dazu nutzen, unglaubliche Abenteuer zu erleben, wenn wir das wirklich wollen. Ist es nicht eine wundervolle Methode, mehr Lebenszeit für sich zu gewinnen?
Kann jeder das luzide Träumen erlernen?
Generell bin ich der Überzeugung, dass es jeder Mensch erlernen kann. Ausschlaggebende Faktoren sind Geduld, Disziplin und Zuversicht. Wer es sich also fest vornimmt, kann es auch schaffen. Selbst die, die glaubten, ein „hoffnungsloser Fall" zu sein, konnte ich in meinem Coaching schon bald zu ihrem ersten luziden Traum verhelfen. Wichtig ist natürlich, dass man die Techniken richtig anwendet. Einige setzen die Techniken nicht richtig um, weswegen die Erfolge ausbleiben. Deshalb ist es sehr wichtig, dass man sich umfassend informiert. So können auch die Menschen luzides Träumen erlernen, die sich noch nicht an ihre Träume erinnern können. Die Fähigkeit, luzid zu träumen, schlummert in jedem von uns. Wir müssen sie lediglich aktivieren. Auf meiner Website biete ich auch einen kostenlosen Grundlagen-Videokurs an, für alle, die ihr Wissen auffrischen wollen oder die Grundlagen von Anfang an richtig erlernen möchten.
Welche Techniken gibt es denn?
Es gibt sehr viele unterschiedliche Klartraumtechniken. Allein in meinem Kurs stelle ich 16 verschiedene vor, die alle ihre eigenen Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten haben. So ist auf jeden Fall garantiert, dass für jeden etwas dabei ist und man mit mindestens einer Technik Erfolg hat. Die beliebteste Technik ist die DILD-Technik („Dream-Initiated Lucid Dream"), bei der man aus einem Traum in einen luziden Traum einsteigt. Dabei gewöhnt man sich an, seinen Bewusstseinszustand kritisch zu überprüfen mithilfe von sogenannten Reality Checks und sich die Frage „Träume ich gerade?" zu stellen. Diese Gewohnheit soll sich auf den Traum übertragen, damit man sich dort in ungewöhnlichen Situationen ebenfalls diese Frage stellt und so den luziden Zustand erreicht. Eine weitere beliebte Technik ist die WILD-Technik („Wake-Initiated Lucid Dream"), bei der man versucht, während des Einschlafens wach zu bleiben und direkt mit wachem Bewusstsein in den Traum einsteigt. Es gibt aber wie gesagt noch viele weitere Techniken, um die Wahrscheinlichkeit auf einen luziden Traum stark zu erhöhen.
Wenn man einmal eine Technik raus hat – funktioniert das dann immer?
Leider nein. Es spielen noch einige andere Faktoren eine große Rolle. Wichtig sind vor allem genug erholsamer Schlaf, der starke Wille luzide Träume zu erleben und das regelmäßige Training von Traumfokus und Traumbewusstsein. Es ist also wichtig, dass man sich aktiv mit den Techniken beschäftigt. Wer dies schleifen lässt, wird auch wieder weniger luzide Träume erleben. Das Gute ist aber, dass man leicht einsteigen kann, wenn man sich dazu entschließt, wieder mehr luzide Träume haben zu wollen und sich erneut dem Training zuwendet. Es ist quasi wie das Fahrradfahren, das man nie verlernt. Wenn das Fahrrad aber im Keller steht und nicht gefahren wird, kann es dich auch nicht bequem von Ort zu Ort bringen.
Angenommen, ich möchte durch paradiesische Landschaften wandern oder als Rockstar auf der Bühne gefeiert werden. Wie gehe ich hier vor? Können Sie eine Anleitung geben?
Natürlich ist die Grundvoraussetzung die, dass man im Traum erstmal merkt, dass man träumt. Sobald man in den luziden Traum eingestiegen ist, ist es empfehlenswert, zunächst Stabilisierungstechniken anzuwenden, um die Dauer des Traums auszudehnen, die Wahrnehmung der Details zu verstärken und die Stabilität des Traums zu erhöhen. Anschließend kann man damit beginnen, seine Traumumgebung zu verändern. Hier ist Kreativität gefragt. Was immer sehr gut funktioniert ist, wenn man sich im Klartraum eine Tür malt und sich hinter der Tür seine gewünschte Destination vorstellt. Wenn man die Tür öffnet und hindurchgeht, befindet man sich in einer paradiesischen Landschaft oder tritt auf die Bühne seines eigenen Rockkonzerts. Es gibt natürlich auch noch viele andere Möglichkeiten. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.
Welch faszinierende Bewusstseinszustände kann man während des Klarträumens erleben?
Der Klartraum ist ein Bewusstseinszustand, in dem man faszinierende Erfahrungen sammeln kann. Der Bewusstseinszustand selbst definiert, wie intensiv man den Klartraum erlebt. Mit den vorher erwähnten Traumstabilisierungstechniken kann man den Klartraum selbst intensivieren, beziehungsweise den Klarheitsgrad erhöhen. Dieser bestimmt, ob wir den Traum eher verschwommen oder sehr detailreich, lebhaft und realitätsnah erleben.
Die Grenzen des Klartraums definiert allein unsere eigene Fantasie und Vorstellungskraft. Wir tauchen in eine Welt ein, in der alles möglich ist. Naturgesetze, wie zum Beispiel die Gravitation, können überwunden werden, körperliche Empfindungen wie Schmerz können durch einen Schmerzzauber aufgelöst werden. Auch ein Unsterblichkeitszauber kann im Traum dabei helfen, dass man sich vor nichts mehr fürchten muss. Man kann sich wie Harry Potter in Hogwarts fühlen.
Das Faszinierendste am Klartraum ist aber, dass einem die Macht des Unterbewusstseins verdeutlicht wird. Traumfiguren – andere Lebewesen im Traum – sind in der Lage, andere Sprachen perfekt zu sprechen, sie können Lieder aus dem Radio perfekt nachsingen oder man kann durch das exakte Abbild seiner Heimatstadt fliegen. All diese Informationen sind im Unterbewusstsein gespeichert. Der bewusste Verstand ist nur nicht in der Lage, im Alltag auf diese Informationen zuzugreifen. So kann man von seinem Unterbewusstsein lernen, interessante und neue Lösungsansätze für Probleme im Alltag finden und den Klartraum sogar als Trainingsort für seine alltäglichen Fähigkeiten nutzen.
Ist es auch möglich, aus einem Albtraum auszusteigen?
Albträume kann man durch das luzide Träumen nicht nur bekämpfen, sondern man kann sie auch dazu nutzen, um leichter in einen luziden Traum einzusteigen. Wer sich darauf konditioniert, während eines Albtraums zuallererst die Frage „Träume ich gerade?" zu stellen, wird – direkt bevor es beginnt, gruselig zu werden – seinen Trauminhalt steuern können. Ich hatte damals große Angst vor Hunden, da ich im Grundschulalter von einem Schäferhund angegriffen und gebissen wurde. Natürlich wurde ich auch von Albträumen heimgesucht. Ich gewöhnte es mir an, jedes Mal, wenn ich einen Hund vor mir sah, die Frage „Träume ich gerade?" zu stellen. So kam es dazu, dass ich im Albtraum meinen Traum steuern konnte und meine Angst vor Hunden verlor. Ich forderte den angreifenden Hund dazu auf, mir zu zeigen, was er von mir wolle. So konnte ich an meiner Angst arbeiten und sie schließlich besiegen.
Was halten Sie von Traumdeutung?
Wie bereits erwähnt, hatte ich auch großes Interesse am Thema Traumdeutung. Im Laufe der Zeit konnte ich herausfinden, dass die Traumdeutung allerdings nicht generalisiert werden kann. Jeder Mensch ist individuell und hat seine eigenen Mechanismen, mit Bildern umzugehen. Aufgrund dieser Individualität kann nur ein Psychologe, der jemanden ganz genau kennt, erahnen, was das Unterbewusstsein mit einem Traum zu vermitteln versucht.
Welche Funktion erfüllen Träume?
Welche Funktion unsere Träume genau haben, konnte wissenschaftlich noch nicht genau belegt werden. Bisher wird davon ausgegangen, dass sie notwendig sind, um unsere Erlebnisse aus dem Alltag zu verarbeiten – eine Art Defragmentierungsfunktion für unser Gehirn.
Gibt es Jahreszeiten oder Lebensumstände, in denen wir besonders viel träumen?
Schwer zu sagen, da es jeder Mensch wahrscheinlich unterschiedlich erlebt. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass ich meine Träume um die Vollmondzeit deutlich aktiver und lebhafter wahrnehme. Auch die Wahrscheinlichkeit für luzide Träume steigt bei mir in dieser Zeit.
Welches waren die außergewöhnlichsten Träume in Ihrem Leben?
Das Abgefahrenste was mir jetzt spontan einfällt, ist ein Erlebnis, das ich während meiner Bachelorarbeit hatte. Ich stand massiv unter Zeitdruck und musste die Elektronik für eine Schlafmaske zum Laufen bringen, die in der Lage ist, Traumphasen zu detektieren. Bereits seit zwei Tagen tüftelte ich daran, doch es wollte einfach nicht funktionieren. In dieser Nacht hatte ich einen luziden Traum und begab mich auf die Suche nach dem Fehler in der Elektronik. Ich machte in Miniaturgröße eine Reise durch die Platine, die ich entwickelt hatte. Es war, als ob ich durch eine futuristische Stadt flog. So konnte ich den Fehler schnell lokalisieren. Zu meiner Überraschung konnte ich am nächsten Tag mit den gewonnenen Erkenntnissen tatsächlich den Fehler beheben. Es ist ein sehr faszinierendes Gefühl mitzuerleben, zu was das Unterbewusstsein fähig ist und wie beschränkt unser bewusstes Denken eigentlich ist.
Wovon haben Sie zuletzt geträumt?
Heute Nacht träumte ich von einem wunderschönen thailändischen Strand, an dem ich mich entspannte. Da mein Alltag momentan sehr stressig ist, führte ich diesen Traum herbei, um ein wenig abzuschalten.