Die Heimpleite gegen RB Leipzig setzt den Schlusspunkt unter eine Saison des Auf und Abs bei Hertha BSC.
Nichts wurde es mit dem angestrebten versöhnlichen Saisonabschluss: Am letzten Spieltag der Bundesliga 2017/18 bezog Hertha BSC im Olympiastadion eine 2:6-Niederlage gegen RB Leipzig. Zwar hatte Pal Dardai mit Vedad Ibisevic einen zweiten Stürmer an Stelle des verletzten Mittelfeldspielers Valentino Lazaro aufgeboten, im offenen Schlagabtausch zeigten sich die Hauptstädter aber gegen die schnelleren Gäste phasenweise überfordert. Der Versuch mitzuspielen ging dabei regelrecht nach hinten los – von der sonst propagierten Kompaktheit und Ordnung war an diesem sonnigen Nachmittag vor 60.000 Zuschauern in der offensiveren Ausrichtung der Berliner wenig zu sehen. Etwas überraschend kam dabei Jordan Torunarigha nach seiner Nichtberücksichtigung in der Vorwoche in der Startelf zum Einsatz. Julian Schieber wurde dazu vor der Partie offiziell verabschiedet, Trainer Dardai gab dem Angreifer zum Abschied sogar noch eine halbe Stunde als Einwechselspieler. Ganz im Gegensatz zum zweiten, bereits feststehenden Abgang bei Hertha: Mitchell Weiser, der nach Leverkusen geht, bekam wie in den Spielen zuvor auch bei seiner letzten Gelegenheit in Berlin keinen Platz im Kader zugestanden.
Vier Tore nach rund 20 Minuten waren dann zwar Ausdruck eines hohen Unterhaltungswerts, der für Fans der Blau-Weißen aber beim Stand von 1:3 einen faden Beigeschmack hatte. Zwei weitere Treffer der Leipziger kurz nach der Pause verstärkten diesen Eindruck unangenehm – die Partie war gelaufen. Mit Ibisevic und Salomon Kalou zeichneten noch einmal die beiden Routiniers in der Offensive für Herthas Tore verantwortlich – der Bosnier gestaltete seinen persönlichen Saisonabschluss mit dem zweiten Treffer in den vergangenen drei Partien zumindest versöhnlich. Kalou sicherte sich dazu mit seinem zwölften erfolgreichen Abschluss die vereinsinterne Torjägerkrone, die Quote von Davie Selke (27 Spiele, zehn Tore) kann sich aber auch sehen lassen. Die Probleme lagen jedoch an diesem Nachmittag wieder eher im Defensivbereich, elf Gegentore in den letzten drei Spielen sprechen für sich – und ausgerechnet am 34. Spieltag fing man sich dann die höchste Niederlage der gesamten Spielzeit ein.
Phasenweise überfordert
So wie im Übrigen vor einem Jahr, als Bayer Leverkusen mit demselben Resultat im Olympiastadion triumphierte. Seinerzeit war die Voraussetzung allerdings noch eine durchaus andere: Hertha BSC hatte die direkte Qualifikation für die Europa League bereits in der Tasche. Dieses Mal ging es nur noch darum, das vor der Saison ausgegebene Mindestziel, den zehnten Platz, zu erreichen. Diese Vorgabe wurde am Ende dann genau erfüllt – vielleicht ein wenig genauer, als es dem einen oder anderen Verantwortlichen lieb sein konnte. Letztlich unterstrichen diese nach Abpfiff der Spielzeit 2017/18 aber, dass die Mannschaft eine ordentliche Saison abgeliefert hat. Angesichts der Voraussetzungen – das Team von Pal Dardai startete erstmals in dessen Ägide in drei Wettbewerben – sicher zutreffend. Ein bisschen mehr Glanz beziehungsweise Konstanz auf höherem Niveau hatte man sich im Jahr des 125. Vereinsgeburtstags, zu dessen Ehren sich das Vereinswappen auf dem Trikot in Gold gerahmt präsentierte, aber wohl schon erhofft. Das Spiel, das wohl als das beste der Herthaner in dieser Spielzeit im Gedächtnis bleiben wird, war sicher ausgerechnet das Hinspiel in Leipzig, als die Berliner in Unterzahl über die fast komplette Spielzeit voller Leidenschaft einen 3:2-Sieg erkämpften. Es war das letzte Spiel einer kräftezehrenden Hinserie, trotzdem hatten Dardais Schützlinge zu diesem Zeitpunkt eine ihrer besten Phasen – mit sieben Punkten aus der letzten von neun Englischen Wochen der Hinrunde.
Durch diesen Endspurt kam man sogar noch auf die gewünschten 24 Punkte zum Halbjahr in der Bundesliga. Deutlich entfernt von den starken Hinrunden-Ergebnissen der Vorsaison, aber wegen der höheren Belastung einkalkuliert. Die Auftritte auf den beiden anderen Hochzeiten fielen dagegen ernüchternd aus: Pokal-Aus in der zweiten Runde auf eigenem Platz gegen den in der Liga damals noch sieglosen 1. FC Köln im Oktober, einen Monat später stand auch das Ende in der Gruppenphase der Europa League bereits vorzeitig fest. Angesichts der Gegner aus Bilbao, Östersund (Schweden) und Luhansk (Ukraine) blieb der Eindruck, es hätte mehr drin sein müssen. Der Elan aus der letzten Hinrunden-Woche der Bundesliga sollte dazu nach der kurzen Winterpause verschwunden sein: In neun Spielen reichte es nur zu einem Sieg – bei vier erzielten Toren. Der Dreier gelang ausgerechnet beim Champions-League-Anwärter in Leverkusen, den man schon im Hinspiel bezwungen hatte. Dem FC Bayern rang Hertha BSC dazu in München immerhin eine Nullnummer ab, sodass man gegen den Rekordmeister als einziger Bundesligist 2017/18 ungeschlagen blieb (Hinspiel: 2:2). In diese Zeit fielen aber auch gruselige Heimspiele ohne Torerfolg wie gegen die Abstiegskandidaten Mainz (0:2), Freiburg oder Wolfsburg (jeweils 0:0), bei denen das Olympiastadion obendrein gerade mal gut halb gefüllt war.
22 Zähler zu Hause – der drittschwächste Wert aller Bundesligisten
Überhaupt war die Spielstätte der Berliner nicht die Bastion der letzten Jahre: nur 22 Zähler war in dieser Hinsicht der drittschwächste Wert aller Bundesligisten. Dafür punktete Hertha in der Fremde beinahe genau so viel und landete in dieser Statistik auf einem respektablen sechsten Platz. Die Rückrunde (19 Punkte) fiel am Ende zusätzlich zwar fast schon traditionsgemäß gegenüber dem ersten Halbjahr ab, aber nicht mehr so deutlich. Dabei hätte die Dardai-Elf zum Schluss noch die Möglichkeiten gehabt – nach der zweiten erfolgreichen Phase mit sieben Punkten aus drei Partien vom 30. bis 32. Spieltag. Doch bei Hannover 96 (1:3) wurde dann die erste Halbzeit komplett verschlafen und die Chance auf einen besseren Abschluss zunichtegemacht. Bezeichnend für eine Saison, in der vier Ligapartien ohne Niederlage im Januar/Februar 2018 – bei sechs erzielten Punkten – das höchste der Gefühle blieben. Ohne internationalen Wettbewerb wird die kommende Spielzeit nun wieder mehr Alltag bieten – der für die drei Herausforderungen 2017/18 personell aufgerüstete Kader wird Pal Dardai intern die Sache dabei nicht einfacher machen. Dazu dürfte der Ungar gefordert sein, besagtem Fußball-Alltag in der Hauptstadt mehr Glanzpunkte zu verleihen – auch, wenn mehr als ein guter Mittelfeldplatz bei „normalem" Saisonverlauf wieder kaum anzupeilen sein wird.