Es wird kurvig. Nicht nur in der Mode, sondern auch auf Papier: Die erste Ausgabe von „The Curvy Magazine" ist auf dem Markt. Auf 164 Seiten zeigt das Magazin Modestrecken für und an Frauen, die „größere" Größen tragen.
Chefredakteurin Carola Niemann brachte mit ihrem Team einen Titel auf den Markt, den sie sich selbst so seit Langem wünschte. „Kurvige Frauen auf Laufstegen, in Werbeanzeigen oder als Models in Magazinen? Eher Fehlanzeige. Zudem gibt es leider noch nicht genügend Firmen, die coole Fashion für uns produzieren. Die Auswahl ist meist klein, die Designs zum Teil langweilig und altbacken. Darauf haben wir keine Lust mehr!", schreibt sie im Editorial. Sie weiß, wovon sie schreibt: „Ich trage selbst gern Oversized-Kleidung und die gibt’s in der Stadt nur bis Größe 42. Da wird’s ganz schnell eng."
Ob eine Style-Strecke mit knallfarben-monochromen oder Colourblocking-Kleidern und Mänteln fotografiert an Sängerin Alina oder Model Angelina Kirsch im Netzstoff-Badeanzug auf dem Cover und in einer „Ganz natürlich"-Strecke im Inneren – „The Curvy Magazine" zeigt ganz normale Mode an bekannten, aber auch an ganz normalen Frauen. Dass der Begriff normal ohnehin relativ ist, weiß jede, die sich mit der Szene beschäftigt: Die Durchschnittskonfektionsgröße in Deutschland ist eine 44. Gezeigt werden in „The Curvy Magazine" die neuesten Trends auf dem Laufsteg, bei Shootings und in den Katalogen. Im Gegensatz zu den bekannten Magazinen aber eben nicht an Models mit Kleidergröße 34.
Seit Jahren als Online-Version
Die Plus-Size-Community fand bislang, bis auf vereinzelte „Teaser" oder Sonderstrecken in den üblichen Mode-Titeln, eher eine eigene Präsenz im Online-Bereich – mit Bloggerinnen. Versteht sich, dass „The Curvy Magazine" nun die Online-Community ins analoge Medium holt: In der Rubrik „Look like…" wird gezeigt, wie die Looks von Bloggerinnen wie Verena Prechtl @ms_wunderbar, Christine Chlench @chlencherei oder Ashley Graham @theashleygraham nachgestylt werden können. Die eine im Maritim-Look, die andere in Jeans, die nächste in Nude-Tönen. Sehr hilfreich sind auch die Styling-Tipps für Keypieces wie Wickelrock, Pencil Skirt oder Faltenrock für die unterschiedlichen Figur-Typen und zwar jeweils im Day- oder Night-Look. Natürlich mit Bezugsquellen-Hinweisen – hilfreich auch offline für Plus-Size-Frauen, die neue Labels entdecken und shoppen wollen. Auch die Profis kommen zu Wort: Das Stylisten-Paar Miyabi Kawai und Manuel Cortes gibt in einem Interview Tipps zu Style, Schuhen und natürlich zum optimalen Inhalt von Schränken.
In dieser ersten Frühling-/Sommerausgabe der Zeitschrift darf eine Strecke mit Bademode nicht fehlen: Bikinis, Badeanzüge, Flatterkleider und Pareos, Schläppchen, Schmuck und Taschen werden für unterschiedliche Figuren vom X bis O-Typ im Badenixen-Look präsentiert. Wo Mode und Frauen sind, ist üblicherweise der Zweifel am eigenen Aussehen und am Selbstbewusstsein nicht fern. Ganz gleich, in welcher Kleidergröße. Deshalb verfasste Autorin Sabrina Holland ein Plädoyer fürs genauere Hinschauen. Auf sich selbst, für eine selbstbewusste Wahrnehmung und für mehr Mut, um zu sich selbst zu stehen. Und wenn’s so viel ums Körperliche geht, darf ein Gespräch der stellvertretenden Chefredakteurin Julia Kronwitter mit Sex-Expertin Paula Lambert nicht fehlen – bei einem Eis. „Mieser Sex ist wie ein schlechter Witz", sagt Paula Lambert. Was dagegen getan werden kann, steht im Heft.
„The Curvy Magazine" fiel nicht aus dem Off in die Zeitschriftenregale. Carola Niemann und Julia Kronwitter betreiben bereits seit einem Jahr erfolgreich die Online-Version www.thecurvymagazine.com. „Es war ein langer Weg für mich", sagt Carola Niemann, die sich als Modejournalistin im Metier seit vielen Jahren auskennt. „Ich habe bereits vor vier Jahren mein erstes Konzept entwickelt und nach einem Verlag gesucht." Doch der Mut der Großen und Etablierten fehlte. An mehr als Alibi-Modestrecken ab und an traute sich keiner heran. „Also habe ich mir gedacht: Mache ich’s halt selbst, wenn kein Verlag daran glaubt." Als das Online-Magazin erfolgreich, auch mit Partnern und Anzeigen, lief und sehr wohl bewies, dass die Plus-Size-Community interessiert ist, fand sich „ein kleiner und mutiger Verlag". Nun erscheint das Magazin bei „Ocean Global" „und ich freue mich tierisch darüber", sagt Niemann. Anfang Februar gab’s grünes Licht und dann ging alles ganz schnell: Mitte Mai kam das erste Heft für ganz normale Curvy- oder Plus-Size-Fashionistas heraus. „Wir haben die Tür aufgestoßen und bewiesen, dass es geht."
Und zwar mit 110.000 Stück in einer Auflagenhöhe, die so ziemlich jeder Leserin ermöglicht, in ihrer Nähe einen Kiosk oder ein Zeitschriftenregal mit „The Curvy Magazine" zu finden. In diesem Jahr soll es im September und im November noch zwei weitere Hefte geben. „Ab 2019 wollen wir zweimonatlich erscheinen", kündigt Carola Niemann an. Das Heft kostet im Verkauf fünf Euro und ist auch im Abo erhältlich.
Sicher, Endziel wäre wohl das, was sich Lifestyle-Bloggerin Susanne Ackstaller @textelle wünscht: „Ja, in meiner Wunschwelt gäbe es einfach nur Modemagazine, die für alle passen. Für alle Größen, Hautfarben, jedes Alter. Ein Heft für Frauen, wie auch immer sie aussehen." Und Mode an einer Stange von Größe 34 bis 64. Da das aber längst nicht der Fall ist und das „Warten auf den Urknall" – so der Titel des Gastbeitrags – doch noch zu lange dauern könnte, ist die Diskussion ob lieber ein Spezialmagazin oder ein All-in-One ohnehin eine theoretische. Bis dahin macht es sich die geneigte Leserin besser mit einer Ausgabe vom „The Curvy Magazine" auf dem Sofa gemütlich, lässt sich von den Autorinnen geduzt umarmen und erblättert sich ganz entspannt, was in Sachen Fashion, Lifestyle und Role-Models anno 2018 so geht.