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WAS MACHT EIGENTLICH...

Nicht zuletzt aufgrund seiner markanten Augenbrauen wird Waigel damals wie heute erkannt
Foto: imago images / teutopress

… Theo Waigel?

Der langjährige CSU-Vorsitzende und Bundesfinanzminister mit den markanten Augenbrauen war in den 90er-Jahren eine prägende Figur der Kohl-Regierung. Seit 2016 betreibt der 84-jährige „Euro“-Miterfinder mit seinem Sohn eine Anwaltskanzlei.

Gut ein halbes Jahrhundert nach seiner Jura-Promotion erhielt Theo Waigel kürzlich einen weiteren Doktortitel: Seit April darf er sich Ehrendoktor der Universität Augsburg nennen. Ex-Bundespräsident Horst Köhler bezeichnete Waigel in seiner Laudatio als „glaubwürdig, voller Anstand und kompetent in der Sache“ und zudem „mit entwaffnender Menschenfreundlichkeit“ ausgestattet. Für Waigel ist die 1970 gegründete Augsburger Hochschule „seine Heimatuniversität“, obwohl er selbst dort noch nicht studieren konnte, dafür aber seine Kinder. Er selbst gehörte von 1985 bis 2020 dem Kuratorium der Uni an, davon 15 Jahre lang als Vorsitzender, und hat deren Entwicklung zu einer national und international anerkannten Hochschule begleitet. Die Augsburger Ehrendoktorwürde ist nur eine weitere von vielen Auszeichnungen Waigels: Neben dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (1984/96), dem Bayerischen Verdienstorden, der Ehrendoktorwürde der University of South Carolina (1997), dem Scheidegger Friedenspreis (2015) und dem Wilhelm-Weber-Preis (2016) ist auch noch die Ernennung zum Kommandeur der französischen Ehrenlegion 2012 zu nennen.

Expertise immer noch gefragt

Der 84-jährige Theo Waigel betreibt seit 2016 mit seinem Sohn eine Anwaltskanzlei
Der 84-jährige Theo Waigel betreibt seit 2016 mit seinem Sohn eine Anwaltskanzlei - Foto: imago images / Future Image

Obwohl Theo Waigel sich schon lange aus der Tagespolitik zurückgezogen hat, ist seine Expertise immer noch gefragt. Im Rahmen eines strafrechtlichen Verfahrens gegen den Technologie-Konzern Siemens wurde der promovierte Jurist 2009 von US-Behörden als erster Nicht-Amerikaner zum Anti-Korruptionsbeauftragten berufen und hat diese Tätigkeit bis zur Vorlage seines Abschlussberichtes 2012 ausgeübt. Aufgrund dieser Erfahrungen arbeitete Waigel dann ab Februar 2021 als Vorsitzender einer Expertenkommission „Trust in Quality“, mit der das Wirtschaftsprüfunternehmen Ernst&Young den Wirecard-Bilanzskandal aufarbeiten ließ, um verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen. Seit 2016 ist Waigel mit seinem Sohn Christian und Schwiegertochter Renate gemeinsam in deren Münchner Kanzlei tätig. Als Christian das Risiko einer selbstständigen Kanzlei eingegangen ist, war es für seinen Vater „sonnenklar, dass ich da mitgehe“. Als Dankeschön bekam er vom Junior das schönste Zimmer der Sozietät zur Verfügung gestellt. Theo Waigel gibt offen zu, dass er heute in vielen fachlichen Bereichen von seinem Sohn profitiert und bescheinigt diesem, ein guter Politiker sein zu können, auch wenn dies heute viel schwerer sei als früher: „Das Tempo hat sich erhöht. Doch bisher hat es die Menschheit immer noch geschafft, mit dem fertig zu werden, was sich neu entwickelt.“, ist Waigel zuversichtlich. Allerdings glaubt er, dass die Politiker früher mutiger gewesen sind, wenn es um die Umsetzung unpopulärer Maßnahmen gegangen sei. Als Beispiele hierfür nennt er die Abwicklung der Wiedervereinigung und die Einführung des Euro. Diese anfangs umstrittene Währung sei für Europa nach wie vor von herausragender Bedeutung, betont der „Vater des Euro“ im „Focus“. Und er sei sicher, „dass mein Begräbnis noch in Euro bezahlt wird.“ Ohne politisches Mandat kann Waigel jetzt auch in Sachen Renteneintritt eine unpopuläre Meinung vertreten: Wenn man daran festhalte, dass sich die Rentenleistung an den vorherigen Beitragszahlungen orientiert, „wird nicht jeder von seiner Rente leben können“. Deshalb werde es „unumgänglich sein, die Lebensarbeitszeit zu verlängern“. Waigel plädiert für ein variables System, in dem man entweder mit Abschlägen früher in Rente gehen oder mit finanziellen Vorteilen länger arbeiten kann. „Natürlich habe ich das Glück, Tätigkeiten ausüben zu können, die mir das körperlich und geistig erlauben“, betonte Waigel kürzlich im „Merkur“. Zudem profitiere er auch von technischen Neuerungen, obwohl er „verzweifelt versucht, mit iPhone und Computer einigermaßen zurechtzukommen“ und oft familiäre Hilfe benötigt. Dennoch genieße er es, dank digitaler Technik inzwischen viele berufliche Arbeiten zu Hause „mit Blick auf die schönen Alpen“ erledigen zu können.

Fünf Bücher veröffentlicht

Auch wenn er es nicht gerade darauf anlegt, wird Theo Waigel heute immer noch in der Öffentlichkeit erkannt, was dank seiner markanten Augenbrauen nicht verwunderlich ist. Vor zwei Jahren habe ihn in Tirol jemand zweifelnd angestarrt mit der Bemerkung, sein Gegenüber könne ja wohl nicht Theo Waigel sein, da der doch schon gestorben sei. Worauf Waigel ihm abwimmelnd antwortete: „Sie haben Recht – vor drei Jahren oder so.“ Sein buschiges „Markenzeichen“ will der Gina-Lollobrigida-Fan nicht missen: „An meinen Augenbrauen hat sich noch niemand mit der Schere betätigen dürfen“, verriet er Anfang des Jahres der „Augsburger Allgemeinen“.

Seine interessanten politischen Erinnerungen hat Waigel 2019 in seinem fünften Buch „Ehrlichkeit ist eine Währung“ niedergeschrieben. Rückblickend nennt er als seine für ihn persönlich größte Leistung den Überleitungsvertrag von 1991 zwischen Deutschland und der Sowjetunion, der die Rückführung Hunderttausender sowjetischer Soldaten und aller Waffen in die Heimat regelte. 

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