Die reinen Zahlen zeigen kein einheitliches Bild: Demokraten und Republikaner ringen miteinander um die Macht in Senat und Repräsentantenhaus. Wichtigstes Thema bleibt die Wirtschaft, aber auch das Recht auf Abtreibung könnte viele Wählerinnen an die Urne bringen.
Für Joe Biden ist eines klar: Mehr Amerikaner missbilligen sein Verhalten, als mit ihm zufrieden sind. Nur 43 Prozent glauben, er mache einen guten Job als Präsident; bei seinem ebenfalls demokratischen Vorgänger Barack Obama waren es im zweiten Amtsjahr 45 Prozent. Immerhin, Bidens Werte sind besser als die von Trump in dessen zweitem Amtsjahr – aber nicht sehr viel besser (42 Prozent). Mit diesen schlechten Umfragewerten ist Biden für die Demokraten nicht als Kampagnen-Zugpferd zu gebrauchen. Daher besucht er nur wenige Veranstaltungen, und schon gar keine in Swing-States, in denen das Pendel mal zu den Demokraten, mal zu den Republikanern ausschlägt, sprich in Arizona, Ohio oder Nevada. Stattdessen setzen die Demokraten auf Themen, die Wählerinnen und Wähler an die Urne bringen. Und das ist – wie so häufig in US-Wahlen – die wirtschaftliche Lage, so kristallisiert sich immer mehr heraus. Die Wirtschaft ist laut Umfragen für mehr als Dreiviertel der Wählerschaft wichtig. Ähnlich hoch im Kurs aber stehen in diesem Jahr auch andere Themen: Abtreibung, Waffengewalt, Kriminalität, Bildung und Gesundheitsvorsorge gehören für viele zu den Top-Themen. Um diese Themen werden in den USA seit Jahrzehnten politische Grabenkämpfe geführt. Laut dem unabhängigen Pew Research Center tendieren etwa 44 Prozent der Wähler zu demokratischen Kandidaten in ihrem Wahlkreis, 42 zu republikanischen, einer von zehn Wählern ist noch unsicher. Vor allem bei demokratischen Wählern sind in diesem Jahr Themen wie Abtreibung und Waffenpolitik wichtiger geworden, nach der Entscheidung des Supreme Court, das generelle Recht auf Abtreibung aufzuheben, und nach einem erneuten Massaker in diesem Jahr an einer Schule im texanischen Uvalde. Vor der Entscheidung des Supreme Court zur Abtreibung sagten 46 Prozent der Demokraten, dass dieses Thema für ihre Wahl wichtig sei, heute sind es 71 Prozent. Bei den Wählern der Republikaner gab es bei beiden Themen keine große Veränderung. Corona liegt bei den wahlrelevanten Themen auf dem letzten Platz (28 Prozent).
Wirtschaft, Waffen, Bildung und Abtreibung
Die Wählerverteilung verfestigt ein Bild, das sich bereits bei den vergangenen Wahlen abgezeichnet hatte: Junge Menschen, Frauen, Nicht-Weiße und Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen tendieren zu den Demokraten, ältere Menschen, Männer, Weiße und niedriger Qualifizierte zu den Republikanern. Die Zustimmung aber von US-Amerikanern mit asiatischer und hispanischer Abstammung zu den Demokraten ist gesunken; hier erschließt sich möglicherweise neues Wählerpotenzial für die Republikaner.
Für die anstehende Zwischenwahl ergeben die Umfragen kein einheitliches Bild: US-Medien erkennen ein kippendes Stimmungsbild zugunsten der Republikaner, während das Portal „FiveThirtyEight“ die Möglichkeit einer „gespaltenen Regierung“ sieht: Die Republikaner hätten gute Chancen, das Repräsentantenhaus zu gewinnen, die Demokraten könnten den Senat für sich verbuchen. Ob es so kommen wird, zeigt sich am 9. November.