Weil er auf seinem Gartengrundstück im ostfranzösischen Departement Moselle einen Gedenkstein zur Ehren der SS aufgestellt hatte, könnte einem Rechtsextremisten aus dem Saarland nun bald in Frankreich der Prozess gemacht werden. Die dortigen Ermittlungen wurden von der Staatsanwaltschaft an die Justiz übergeben.
In ihren Liedern verehren sie die deutsche Wehrmacht („Früher waren sie noch was wert") und hetzen gegen das „Zionist Occupation Gouvernment", kurz ZOG, die angebliche jüdische Weltherrschaft: Keine Frage, die Band Wolfsfront gehört zum äußersten rechten Rand der deutschen Musikszene. Während die Skinhead-Gruppe in Deutschland immer wieder Probleme hat, Auftrittsorte zu finden, kann sie seit Jahren ungestört in Frankreich auftreten. Doch damit könnte bald Schluss sein.
Schon seit Jahren führen nicht nur saarländische Neonazis Feiern und scheinbar problemlos Konzerte im grenznahen Frankreich durch. Nun droht einem dieser Organisatoren erstmals der Prozess: dem saarländischen Wolfsfront-Mitglied Robert K. Weil er auf seinem Gartengrundstück in der lothringischen Gemeinde Volmunster, zwölf Kilometer jenseits der deutsch-französischen Grenze, einen Gedenkstein zu Ehren einer SS-Division aufgestellt hat, wird dem Deutschen nun die Verharmlosung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, sagte Yann Martinez, zuständiger Staatsanwalt in Saargemünd, auf FORUM-Anfrage. Laut dem Staatsanwalt sei der 35-jährige Anfang des Monats vom Ermittlungsrichter angezeigt worden. Ihm drohen demnach bis zu fünf Jahren Haft.
Zuvor hatte die Saargemünder Staatsanwaltschaft ein halbes Jahr lang ermittelt. Über die Übergabe der Ermittlungen an die Justiz hatte zuerst die lothringische Lokalzeitung „Républicain Lorrain" berichtet, die die Staatsanwaltschaft auf den Gedenkstein aufmerksam gemacht hatte. Nicht nur FORUM, selbst überregionale deutsche und französische Medien hatten den Fall anschließend aufgegriffen.
Prozess beginnt frühestens 2019
Der zuständige Richter hat laut französischem Gesetz nun zwei Jahre Zeit, einen Prozess gegen den Saarländer zu eröffnen. Er rechne „frühestens in einem Jahr" mit Prozessbeginn, da noch einige Ermittlungen ausstünden, so Staatsanwalt Martinez. Aktuell sei der Beschuldigte unter Auflagen frei. Auch die saarländische Staatsanwaltschaft hatte sich an den Ermittlungen beteiligt. Diese betont auf Anfrage, dass bei ihr in dem betreffenden Zusammenhang kein eigenes strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig sei. Auf Gesuch des Ermittlungsrichters in Saargemünd habe man lediglich Rechtshilfe gewährt. Im April war demnach die Wohnung des damals 34-Jährigen nach Beweismitteln durchsucht worden. Mehrere Gegenstände und Datenträger wurden beschlagnahmt. Laut dem zuständigen Staatsanwalt Christoph Rebmann hätten sich daraus aber keine relevanten Hinweise auf eine Planung des Denkmals und mögliche Mittäter ergeben.
Der heute 35-jährige Robert K. ist bei Weitem kein unbeschriebenes Blatt. Laut Berichten des saarländischen Verfassungsschutzes ist der Mann Sänger bei „Wolfsfront" und gehört der örtlichen Hammerskin-Szene an. Dabei handle es sich um eine Gruppe, die ein „rassistisches und nationalistisches Weltbild" pflegt. Im Lagebild 2016 heißt es: „Im grenznahen lothringischen Volmunster-Eschwiller verfügt die Gruppierung mit einem Wiesengelände über eine weitere Immobilie, durch deren Vermietung für musikalische Großereignisse einerseits sowie die damit verbundene entgeltliche Übernahme von Ordnungsdiensten und Bewirtung bei Konzerten Einnahmen generiert werden." FORUM liegt exklusiv ein Grundbuch-Auszug vor, der K. seit 2009 als Grundstückseigentümer des fraglichen Geländes verzeichnet. Er hatte es damals für 1.500 Euro von einem lothringischen Ehepaar erworben.
Der Rechtsanwalt des Mannes sagte, sein Mandant mache zum Verfahren keine Angaben. Bei dem Verteidiger handelt sich um einen bekannten Szeneanwalt, den Reutlinger Rechtsextremisten Steffen Wilfried Hammer. Auf seiner Webseite präsentiert sich Hammer als Scheidungsanwalt. Dem 2009 veröffentlichten Fachbuch „Strategien der extremen Rechten" von Stephan Braun, Alexander Geisler und Martin Gerster ist allerdings zu entnehmen, dass Hammer lange Sänger einer rechten Skinheadband war und als Jurist schon einige Mitglieder der rechten Szene vertreten hat. Unter der Überschrift „Rechtsverteidiger" berichtete die „Stuttgarter Zeitung" 2013 ebenfalls über Hammer. Dieser habe einst Lieder zu Ehren Hitlers Stellvertreters Rudolf Hess gesungen und später juristisch einen Neonazi vertreten, der sich im baden-württembergischen Winterbach an einer brutalen Hetzjagd auf Migranten beteiligt hatte. Im Zuge des Prozesses waren auch drei beteiligte saarländische Hammerskins zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Auch im NSU-Prozess spielte Hammer eine kleine Nebenrolle, ein Video des Terror-Trios war mit seiner Musik unterlegt.
Im Lagebild 2015 führte der saarländische Verfassungsschutz die Gesinnung dieser Hammerskins ausführlicher aus. Die weltweit agierenden Hammerskins verstehen sich demnach als „Eliteorganisation" und propagieren die Überlegenheit der weißen Rasse. In Deutschland liegt der regionale Schwerpunkt der Aktivitäten im südwestlichen Teil der Bundesrepublik, wo mit dem „Chapter Westwall" und seiner Unterstützergruppe „Crew38-Westwal" auch das größte der insgesamt elf deutschen Chapter der „Hammerskins"-Nation bestehe. Die Zahl 38 steht demnach für die Buchstaben C und H und verweist auf das Logo der Hammerskins, die gekreuzten Zimmermannshämmer – „crossed hammers". Das „Chapter Westwall", finanziell gut situiert und personell eng verwoben mit der saarländischen „Kameradschaft 13. Januar", agitiert, um staatlichen Überwachungsmaßnahmen und Outings des politischen Gegners entgegenzuwirken, sehr konspirativ, so der Verfassungsschutz weiter.
Hammerskins agieren mehr eventorientiert
Die „Arbeitsschwerpunkte" der Hammerskins lagen im Jahr 2014 auf der Produktion und dem Vertrieb rechtsextremistischer Musik sowie der Organisation entsprechender Konzertveranstaltungen. Erneut zeigten sich die Hammerskins dem Bericht zufolge „mehr eventorientiert als politisch agierend". Beispielhaft für diese Ausrichtung sei ein Sommerfest mit Livemusik am 13. Juni im französischen Volmunster-Eschwiller gewesen, wo vor rund 120 Personen die saarländische Formation Wolfsfront sowie die Bands Feindbild Deutsch (Baden-Württemberg), Nahkampf (Bremen) und Treueorden (Thüringen) auftraten.
Doch Volmunster ist kein Einzelfall. Für die vergangenen 15 Jahre sind mehr als ein Dutzend rechtsextreme Veranstaltungen im grenznahen Frankreich dokumentiert, ohne dass dies bisher strafrechtliche Konsequenzen hatte. Bereits 2003 wurde in der elsässischen Gemeinde Ringendorf unter Vortäuschung falscher Tatsachen in einem Gemeinderaum der Geburtstag von Adolf Hitler gefeiert. Im Dezember 2008 gab es im elsässischen Schleithal ein Neonazi-Konzert mit 700 Teilnehmern. Im November 2012 kamen beim „Europäischen Hammerfest" im lothringischen Toul gar 1.500 Rechtsextreme zusammen. „Die Initiative zu solchen Konzerten geht meist von Deutschen aus, die auch wenigstens die Hälfte der Besucher stellen", erklärte auf Anfrage der Rechtsextremismusforscher Jean-Yves Camus. Um ungestört feiern zu können, suchten die Deutschen zunehmend Anlaufstellen im grenznahen Ausland wie dem Elsass oder Lothringen.
Bei Konzerten bleibt es aber nicht immer. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg warnt: „Im Bereich der rechtsextremistischen Skinheadszene hat sich durch die Gemengelage aus diffusem politischem Weltbild, ausgeprägter Gewaltbereitschaft und deutlich verminderter Hemmschwelle durch hohen Alkoholkonsum ein besonderes Gefahrenpotenzial entwickelt." Dabei seien „jederzeit spontane gewalttätige Aktionen möglich, die sich vollkommen wahllos gegen jeden richten können, der in den Augen dieser Personen als fremd oder ‚undeutsch‘ erscheint."