In Europa sorgen die US-Sanktionen zunehmend für Gegendruck
Donald Trump und Europa: Das ist die Geschichte einer abschüssigen Fahrt, deren Ende noch nicht in Sicht ist. Der designierte US-Präsident polterte bereits vor seiner Vereidigung am 20. Januar 2017 gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Nato. Merkels Flüchtlingspolitik sei „desaströs", die Nato „obsolet", giftete er. Der Antrittsbesuch der Kanzlerin im Weißen Haus im darauffolgenden März geriet zu einer politischen Tiefkühl-Veranstaltung.
Spätestens beim G7-Gipfel im sizilianischen Taormina im Mai musst Merkel dämmern, dass Trumps Bulldozer-Kurs keine Attitüde, sondern Programm war. Es hatte sich bereits angedeutet, dass Amerika aus dem Pariser Klimavertrag aussteigen werde. „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück weit vorbei", räsonierte die Kanzlerin Ende Mai bei einer Bierzelt-Rede in München-Trudering. „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen."
Im Juli 2018 klang das bei Außenminister Heiko Maas (SPD) ähnlich. Nachdem der US-Präsident die EU als „Gegner" bezeichnet hatte, konterte der deutsche Chefdiplomat: „Wir können uns auf das Weiße Haus nicht mehr uneingeschränkt verlassen."
Die transatlantischen Beziehungen, wie sie jahrzehntelang nach Ende des Zweiten Weltkriegs existierten, sind irreparabel beschädigt. Zwar werden die Amerikaner als Partner in der Nato oder beim Kampf gegen den Terror noch gebraucht. Doch immer stärker macht sich der Gedanke der Abgrenzung breit. „Wo die USA rote Linien überschreiten, müssen wir als Europäer ein Gegengewicht bilden", formulierte Maas in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt".
Mittlerweile sorgt Trumps Mix aus Handelskrieg, Sanktionen und politischen Drohungen für Widerstand. Die EU bedauert zwar den Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Atomabkommen mit Teheran. Doch die US-Sanktionen auf Unternehmen, die ihre Geschäfte mit dem Iran weiterführen möchten, will man nicht einfach hinnehmen. Die Bundesregierung bastelt in Abstimmung mit Brüssel an „alternativen Zahlungskanälen". Damit soll der von amerikanischen Banken dominierte Nachrichten- und Transaktionsverkehr des Swift-Systems, dem weltweit 11.000 Finanz-Institute angehören, umgangen werden.
Wie das in der Praxis funktionieren soll, ist noch unklar. Ein theoretisches Beispiel: Der Iran exportiert Öl nach Indien und bekommt dafür Rupien. In einem Geldhaus im Golfstaat Oman werden die Rupien dann in Euro getauscht. Mit diesen Devisen kann ein iranisches Unternehmen in Europa einkaufen. Die Frage stellt sich allerdings, wie viel derartige Instrumente tatsächlich bringen können. Viele deutsche Betriebe haben ihre Zelte im Iran bereits abgebrochen, weil sie ihre Aktivitäten auf dem für sie viel wichtigeren amerikanischen Markt nicht gefährden wollen.
Besonders groß ist der Unmut der Bundesregierung über die drohenden US-Sanktionen beim von Moskau angestoßenen Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Die Gasleitung soll unter der Ostsee von Russland nach Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern verlaufen. Bei dem Vorhaben des russischen Energie-Konzerns Gazprom sind auch die BASF-Tochter Wintershall und die Eon-Abspaltung Uniper mit im Boot. Gazprom übernimmt 50 Prozent der Kosten in Höhe von 9,5 Milliarden Euro. Die andere Hälfte wird von den übrigen Mitgliedern des Konsortiums bezahlt, zu denen auch die österreichische OMV, die britisch-niederländische Shell und die französische Engie gehören.
Washington will Nord Stream 2 torpedieren, weil Europa bei seiner Gasversorgung zu sehr von Russland abhängig werde. Polen und die Ukraine wiederum sind dagegen, weil sie mehrere Milliarden Dollar Transitgebühren für die Pipelines, die über ihr Gebiet führen, nicht mehr einstreichen könnten. Auch die Amerikaner verfolgen auch kommerzielle Interessen: Sie suchen in der EU Abnehmer für ihr Flüssiggas.
In Berlin wächst die Nervosität, dass Trump demnächst Sanktionen gegen Nord Stream 2 verhängen wird. Die fünf westeuropäischen Gesellschaften könnten dann abspringen, weil diese ihre Aufträge in den USA nicht verlieren wollen. Damit hingen Finanzierung und Umsetzung des Pipeline-Projekts in der Luft. Im Auswärtigen Amt macht ein Vorwurf die Runde: „Amerika will Europa seine Energiepolitik vorschreiben."