Der Maler und Kunsterzieher Richard Eberle wäre im August 100 Jahre alt geworden. Die Stadt Sulzbach organisiert ihm zu Ehren eine Ausstellung und gibt eine Monografie heraus.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist der 1918 geborene Maler Richard Eberle – ebenso wie der gleichaltrige Helmut Collmann und der einige Jahre ältere Fritz Berberich (geb. 1909) – in den zurückliegenden Jahren kaum präsent gewesen. Es ist still geworden um die Anfang des 20. Jahrhunderts geborene Generation saarländischer Maler. Dabei haben sie die hiesige Kunstszene nach dem Krieg nachhaltig geprägt, sich im Saarländischen Künstlerbund engagiert, als Kunsterzieher an saarländischen Schulen gewirkt oder gar wie Fritz Berberich (1964) und Helmut Collmann (1976) den Albert-Weisgerber-Preis erhalten. Eine solche Auszeichnung ist Richard Eberle nicht zuteil geworden. In seiner bescheidenen Art hätte er sicher nicht laut über verpasste Ehrungen nachgedacht.
Im November 2000 richtete die SaarLB in Saarbrücken in ihrer Kundenhalle für den damals 82-jährigen Richard Eberle eine Ausstellung aus. „Ansichtssache – Kunst ist Ansichtssache" war die Ausstellung mit einem Zitat des Künstlers betitelt. Es sollte die letzte Ausstellungseröffnung sein, die der liebenswerte Künstler miterleben durfte. Nur wenige Monate danach starb Eberle in Saarbrücken.
Bereits im Frühjahr 2018 organisierte die Saarbrücker Galerie am Staden eine Eberle-Retrospektive anlässlich seines 100. Geburtstages. Die Stadt Sulzbach würdigt die Verdienste von Richard Eberle jetzt mit einer Ausstellung und einer Monografie. Die Publikation beginnt mit dem Verweis auf die Ausstellung der SaarLB und dem Motto „Ansichtssache – Kunst ist Ansichtssache" und damit schließt sich der Kreis von der letzten, zu Lebzeiten organisierten Ausstellung, zu seiner Gedenkausstellung zum 100. Geburtstag.
Zeichnete schon als Kind seine Umgebung
Richard Eberle wurde am 16. August 1918 in Sulzbach-Altenwald als jüngstes von acht Kindern einer Arbeiterfamilie geboren. Seit seiner Kindheit zeichnete er seine Umgebung und wollte bereits als Neunjähriger unbedingt „Bildermaler" werden. In der Nachkriegszeit, in einer Arbeiterfamilie, schien dies ein unerfüllbarer Wunsch zu sein, doch seine Familie, vor allem die Mutter, unterstützte dieses Vorhaben. Durch seinen neun Jahre älteren Freund Fritz Berberich, der bereits ein Malstudium aufgenommen hatte, lernte er Anfang der 30er-Jahre den Dresdner Maler Oskar Trepte kennen. Dieser lehrte seit 1927 an der drei Jahre zuvor gegründeten Staatlichen Schule für Kunst und Kunstgewerbe in Saarbrücken (heute Hochschule der Bildenden Künste Saar). Auf Anregung von Trepte begann Eberle 1934 hier sein Studium. Doch die Studentenzeit in Saarbrücken war nicht von langer Dauer. Nach Auflösung der Völkerbundsverwaltung am 1. März 1935 und der Rückgliederung des Saargebiets ins Deutsche Reich, schlossen die Nazis bereits 1936 die Kunstschule. Eberle, Berberich und Collmann erhielten ein Stipendium, das ihnen ein Studium an der Kunstakademie München ermöglichte. Hier studierte auch der eine Generation ältere Fritz Zolnhofer.
Aber auch die Studentenzeit in München nahm durch die „Säuberungen" der Nationalsozialisten ein rasches Ende. In der von den Nazis organisierten NS-Propagandaausstellung „Entartete Kunst", die am 19. Juli 1937 in den Münchner Hofgartenarkaden eröffnet wurde, waren auch Werke von Karl Caspar zu sehen. Damit war zugleich auch seine Professur an der Münchner Akademie beendet, er wurde zwangspensioniert. Die Saarbrücker Studenten besuchten diese Ausstellung erst gar nicht. Die Berichterstattung in der Presse genügte ihnen und veranlasste sie zu einer „Art Boykott". Richard Eberle – wie auch die Mehrheit seiner Kommilitonen – verließ danach die Akademie. Mit einem Reisestipendium ausgestattet, konnte Eberle ein Jahr in Italien verbringen.
Hier schrieb er sich an den Akademien in Rom und Palermo ein und bereiste die großen italienischen Kunststädte Florenz und Venedig. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges und seine Einberufung als Soldat im Jahr 1939 beendeten seine Studienzeit in Italien.
Meisterschüler in Stuttgart
Nach einem Jahr im Kriegsdienst beantragte er seine Beurlaubung zur Beendigung des Studiums. Seinem Antrag wurde – krankheitsbedingt und nicht mehr frontverwendungsfähig – stattgegeben, und Eberle setzte auf Empfehlung von Karl Caspar sein Studium bei Anton Kolig an der Kunstakademie Stuttgart fort, welches er im Jahr 1943 als Meisterschüler beendete. Im Jahr 1944 wurde er noch einmal zum Kriegsdienst einberufen, 1945 kam er zunächst in amerikanische, danach in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 entlassen wurde und nach Saarbrücken zurückkehrte. Hier beteiligte er sich sofort an der Neugründung des Saarländischen Künstlerbundes, wo er von 1947 bis 1966 auch als geschäftsführendes Vorstandsmitglied tätig war. Im Jahr 1954 arbeitete er erstmals mehrere Monate am Mädchenrealgymnasium in St. Wendel, um dann von 1958 bis 1979 als Kunsterzieher am Ludwigsgymnasium und am Otto-Hahn-Gymnasium in Saarbrücken zu wirken. Seine Arbeit als Kunsterzieher hat er nie nur als lästige Pflicht empfunden, um den Lebensunterhalt zu sichern. Vielmehr schätzte er es, seinen Schülern „etwas von der eigenen Liebe und Besessenheit" zur Kunst und ihrer Geschichte weiterzugeben. Zugleich empfand er auch „die Spontaneität und Fantasie der Kinder und Jugendlichen als Anregung für die eigene Arbeit", wie seine Töchter Nora Adamo und Ricarda Eberle-Buth in der jetzt aufgelegten Monografie berichten.
In seiner Malerei – wie im Leben – hat Eberle die leisen Töne bevorzugt. Seine Motive zeigen vornehmlich Porträts, Genre- und Alltagsszenen sowie mediterrane Landschaften. Aber auch Szenen aus seinem heimischen Umfeld mit Ansichten aus Altenwald (heute ist dort eine Straße nach ihm benannt), dem Sulzbachtal, der Halberger Hütte oder „Saarkähne an der Alten Brücke" hielt er im Ölbild, mit Gouache oder Aquarell fest. Seine Reisen in den von ihm geliebten Süden nach Italien, Spanien, Griechenland oder Frankreich (wo er seit seiner Pensionierung auch ein zweites Domizil nahe Nizza unterhielt), boten ihm zahlreiche Motive und Inspirationsquellen für seine Malerei. Hier sammelte er „Eindrücke, Impressionen, Ansichten, Impulse von außen, Gelesenes – auch Gegenstände – in einer Art innerer Schatztruhe", erzählen seine Töchter. Zuhause im Atelier entstanden daraus in den Wintermonaten farbenfrohe und sonnige Landschaften, die er vor seinem geistigen Auge wieder hervorholte. „Was ich einmal „geschaut" habe, kommt in die (…) Schatztruhe. Meine Art zu sehen, kann man mit einer fotografischen Aufnahme vergleichen. Ich kann sie „speichern" und „abrufen". Nur selten arbeite ich noch vor dem Motiv", erklärte er seine Arbeitsweise in einem Interview. Seine Bilder waren immer dem Gegenständlichen verpflichtet, das Abstrakte lag ihm fern. Oder wie es Eberle selbst formulierte: „Bilder sollten Inhalte haben, die der Betrachter verstehen kann. Und wenn ich in mir Geschichten habe, drücke ich sie in meinen Bildern aus."
Gegenständlichem verpflichtet
Der im vergangenen Jahr verstorbene Kunsthistoriker Günter Scharwath hat zu den Werken von Eberle treffend geschrieben: „Man mag sich dagegenstellen oder sich dafür begeistern, Eberles Bilder (…) sind Wahrheit und Realität, die keines erklärenden Wortes bedarf; Eindrücke einer Wirklichkeit voller Zauberkraft."
Die Ausstellung in Sulzbach, die von Dagmar Günther in Zusammenarbeit mit Eberles Töchtern Nora Adamo und Ricarda Eberle-Buth kuratiert wurde, vermittelt in einer repräsentativen, nach Themen geordneten Auswahl, einen guten Überblick über Eberles OEuvre. Während sich die Frühjahrs-Ausstellung von Gernot Neuheisel in der Galerie am Staden auf helle, mediterrane Landschaften konzentrierte, zeigt die Sulzbacher Ausstellung Interieurs, Stillleben, Porträts und heimische Landschaften mit dunklerer Farbpalette. Beiden gemeinsam ist die Verehrung und Wertschätzung eines Künstlers, der seine Spuren in der saarländischen Kunstszene des 20. Jahrhunderts hinterlassen hat. Alles Gute zum 100. Geburtstag, lieber Richard Eberle!