Action-Ass und Hollywood-Hottie Jackman kann nicht nur die stählernen Krallen und starken Muskeln spielen lassen, sondern offenbart seine Nuancen als Lover, Komödiant, Charakterdarsteller und Musicalvirtuose vor allem in den unbekannteren Highlights.
Ein wuchtiger Wolf und Wüterich im Schafspelz oder ein empathisch-authentischer Schauspieler im Wolfspelz? Beides, und noch vieles mehr: Keine Frage, Hollywood-Beau Hugh Jackman hat nach zwei Independent-Filmen und Auftritten auf Londoner Musicalbühnen vor allem durch seine machohafte Interpretation des Wolverine in den X-Men-Popcorn-Blockbustern die Herzen seiner Fans im Sturm erobert. Seine Paraderolle als kampferprobter und krallenschwingender Superfreak, die Wutfigur Wolverine der ersten „X-Men"-Trilogie („X-Men" 2000, „X-Men 2" 2002, „X-Men: Der letzte Widerstand" 2006) katapultierte ihn zum Weltstar, belohnt mit einer eigenen Filmreihe: „X-Men Origins: Wolverine" (2009) und 2013 „Wolverine: Weg des Kriegers" sind jedoch Segen und Fluch zugleich, denn das vielseitige Ausnahmetalent mit dem unerschütterlichen Charme- und Sympathie-Nimbus offenbart seine interpretatorischen Qualitäten gerade in anspruchsvolleren Filmperlen, in völlig konträren Genres wie Rom-Coms, Fantasyfilmen, Historiendramen oder Musicals.
Sein Geheimnis ist die gründliche elisabethanische Ausbildung im Theaterfach nach den rigiden Richtlinien des großen William Shakespeare: An dessen Kunst des Schauspielerns wurden extrem hohe Anforderungen gestellt, deren Grundsätze und Regeln ausschließlich durch die Praxis vermittelt wurden. Die Akteure mussten vor allem über eine breit gefächerte Mimik und Gestik verfügen, im Verbund mit extremer physischer Leistungsfähigkeit und stimmlicher Perfektion. Auch ihr Gedächtnis musste phänomenale Ansprüche erfüllen, wurde doch täglich das Programm gewechselt und alle zwei Wochen ein neues Stück präsentiert. Selbst erfolgreichste Dramen am Hofe wurden nicht öfter als einmal im Monat aufgeführt.
Die wichtigsten Charaktere waren der Held, der Schurke, der Narr und der Liebhaber sowie die von den Lehrlingen der Hauptschauspieler dargestellten jungen Damen. Meist verfassten die Autoren ihre Stücke im Hinblick auf eine ganz bestimmte Gruppe, deren Darsteller ihnen genau bekannt waren. Zum Beispiel schrieb Shakespeare seine Clownsrollen einem Kollegen auf den Leib. Diese Gaben, verquickt mit eherner Disziplin hat sich Hugh Jackman auf den muskulösen Leib geschrieben. Zum Greifen spürbar in seinen Hauptrollen wie „Männerzirkus" (2001) oder „Passwort – Swordfish" (2001). Für seine Darstellung des Singer-Songwriter Peter Allen aus den 70er-Jahren in dem Stück „The Boy from Oz" kassierte Jackman 2004 den Tony Award als bester Schauspieler in einem Musical. Zusätzlich erhielt Jackman noch den Drama Desk Award, den Drama League Award, den Outer Critics’ Circle Award und den Theatre World Award. Parallel dazu konnte man ihn auf den Brettern, die die Welt bedeuten in „Carousel" in der Carnegie Hall bestaunen. Für das Stück „Oklahoma!" am National Theater in London wurde er für einen Olivier Award nominiert.
Geküsst wurde er 2001 als verliebter Wanderer zwischen Raum und Zeit von Meg Ryan in der Romantik-Dramedy „Kate & Leopold" von James Mangold. Ein wunderbares Zeitreise-Märchen und Lehrstück in Sachen Liebe: Hugh Jackman als viktorianischer Adliger gibt Powerfrau Meg Ryan Nachhilfelektionen in Sachen Romantik und beweist, dass er auch den Herzschmerz-Heroen geben kann. Seine titanharte Mimik mit den bösen braunen Augen kann plötzlich zur butterweichen Frauenfalle mit einer weitgeöffneten Linse, aus der frau die Blutgruppe ablesen kann. Es knistert förmlich auf der Leinwand zwischen den beiden Sympathieträgern Hollywoods. Seine charismatische Gabe vertieft er vor allem 2006 als souveräner Dreifachdarsteller in Darren Aronofskys bildgewaltigem Fantasy-Opus „The Fountain" (2006), in der er in drei verschachtelten Parallel-Geschichten als spanischer Konquistador, als aktueller Arzt und als Astronaut im 25. Jahrhundert auf der Suche nach dem Quell des Lebens geht, um seine todgeweihte Frau Izi (Rachel Weisz) zu retten. Eine Herkulesaufgabe im Charakterfilmfach, die Jackman bravourös meistert und durch den Ausnahmeinszenator Aronofsky die Eintrittskarte in die Arthaus-Wahhalla erhält. So stilisiert, dass er 2008 sogar im Kriegsepos „Australia" (Regie: Baz Luhrmann) mit Nicole Kidman in den amourösen Ring steigt und sich plötzlich auch den respektablen Romantiker aus der Seele spielen kann. Der Krallenkraftkerl mausert sich so über Nacht zum weltweit beliebten Leinwand-Lover.
Eine überraschende Zäsur folgt 2012 als fantastischer und begnadeter Sänger Jean Valjean im Filmmusical „Les Misérables". Für einen Oscar nominiert, begeisterte Jackman auf gewohntem Terrain Seite an Seite mit Russell Crow, Anne Hathaway, Eddie Redmayne und Amanda Seyfried die Massen.
Überraschende Spurenwechsel
Jackman, ein begnadeter Schauspieler, oder der geborene Show-Titan? Beides natürlich. Bewiesen mit seinem furiosen Abschied von seiner Paraderolle, überrascht Jackman 2017 in James Mangolds „Logan – The Wolverine". Der sichtlich gealterte und geschwächte Australier sagt mit lautem Getöse „Adieu" und hinterließ seinen Fans eine phänomenale Filmperle, die Götterdämmerung von fast zwei Jahrzehnten als „X-Men"-Mutant, bedrückend und bewegend befeuert von einem göttlich aufspielenden Jackman. Er kulminiert und konzentriert hier seine Paraderolle, indem er sich neu erfindet. Einst in physischer Topform, lässt er nun den Betrachter an seinem schmerzhaften Verfall physisch mitleiden, sodass man ihn eher bedauert, denn bewundert. Das ist Method-Acting der australischen Art. Vor allem, wenn man den harschen Spurwechsel zum nächsten Sujet betrachtet, nämlich 2017 in „The Greatest Showman On Earth" von Michael Gracay: Singen und Tanzen sind hier seine wirkungsvollen Waffen im knallbunten Musical über den Zirkuspionier P. T. Barnum. Der hatte im 19. Jahrhundert die zirzensischen Zaubereien und Tricks zum lohnenden Geschäftsmodell verwandelt und in seinem New Yorker „Great American Circus" das neuzeitliche Showbusiness eingeläutet. Eine Rolle ganz nach dem Gusto von Jackman: In herrlichen Kostümen und einem gewaltigen Soundtrack verbreitet er abermals mit seiner Stimme wieder Gänsehaut pur, unter anderem im Duett mit Zac Efron an der Bartheke. Er belebt als begeisternde und begeisterte Lichtgestalt den gesamten Film mit einem infizierenden Lächeln, dem sich keiner zu entziehen vermag. Umso erstaunlicher mit dem Hintergrundwissen, dass er, der neue Start Star aus erbärmlichsten Verhältnissen just auf den finanziellen und gesellschaftlichen Abgrund zudriftet. Diese nahezu psychotische Verve ist insbesondere Jackman zu verdanken, der stante pede Sogwirkung erzeugt. Der Film beginnt mit einer Traumsequenz des jungen P. T. Barnum, der sich bereits in voller Zirkusmontur in der Manege stehen sieht, umringt von seinen Akrobaten, Freaks, Vor- und Traumtänzern. Der Musicalhit punktete nicht umsonst auf „Rotten Tomatoes": 89 Prozent positives Feedback und mit einem Produktionsbudget von gerade einmal 85 Millionen US-Dollar spülte „The Greatest Showman" weltweit über 435 Millionen in die Kinokassen.
Was für eine Show, was für ein Showmann: Hugh Jackman dazu im Interview in einschlägigen US-Filmgazetten: „Eine Musical-Verfilmung ist im Filmbusiness der Mount Everest. Sie ist viel schwerer als normale Filme." Das Drehbuch war in drei Monaten getippt, aber dann hat es drei Jahre gedauert, bis die Musik komponiert war. Wenn man etwas völlig Neues drehen will, muss man in Hollywood extreme Überzeugungsarbeit wie ein riskantes Musical über P. T. Barnum anbieten. Seine Strategie geht auf, mit einer simplen Rezeptur: „Wer hätte jemals geglaubt, dass ich, der klassische Shakespeare-Schauspieler in einem Musical mitmische? Aber in meiner Laufbahn gab es stets Unerwartetes, ich spielte den Actionhelden und moderierte die Oscar-Verleihung. Das hat viel mit Fantasie und Träumereien gemein. Wenn ich ein Angebot erhalte, das Drehbuch lese, muss ich mir die Story bildlich vorstellen können. Dann sage ich zu."
Und der Zuschauer wird ebenso weiter „Ja, mach weiter so!" sagen. Kein Zweifel.