Einmal im Quartal lädt Küchenchef Alexander Koppe sich einen befreundeten Sternekoch in die „Skykitchen" ein, um seinen Gästen einen zwanglosen Nachmittag mit Genuss zu bereiten.
Manche Dinge werden eben doch besser, wenn mehrere Köche ihre Hände im Spiel haben – ein Sechs-Gänge-Menü zum Beispiel. Das beweist Alexander Koppe, Küchenchef in der „Skykitchen" gemeinsam mit seinem Kollegen Steffen Szabo vom „Esszimmer" in Coburg. Er trennte Frühstück und Abendessen auf und nähte es in amerikanisierter Form aus Bestandteilen von „Breakfast" und „Dinner" zu einem „Brinner" neu zusammen. Die Fine-Dining-Expertise und das kreative Handwerk von zwei michelinbesternten Köchen sowie zwei unterschiedliche Essensformate locken das Beste aus einem Sonntagnachmittag im zwölften Stock des Vienna House Hotels hervor: Sechs am Tisch servierte Gänge und ein bisschen Bewegung zu Patissier und Sommelier an den im hinteren Bereich des Restaurants aufgebauten Brot- und Wein-Stationen.
Das Service-Team um Restaurantleiterin Barbara Merll lässt den „Saint Gall"-Champagner immer wieder in die Gläser nachfließen, und die Sonne guckt kurz vor dem Untergang aus der Wolkendecke hervor und bietet ordnungsgemäß das von ihr erwartete Spektakel vor der Mitte-Skyline mit Fernsehturm. Kurzum: Es kann wohl kaum eine tiefenentspanntere Form geben, um einen Sonntagnachmittag genüsslich zu verbummeln.
Profis wie Alexander Koppe und Steffen Szabo kommen sich bei so einem Four-Hands-Kochen natürlich nicht gegenseitig in die Quere, sondern ergänzen einander im Menü. „Wir richten uns nach dem Gastkoch mit unseren drei Gängen", sagt Koppe. „Man kommt aus dem Alltagstrott heraus, und es macht einfach Spaß. Für uns ist so ein Format definitiv entspannter als für unseren Gastkoch." Für den sind beispielsweise die anders aufgebaute Küche mit fremden Geräten und ein weitgehend fremdes Team der abenteuerlichere Part. Das macht Steffen Szabo, der Vorspeise, ersten Gang und Dessert aus Oberfranken mitbrachte, keine Angst: „Ich bin manchmal sehr flippig, mache das, worauf ich Lust habe und was mir in den Sinn kommt."
Zeitraum ist sehr Familienfreundlich
Warum also nicht ein zweites Mal ausprobieren, was schon beim ersten Mal Spaß bereitete? „Wir haben erst vor zwei Wochen das erste Mal außer Haus gekocht." Szabo hatte bislang in Coburg mehr als genug zu tun. Das „Esszimmer" ist gefragt, insbesondere seit der 28-Jährige vor drei Jahren mit seinem Team einen Stern erkochte. Alexander Koppe und er lernten einander beim „Gipfeltreffen" der Sterneköche im vergangenen Jahr kennen und schätzen. Zumindestens einer aus dem achtköpfigen „Skykitchen"-Team ist Szabo nicht ganz unvertraut: „Mein ehemaliger Chef-Saucier ist gerade in Berlin. Ich habe ihm gesagt, dass er gleich mitmachen kann." Wie gut das funktioniert, stellt Szabo im ersten Gang bei der pochierten Fjordforelle, die sich von einer Mousse von der grünen Tomate und von gebeiztem Paprika begleiten lässt, unter Beweis. Zuvor hatte Alexander Koppe mit der Eleganz-Version von „Himmel und Erde" aus der Küche gegrüßt: Ein Hubbel glanzlackierter Blutwurstcreme trägt einen Zwiebelring-Heiligenschein und wird von einer Apfelsphäre und einem Apfelconfit flankiert. Ein Biss, der Geschmack explodiert, und der Happs ist weg.
Während wir in angenehmster Gesellschaft bei dem einen oder anderen Glas Champagner hin- und herplaudern, probieren wir uns durch die zahlreichen hausgemachten Brote, die uns Patissier Vincent Krawczyk freigiebig ins Holzkästchen legt. Eine begeisterungswürdige Rote-Bete-Butter, die ihre Intensität aus einreduziertem Bete-Saft gewinnt und mehr mit fruchtigen Himbeeren als mit erdiger Knolle zu tun hat, fordert unsere ganze Aufmerksamkeit – bloß nicht zu viel davon essen! Da kommt noch was!
Wir lassen den Blick durch den an drei Seiten von Himmel umgebenen Raum und an die anderen Tische schweifen. Lachen, manchmal lebhaftes, manchmal stilleres Genießen. Das „Brinner" ist kein steifes Format, sondern großer Spaß zur familienkompatiblen Zeit zwischen 15 und 19 Uhr. Eine Freundesgruppe hat sich um den runden Tisch in der einen Ecke versammelt; ein alleinspeisender Herr sitzt im „Küchenuhr-Museum" in der anderen. Ein Paar lässt sich’s an einem der in die Fenster gehängten Holztische mitten in der Aussicht gutgehen; eine muntere Familie mit Kind hat sich hinter uns eingefunden. Der Service ist immer im rechten Moment da, mit einem neuen Gericht, einem Getränk und einem Scherz, einer Info oder einem Spruch auf den Lippen. Gut gelaunt und mit dem Talent gesegnet, die Gäste in einen leichtfüßigen Zustand der Entspannung zu versetzen.
Man merkt, dass die Teams um Gastgeberin Barbara Merll an der „Wein-Kommode" im Eingangsbereich und um Alexander Koppe am Herd gern miteinander arbeiten, seit Langem aufeinander eingespielt sind und Lust haben, den Gästen einen maximal angenehmen und zwanglosen Nachmittag zu bereiten.
Beim pochierten und gebeizten Bio-Ei mit Sellerie-Trüffeln ist Gastkoch Steffen Szabo gleich wieder dran. Ein Bissen Selleriecreme, ein Happs vom Selleriechip, ein bisschen Ei und das eine oder andere Scheibchen Trüffel – was braucht es mehr zum schlichten kulinarischen Glück? Beim Fleischgang übernimmt Hausherr Koppe: Kalbsfilet mit Steinpilz, Schwarzwurzel und drei schmucke Vogelbeeren locken den Herbst auf die weißen, wolkenförmigen Teller. Die gekochten Beeren setzen einen säuerlich-herben Akzent zu Filet und „den Bobbeln, die Alex so gerne macht", wie Barbara Merll sagt. Die „Tischtennisbälle" sind mit „pulled Ochsenschwanz" gefüllte und ausgebackene Kugeln, die den Geschmack vom Ochsenschwanz einschließen, um ihn krachend erst im Mund des Gastes freizulassen.
Fruchtiger Glücksrausch
Nach einer weiteren Schwatzpause schließt sich der schickste Teller des Nachmittags an. Alexander Koppe hat sich, frei nach Ursus Wehrlis „Kunst Aufräumen", an den Käse-Gang gemacht und schickt ein grafisches Arrangement in einer Ecke des quadratischen Tellers. Ein Taler Haselnussstaub bildet die Unterlage für eine geflämmte Creme von sehr jungem Appenzeller. Geeiste Brombeerperlen spielen violette Regentropfen auf dem weißen, quadratischen Porzellan. Wir zerstören das Kunstwerk mit dem Löffel und ebenso gern mit dem dazu gereichten Früchtebrot, um noch den letzten Rest Creme zu erwischen. Steffen Szabo versetzt uns anschließend mit seiner durch Himbeere und Rote Bete in einen roten Zustand transformierten weißen Schokolade in einen monochromen, fruchtig-schmelzigen Glücksrausch – so wie sich das für ein fein nuanciertes Dessert gehört.
Damit wir nicht vor Glück und Genuss platzen, suche ich Sommelier Jakub Koszielniak auf. Da war doch was mit Quitten in einem Glasgefäß? Es handelt sich um ein hausgemachtes „Schnäpperken": Nach dem Rezept seiner Mutter wird aus gezuckerten Quitten 24 Stunden lang Saft gezogen. Anschließend werden die Früchte mit 45-prozentigem Wodka aufgegossen. Fertig ist der Digestif im polnischen Stil. „Und dann fangen wir gleich an zu singen", sagt ein Gast, der den Erklärungen zugehört hat. „Nein, am Ende hat das nur 38 bis 40 Prozent", sagt Koszielniak. Das Getränk ist nicht süßlich, sondern fruchtig. Es erfüllt mit unmerklichem Alkohol seinen Job als eleganter Verdauungsschnaps.
Doch wo ist eigentlich „Mama Koppe"? Edeltraut Koppe hatte eine Weile den „Berliner Mittagstisch" in der „Skykitchen" als Gastgeberin geleitet. „Meine Mutter ist bei ihrer Enkelin", sagt Alexander Koppe, der nun einmal im Quartal das „Brinner" anbietet. Edeltraut Koppe hat sich im Sommer nun endgültig in die Vollzeit-Freizeit verabschiedet. So hat sie allerdings die Chance, gelegentlich sonntags selbst bei ihrem Sohn zu Gast zu sein – beim nächsten „Brinner" am 9. Dezember etwa. Alexander Koppe hat sich Franz Berlin von „Berlins Krone" aus dem Nordschwarzwald als nächsten Gastkoch mit Sternenstaub eingeladen. Herd und Karte werden erneut freundschaftlich geteilt und bestückt. Eines steht fest: Noch Berlinischer kann’s in der „Skykitchen" dann wirklich kaum mehr zugehen.