Nach der Heimniederlage gegen Leipzig tritt Hertha BSC in Düsseldorf gegen seine Sieglos-Serie an – und hat dabei auch eine Baustelle abseits des Spielfelds zu bearbeiten.
Ein wenig dürften die 60.000 Zuschauer schon zu Beginn des Spiels am vergangenen Samstagabend ein Déjà-vu-Gefühl gehabt haben. Im Berliner Olympiastadion waren Hertha BSC und RB Leipzig zuvor ja überhaupt erst zweimal aufeinandergetroffen – beide Male behielt RB dabei nicht nur die Oberhand, sondern aus Berliner Sicht auch noch schmerzhaft hoch. Anfang Mai 2017 siegten die Leipziger mit 4:1, zum Saisonausklang 2017/18 vor einem halben Jahr vermiesten sie Hertha BSC einen versöhnlichen Abschluss durch einen 6:2-Erfolg. Auch diesmal starteten die Gäste aus der Messestadt wie die Feuerwehr und erwischten die Blau-Weißen zunächst auf dem falschen Fuß. Nach nicht einmal einer Minute musste Hertha-Torwart Rune Jarstein bereits eine Glanzparade bei dem Schuss von Leipzigs Timo Werner zeigen, um Schlimmeres zu verhindern. RB Leipzig blieb aber am Drücker – und ging folgerichtig nach sieben Minuten in Führung. Wieder herrschte Tohuwabohu im Strafraum bei einer Eingabe: Maximilian Mittelstädt prüfte in Bedrängnis zunächst seinen eigenen Torwart und irritierte ihn anschließend bei dem Versuch, den Ball unter Kontrolle zu bekommen. Werner erkannte die Gelegenheit und beförderte den Ball zum 0:1 ins Tor. Auch in den folgenden Minuten brachten die Sachsen Hertha kräftig ins Schwitzen – und weckten so ungute Erinnerungen an die letzten zwei Gastspiele an der Spree.
Seit vier Spielen ohne Sieg
Als richtungsweisend war die Partie im Vorhinein bewertet worden: Nur der Sieger des Duells würde schließlich unmittelbar in der Spitzengruppe bleiben können. Hertha BSC stand dazu – trotz des Punktgewinns in Dortmund – nach drei Zählern aus drei Partien durchaus etwas unter Druck, mal wieder ein „echtes" Erfolgserlebnis zu feiern. Herthas Trainer hatte im Vorfeld von einem „guten Gefühl" gesprochen – umso unverständlicher, dass sich die Mannschaft dann gleich zu Beginn so überrumpeln ließ. Dardai setzte dabei seine Systemrotation der englischen Woche fort: Nach dem defensiv stabileren 3-5-2 in Dortmund (2:2) ließ der Ungar im Pokal in Darmstadt (2:0 gewonnen) mit dem dominanteren 4-4-2 aufspielen. Gegen Leipzig aber ließ der Hertha-Coach quasi mit einer Mischung aus beiden Taktiken beginnen: einem 3-4-3 mit Salomon Kalou und Maximilian Mittelstädt als Außen in der Offensive. Damit war auch die Frage beantwortet, ob Dardai Mittelstädt dem zuletzt in der Liga pausierenden Marvin Plattenhardt vorziehen würde: Beide kamen zum Einsatz – „Platte" auf links defensiver ausgerichtet. Allerdings sah sich Hertha alsbald gezwungen, mit anderen Mitteln gegen den starken Gegner vorzugehen: Dardai stellte auf Viererkette um, seine Mannschaft biss sich nach etwa 20 Minuten ins Spiel hinein. Kapitän Vedad Ibisevic setzte mit seiner Gelben Karte quasi das Zeichen. Der technisch beschlagene Widersacher zeigte daraufhin tatsächlich Wirkung, der Ausgleich vor dem Pausentee wäre mehrfach möglich gewesen. Ibisevic und Kalou agierten allerdings – anders als zuletzt – ohne Fortune in der Spitze. So blieb es beim 0:1 zur Halbzeit.
Die durchaus noch aussichtsreiche Situation verspielte Hertha dann zu Beginn der zweiten Hälfte, als der Gegner in den Anfangsminuten wieder Vorteile besaß – und mit dem 0:2 erneut durch Werner frühzeitig die Weichen auf Auswärtssieg stellte. Der Rest war dann beinahe Schaulaufen, einmal mehr präsentierte sich RB Leipzig in Berlin als nicht zu knacken. Bei allen Fortschritten, die Hertha BSC diese Saison bereits präsentiert hat, kommt man nun in eine entscheidende Phase der Hinrunde: Vier Spiele ohne Sieg dämpfen inzwischen die Euphorie. Das Team muss sich nun durchbeißen – gerade beim kommenden Spiel in Düsseldorf. Ein Sieg ist nötig, schließlich ist die Fortuna ein Abstiegskandidat, und vor der Länderspielpause wäre ein Dreier enorm wichtig. Die Partie steht allerdings auch in anderer Hinsicht unter schwierigen Vorzeichen. Im Mai 2012 waren Hertha BSC und Fortuna Düsseldorf bekanntermaßen Kontrahenten in der Relegation, bereits im Hinspiel in der Hauptstadt (1:2) kam es zu Tumulten. In Düsseldorf allerdings endete die Partie im Chaos – erst hatten Hertha-Fans eine zwischenzeitliche Unterbrechung verursacht, kurz vor Ende stürmte dann der Fortuna-Anhang das Spielfeld, um den Aufstieg zu feiern. Seitdem gilt das Verhältnis beider Fanlager als zerrüttet. Nun steht in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt das erste Aufeinandertreffen seit den unrühmlichen Spielen vor sechs Jahren an.
Fan-Problematik zur sportlichen Unzeit
Auf Berliner Seite brodelt es dabei schon seit einiger Zeit unter den Fans – dem harten Kern sind mal die Imagekampagnen des Vereins zu anbiedernd, mal beschweren sie sich über die unabgesprochene Änderung des Einlauflieds. Zuletzt gab es allerdings auch massive Keilereien unter maßgeblicher Beteiligung von Berliner Fans: Im Oktober griffen Vermummte nach dem Testspiel beim Regionalligisten Babelsberg 03 eine Fan-Kneipe an. Dann lieferte eine Gruppe gewaltbereiter Hertha-Fans in Dortmund ein düsteres Schauspiel ab, als man Einsatzkräfte während des Spiels massiv angriff und dazu für erheblichen Sachschaden sorgte. Probleme rund um das „Risikospiel" von Hertha in Düsseldorf sind also mehr als wahrscheinlich. Dazu könnte sich der Hertha-Tross wieder eines Stimmungsboykotts aus dem eigenen Lager ausgesetzt sehen. Um keine Zweifel an ihrer Haltung zu den Vorkommnissen von Dortmund aufkommen zu lassen, hatten sich die Verantwortlichen von Hertha BSC ja bereits im Heimspiel gegen Leipzig für Sanktionen gegen die Fans entschieden – Banner, Spruchbänder oder etwa Blockfahnen müssen bis auf Weiteres aus dem Olympiastadion draußen bleiben. Maßnahmen, die ebenso wie die eindeutige Positionierung von Manager Michael Preetz für weitere Differenzen sorgten. Gegen RB Leipzig musste das Team jedenfalls ohne Anfeuerung aus der Fankurve auskommen.
Die ganze Problematik baut sich dabei zur sportlichen Unzeit auf. Schließlich haben die Blau-Weißen mit ihrem guten Fußball zu Saisonstart die Anhänger hinter sich gebracht und benötigen deren Rückhalt nach vier Spielen ohne Sieg nun ganz besonders. Ohne Unterstützung kein Erfolg – auch das war schließlich am Ende ein Aspekt der 0:3-Niederlage gegen Leipzig.