Der Parteitag in Hamburg wird für die CDU ein Wendepunkt. Personell sowieso, ob auch inhaltlich, ist noch offen. Die Arbeit am neuen Grundsatzprogramm hat erst begonnen. Nadine Schön, Fraktionsvize im Bundestag, über AKK als Idealbesetzung an der Parteispitze, die innerparteiliche Integration der Flügel und den Markenkern der Union.
Frau Schön, Ende Februar wurde Annegret Kramp-Karrenbauer zur CDU-Generalsekretärin gewählt, heute ist sie Kandidatin für den Chefposten der Partei… War Ihnen schon vor einem Dreivierteljahr klar, dass das Ende der CDU-Parteivorsitzenden Angela Merkel eingeläutet würde?
Wir sind in einem Prozess der Erneuerung, und das war mir damals schon bewusst. Dieser Prozess der Erneuerung hat ja schon mit der Bildung des Bundeskabinetts Anfang des Jahres angefangen – sowohl im Hinblick auf die Ministerriege als auch auf Staatssekretärsebene. Und parallel dazu hat sich auch die Partei erneuert mit der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur Generalsekretärin. Dass es dann so schnell gehen und sich die Frage nach dem Parteivorsitz stellen würde, das hat mich dann aber schon überrascht.
Angela Merkel hat ja inzwischen die lange beibehaltene Einheit von Parteichefin und Kanzlerin aufgehoben, das eine Amt vom anderen getrennt. Ist das nicht ein Widerspruch?
Nein, das ist kein Widerspruch. Der Kanzlerin ist klargeworden, dass die Erneuerung der Partei weitergehen muss, und darum hat sie die klare Konsequenz gezogen und ihren Rücktritt als Parteivorsitzende erklärt. Ich finde, das war ein kluger Schachzug, den ich nachvollziehen kann.
Eingeläutet wurde diese Entwicklung ja mit der Wahl von Ralph Brinkhaus zum Fraktionschef der CDU–Bundestagsfraktion, oder?
Das sehe ich nicht so. Ralph Brinkhaus hat sich selbst zu keinem Zeitpunkt gegen Angela Merkel positioniert, sondern immer betont, dass er mit der Kanzlerin vertrauensvoll zusammenarbeiten will, was er im Übrigen auch tut. Da ging es einzig und allein um die Aufstellung an der Fraktionsspitze und die Arbeitsweise der Fraktion insgesamt, und da war die Mehrheit meiner Kollegen der Meinung, dass es auch hier zu einer Erneuerung kommen müsse. Ich selbst habe für Volker Kauder gestimmt, weil ich persönlich der Auffassung bin, dass Partei und Fraktion ihm sehr viel zu verdanken haben. Da hätte ich ihm einen anderen Abgang gewünscht. Und dennoch arbeite ich mit Ralph Brinkhaus hervorragend zusammen. Er macht seine Sache exzellent und hat tatsächlich neuen Schwung in die Fraktionsarbeit gebracht.
Am kommenden Wochenende ist der wichtige CDU-Parteitag in Hamburg – und ein Thema dort wird auch der derzeit heiß diskutierte UN-Migrationspakt sein. Wie sollte sich Deutschland Ihrer Meinung nach verhalten: noch im Dezember unterschreiben oder doch noch mal drüber nachdenken und erst im nächsten Jahr unterzeichnen?
Wir als Deutsche müssen mit viel mehr Selbstbewusstsein an dieses Thema rangehen. Denn es geht ja vor allen Dingen darum, dass die internationalen Standards durch den UN-Migrationspakt angenähert werden. Denn Deutschland erfüllt diese Anforderungen ja bereits seit vielen Jahren, jetzt sollen die anderen Länder endlich nachziehen. Wir leben in einer globalisierten Welt. Genau hier muss die Staatengemeinschaft gemeinsam ansetzen, um die Probleme zu lösen. Meines Erachtens ist der UN-Migrationspakt ein erster, aber sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um Fluchtursachen gemeinsam effektiv zu bekämpfen und eine gesteuerte Migration von Fachkräften zu ermöglichen.
Mit Spannung erwarteter Hauptpunkt in Hamburg wird die Wahl der neuen CDU-Parteiführung sein. Wohin geht die Reise? Was will die Basis, was will die CDU als Partei?
Ich denke, die CDU ist die Partei der Mitte und soll es auch bleiben. Allerdings müssen wir wieder mehr den Markenkern unserer drei Flügel und damit die gesamte Bandbreite von wertkonservativen über die liberalen bis zu den christlich-sozialen Strömungen in unserer Partei stärker betonen und zusammenführen. Das macht die Stärke der CDU aus und unterscheidet uns von den anderen Parteien. Wenn uns das wieder gelingt, werden wir die Menschen auch wieder überzeugen. Wir sind die Partei der inneren Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit ebenso wie des sozialen Zusammenhalts und der wirtschaftlichen Kompetenz.
Wenn Sie sich die Kandidaten für den Parteivorsitz ansehen: Was spricht für Jens Spahn?
Das Gute ist doch, dass wir gleich drei exzellente Bewerber um die Parteispitze haben. Jens Spahn ist ein innovativer Kollege und sehr engagierter Bundesgesundheitsminister, der in seinem Ressort bereits nach kurzer Zeit sehr viel angepackt und auf den Weg gebracht hat.
Und Friedrich Merz?
Friedrich Merz ist sicherlich ein kluger Kopf mit hohen analytischen Fähigkeiten. Zudem ist er Vorsitzender der Atlantik-Brücke, also ein Mann der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft.
Kramp-Karrenbauer ist vom saarländischen Landesverband einstimmig nominiert worden, erhält Unterstützung von der Frauen-Union. Deswegen frage ich Sie mal anders herum: Was könnte gegen AKK als CDU-Vorsitzende sprechen?
(lacht) Aus tiefster Überzeugung und weniger als Saarländerin gibt es aus meiner Sicht keinen Punkt, der gegen Annegret Kramp-Karrenbauer spricht. Ich halte sie für die mit Abstand beste von drei guten Kandidaten. AKK ist genau die Richtige, den Aufbruch in der Partei mutig und entschlossen zu gestalten. Sie ist nervenstark mit klarer Haltung und versteht es wie kein anderer Kandidat, inhaltliche Akzente und neue Impulse zu setzen, aber gleichzeitig zu integrieren. Darüber hinaus verfügt sie über sehr viel politische wie auch Regierungserfahrung und ist nah an den Menschen. AKK lässt sich auf sie ein, kann zuhören und hat ein Gefühl dafür, was die Menschen umtreibt. Ich bin der festen Überzeugung: Annegret Kramp-Karrenbauer ist die Idealbesetzung – menschlich und politisch.
Dennoch: Würde Friedrich Merz als CDU-Chef gewählt, geriete womöglich die gesamte Machtbalance durcheinander. Friedrich Merz als Parteichef und Ralph Brinkhaus als Fraktionschef würden doch den Führungsanspruch von Angela Merkel komplett unterlaufen – wäre sie damit als Kanzlerin nicht mehr handlungsfähig?
Wichtig ist eine innerparteiliche Geschlossenheit, insbesondere in der Führungsmannschaft. Die Union darf sich an der Spitze nicht dauerhaft mit sich selbst beschäftigen, sondern alle müssen an einem Strang ziehen und zusammenstehen. Nur dann sind wir stark. Im Übrigen ist das auch eine entscheidende Voraussetzung, dass man sich auf die inhaltlichen Themen konzentrieren und neue Impulse setzen kann. Eine solche Stabilität braucht es, um die Inhalte in Regierungshandeln umsetzen zu können. Das ist es, was die Menschen wirklich interessiert, und darauf haben sie auch einen Anspruch.