Anne Haug sorgte mit ihrem dritten Platz beim Ironman auf Hawaii für eine große Überraschung. Nun soll nach dem Debüt auf der Langdistanz der große Angriff folgen.
Alleine beim Lesen der zurückzulegenden Distanzen, dürfte der ein oder andere schon ins Schwitzen kommen. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und zum krönenden Abschluss dann noch einen schönen Marathon mit 42 Kilometern Laufstrecke. Eine der wenigen positiv verrückten Athletinnen, die sich dieser Distanz gestellt haben, war Anne Haug. Die diplomierte Sportwissenschaftlerin ist eigentlich auf der olympischen Distanz zu Hause, wechselte aber zuerst auf die Mitteldistanz und konnte bei ihrem ersten Lauf den „Ironman 70.3" auf Lanzarote gewinnen. Die 35-Jährige setzte aber Mitte Oktober noch einen drauf und wurde in der Wüste von Hawaii bei unmenschlichen Temperaturen sensationell Dritte – bei ihrem ersten Ironman und ohne zu wissen, was auf sie zukommen sollte.
Als sie an diesem Tag über die Ziellinie lief, wollte bei ihr aber nicht sofort die große Freude über das Erreichte aufkommen. Die Mundwinkel zogen sich schmerzverzerrt zur Seite, von einem Lächeln war weit und breit nichts zu sehen. Die letzten Meter stolperte sie fast ein wenig desorientiert – nach solch einer enormen Belastung jedoch ein völlig normales Bild. „Mein Hals fiel auf den letzten Kilometern fast nach hinten, da musste ich mich echt zusammenreißen", sagte sie nach dem Rennen. Dabei strahlte sie vor Glück – oder wegen der großen Vorfreude auf die Pizza und ihre Couch, wie sie nebenbei noch erwähnte.
Grund zum Strahlen hatte sie nach dem Rennen aufgrund ihrer Leistung eigentlich genug: Mit einer Zeit von 8:41:58 hätte sie den alten Streckenrekord um fünf Minuten unterboten. Siegerin Daniela Ryf war leider bereits 15 Minuten vor Haug über die Ziellinie gelaufen. Hinter ihr kam die Britin Lucy Charles. Bis Anne Haug nachvollziehen konnte, welch große Leistung sie dabei erbracht hat, mussten noch einige Stunden vergehen. Hawaii gilt unter den Extremsportlern als härtestes Ironman-Rennen der Welt. In der Wüste herrschen teilweise 50 Grad, die neben der sowieso schon enormen Belastung zusätzlich auf den Körper einwirken. Vorher lief Haug nur einen Ironman in Frankfurt am Main. Die Einordnung des Rennens auf Hawaii wurde im Vorfeld klar festgelegt: als Schnupperausflug in die Langdistanz – nicht mehr und nicht weniger. In dieser Saison war die gebürtige Bayreutherin nämlich noch im Weltcup auf der olympischen Distanz unterwegs und ist absoluter Neuling auf den Halb- und Voll-Ironmanstrecken. Anstatt sich aber zu sehr den Kopf über die klimatischen Bedingungen zu zerbrechen, setzte die 35-Jährige auf das genaue Gegenteil: Ungewissheit. „Ich wollte mich völlig überraschen lassen", sagte Haug, die übrigens im Saarland lebt und auch trainiert. Anstatt, wie üblich, die Radstrecke bis zum Wendepunkt abzufahren oder sich zwischen Lavafeldern für den Marathon zu akklimatisieren, wählte Haug dagegen lieber ihr vertrautes Umfeld. Die meiste Zeit verbrachte sie zu Hause und radelte im häuslichen Schatten, da sie sich dort „sicher gefühlt habe". Dennoch, aufgrund der enormen Hitze muss sich der Körper an die Gegebenheiten anpassen, dazu reichten aber ein Trainingslager auf Lanzarote und zwei Wochen in Kona auf Hawaii aus. Auf dem ersten Teil der Radstrecke während des Rennens gelang es ihr sogar, sich ein wenig auszuruhen. Ihr Trainer hatte nämlich Angst, sie könne von der Kurz- beziehungsweise Mittelstrecke kommend zu Beginn ein wenig überschnell sein. Das passierte nicht, Anne Haug wurde Dritte und ist nun um eine Erfahrung reicher, um im kommenden Jahr dann erneut das Podium in Angriff zu nehmen.
Positive Nachrichten vom Olympia-Stützpunkt
Kurioserweise war Haug noch gar nicht zu dem typischen Ironman-Training gekommen, wie sie in einem Interview erklärte. Im Jahr 2018 war sie eigentlich auf die Mitteldistanz fixiert. „Das will ich jetzt in diesem Winter angreifen." Den großen Unterschied in der Trainingsarbeit beschreibt die 35-Jährige so: „Auf der olympischen Distanz bewegt man sich in jedem Moment am Maximum, und auf der Langdistanz muss man dagegen mit jedem einzelnen Korn haushalten. Es ist eine Umstellung vom Ferrari auf einen Diesel."
Diese Umstellung vollzog sie vor allem im Saarland, wo sie an der Hermann-Neuberger-Sportschule trainiert. Gerade dort ist dieser Erfolg mit Freuden aufgenommen worden. „Ich bin sehr froh, dass Anne Haug das Saarland und unsere Sportschule so herausragend in der Welt repräsentiert hat und gratuliere ihr von ganzem Herzen für diesen Erfolg", erklärte Adrian Zöhler, der neue LSVS-Präsident. Auch Leistungssportreferent Dirk Mathis war von der Leistung der Sportlerin sehr angetan, sieht darin auch positive Auswirkungen für den kriselnden Landessportverband: „Zwar ist diese Ironman-Distanz nicht olympisch, das schmälert aber die Leistung von Anne nicht im geringsten. Das große mediale Interesse an ihr zeigt, welch tolle Leistung sie in Hawaii erbracht hat. Wir vom Landessportverband des Saarlandes sind sehr froh, dass wir sie auf diesem Weg begleiten durften und weiter begleiten werden. Für viele Menschen die hier arbeiten und ihr Herzblut in diese Sache stecken, war es zudem wichtig, auch mal positiv in Erscheinung zu treten. Dafür sind wir Anne dankbar." Sichtlich erfreut über diese warmen Worte stellte Haug zudem die herausragenden Trainingsbedingungen an der Sportschule in den Vordergrund.
Für sich persönlich ordnet die Triathletin den Erfolg anders ein als bei einer gesamten Saison: „Dafür muss man über eine ganze Saison immer topfit sein, weil man immer auf die gesamte Weltelite trifft. Und es geht auf der kurzen Strecke um Sekunden. Das ist ein viel intensiverer Kampf Mann-gegen-Mann. Auf der Langstrecke kämpft man dagegen mehr gegen sich selbst."
Andererseits erreiche der klassische Ironman noch mehr öffentliche Wahrnehmung: „Man hat mehr Bezug zu den vielen Amateuren, mit denen man auf dieselbe Strecke geht. Die können das alles aus eigener Erfahrung einordnen." Auch an der Resonanz der Medien an ihrem Ironman-Erfolg lasse sich die Popularität dieses legendären Wettkampfes ablesen: „Dazu hat es bestimmt auch beigetragen, dass in den letzten fünf Jahren immer Deutsche gewonnen haben."