Seit Maja Sommer Samuelsen im „Sæson" in Tiergarten die Regie übernahm und seither internationale Wohlfühl-Klassiker in Bio-Qualität auftischt, sind Familien und Nachbarn regelmäßig Gäste im Restaurant an der Potsdamer Straße.
Das „Sæson" im Lulu Guldsmeden Hotel an der Potsdamer Straße empfiehlt sich für den unkomplizierten Besuch für jeden Tag. Und – unter der neuen Regie von Maja Sommer Samuelsen in der Küche – insbesondere für Salate und gemüsige Vorspeisen. Die sind nämlich prima. Die 28-Jährige ist dabei noch recht frisch im Geschäft, zumindest was die volle Verantwortung als Küchenchefin angeht. Als Köchin und an der Seite des vorherigen Küchenchefs René Beck Hansen ist sie aber schon seit der Eröffnung des Boutique-Hotels Anfang 2018 dabei. Hansen hatte auf eine neue, zeitgenössische nordische Küche im „Sæson" gesetzt. Im Spätsommer entschloss er sich jedoch, seine Zelte in Berlin abzubrechen und auf Weltreise zu gehen. Maja Sommer Samuelsen übernahm kurzentschlossen und in herzlich-pragmatischer dänischer Art die Küche. Sie und ihr Team bieten nun eine international verständliche, zwanglose Wohlfühlküche für jedermann an.
Dass Maja Sommer Samuelsen keine klassische Kochausbildung mit Abschluss und Auszeichnungen hat, soll nicht weiter stören – so wurde schließlich schon so manche Länderküche andernorts erfolgreich begründet. Die Entscheidung von Hoteldirektor Marc Lorenz, auf ein Eigengewächs zu setzen, ist eine zweifach kluge: Dem Fachkräftemangel wird ein Schnippchen geschlagen, und eine weitere junge, leidenschaftliche Köchin betritt die Küchenbühne in exponierter Position. Vielleicht ist die nördliche „Potse" einfach ein gutes Umfeld für ambitionierte junge Frauen am Herd – Dalad Kambhu im „Kin Dee" und Sophia Rudolph im „Panama" sind Nachbarinnen.
„Ich habe mit René den besten Lehrmeister gehabt", sagt Maja Sommer Samuelsen. „Es hat mir gut gefallen, dass er richtig nordisch kocht. Es ist ziemlich simpel und rustikal, schmeckt aber hinterher fantastisch." Sie sagt, sie koche „verspielter". Vielleicht so wie beim Rote-Bete-Carpaccio? Die Wurzeln werden in Johannisbeer-Grapefruit-Saft eingelegt und zwanglos mit Sesam, Brombeeren, Koriander und Ziegenfrischkäse kombiniert. Das hat frischen Drive, isst sich mit dunkler Beere, cremiger Ziege, leisem Crunch und der Nussigkeit vom Sesam munter weg. Nächstes Schälchen, bitte! Ach nein, wir wischen doch lieber noch mit dem hellen Sauerteigbrot von „The Bread Station" die Reste des Dressings auf. Schwenken dann nahtlos zum folgenden Schälchen um, in dem sich nicht viel mehr als eine gezupfte Burrata, Kirschtomaten, ein bisschen Rucola und Basilikum einfinden. Den besonderen Kick bringen jedoch Kapern ans Gericht – das merken wir uns gern zur häuslichen Veredelung des sahnigen Frischkäses. Es klingt alles wirklich simpel – aber darauf kommen muss man eben erst einmal.
Fast alles aus biologischem Anbau
Parallel dazu liegt der Fokus auf einer hohen Produktqualität. Beinah alles stammt aus biologischem Anbau oder Tierhaltung. Wo immer möglich, werden Fair-Trade-Produkte und Fisch nur nach aktuellen WWF-Richtlinien bezogen. Man arbeitet eng mit Erzeugern aus der Region zusammen. Versteht sich, dass das vom dänischen Architekten Marc Weinert und seiner Frau Sandra betriebene Lulu Guldsmeden Hotel in dem Berliner Altbau und das „Sæson" im Erdgeschoss auch optisch angenehm, originell und qualitätvoll gestaltet sind. Ich schaue fasziniert auf die schillernden grün-blauen Fliesen, die wie ein Fischschwarm den Bar-Sockel entlang zu schwimmen scheinen. Der Raum ist dunkel gestrichen, wirkt aber durch papierene Lampen unter der Decke und abwechslungsreiche Durchblicke in Nachbarräume und in die beinah offene Küche überhaupt nicht so.
Die Stimmung ist gut – neben uns verzehrt ein alleinspeisender Mann sein Rib Eye Steak aus dem Brandenburgischen mit handgeschnittenen Pommes und Salat. An der Bar haben jüngere Hotelgäste ihren Spaß mit Kaltgetränken und guter Laune. Offenbar haben wir bei unserem Besuch Anfang November gerade den ganz großen Trubel verpasst: „In den Herbstferien war halb Dänemark da", sagt Maja. Vor allem Familien mit Kindern. Und das „Sæson" konnte zeigen, was es drauf hat: „Da ging unheimlich viel Lasagne." Ja. Lasagne. Mit Bolognese, wahlweise vegetarisch. Kinder glücklich, Eltern glücklich. Oder Burger aus Havelländer Rindfleisch, die mit Aioli, Zwiebeln und Essiggurke und Salat ebenso erfreuen. Das alles erfindet für neun bis zwölf Euro die kulinarische Welt nicht neu, sorgt aber unverzüglich für Zufriedenheit und Familienfrieden, wie die Begleiterin, selbst Mutter zweier Teenager, bemerkt. „Davon gibt’s viel zu wenig, wo doch inzwischen alles immer ganz neu und besonders sein muss."
Was prima funktioniert und in hervorragender Qualität vorhanden ist, holt sich das „Sæson" von bewährten Partnern dazu: Brot und die Brownies zum Dessert von „The Bread Station" am Maybachufer beispielsweise. „Eine dänische Bäckerei", merkt Maja an. Stimmt, Per Brun kommt aus Kopenhagen. Zum üppigen Schokoküchlein gesellt sich eine Kugel Vanille-Eis von „Rosa Canina". Die Spezialisten für feines Eis liefern ebenso die tiefrosa Kugel Beerensorbet fürs zweite Dessert. Sie darf es sich mit Gebäckstreuseln und komplementärfarbigen Basilikumblättchen im Schüsselchen gemütlich machen – bis wir ihr mit Löffeln zu Leibe rücken.
Der Mittagstisch ist sehr beliebt
Dass das „Sæson" sich mit einem „normaleren" Konzept nördlich der Kurfürstenstraße inmitten von Casual Fine Dining der „Golvet"- und „Panama"-Klasse, gehobener französischer Bistro-Küche in der „Brasserie Lumières", Thailändisch im „Kin Dee" und dem dänisch-japanischen „Sticks ’n’ Sushi" anders und alltagstauglicher positioniert, blieb auch in den vielen Büros in der Nachbarschaft nicht unbemerkt. Es ist zum beliebten Anlaufpunkt für den Mittagsstopp geworden. Im Sommer wird gern auf der zur Potsdamer Straße hin zwar lauten, aber auch lebendigen Terrasse oder im ruhigen Innenhof gespeist.
Unkompliziertheit hat auch mittags Vorfahrt: Montags ist Lasagne-Tag, dienstags gibt’s Kabeljau mit Ofengemüse und Grünkohl-Salat. Mittwochs folgen Schweinefilet mit Kartoffelbrei und Karotten, donnerstags gebratenes Hähnchenbrustfilet mit Caesar Salad und freitags Burger mit Pommes. Die „großen" Mittagsgerichte stehen für 9,50 Euro auf der Karte. Einen Salat der Saison gibt’s für 7,50 Euro, eine Suppe für 6,50 Euro. „Die Suppe muss vegan sein", hat sich Maja Sommer Samuelsen auf die Agenda geschrieben. Saisonal ist sie sowieso – gerade etwa herbstlich mit Topinambur.
Das Küchenteam wuppt das volle Programm aus Abendrestaurant, Mittagessen und Frühstück für die Hotelgäste. Plus den Sonntagsbrunch, der für Erwachsene 25 Euro, für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren die Hälfte und für den noch jüngeren Nachwuchs erfreulicherweise nichts extra kostet. Gut, dass Maja mit der Kanadierin Camille Forest-Labonté ihre verlässliche „Second in Command" in der Küche hat, die zwei bis drei Leute in Aktion dirigiert. „Das klingt doch gleich nach drei Streifen am Ärmel, oder?", sagt Maja lachend. Wir sprechen dem „Sæson" unverzüglich ein zackiges Lob für den Kartoffelstampf mit Schalenstückchen aus. Hört sich „vergessen" an, ist aber Absicht: Warum die geschmackigen Fetzen von der Kartoffelschale nicht mit zerkleinern? „Schale ist für mich rustic", sagt Maja Sommer Samuelsen. Also bäuerlich, rustikal im besten Sinne.
Sonntagsbrunch mit Familienrabatt
Die Schale gibt zusätzliche Textur und Kartoffeligkeit in den Stampf. Majas quetschende und mischende Handbewegungen demonstrieren, wie zupackend es den gekochten Kartoffeln in der Küche an die Knolle geht. Den Abend hindurch begleitet uns ein Pflüger Riesling im Glas. Apfelig, zitronig und gut gekühlt passt er zum puren isländischen Kabeljau mit seinen knusprigen Rote-Bete-Chips und Bronzefenchel-Puder ebenso wie zur vollmundigeren rohen Rote Bete im Carpaccio.
Im Februar erst entschloss sich Maja Sommer Samuelsen: „Das mit dem Kochen, das soll es sein." So richtig, jeden Tag, professionell und mit noch mehr Leidenschaft als zuvor. Vor acht Jahren kam sie aus ihrer kleinen dänischen Heimatstadt Rynkeby auf der Insel Fünen nach Berlin. Ob sie ihr blitzsauberes, akzentfreies Deutsch dort gelernt habe? „Ach, ich hatte nur drei Jahre in der Schule und war da nicht so gut." Maja wollte, wie so viele Neuberliner, „nicht nach Deutschland, sondern nach Berlin. Und dann habe ich festgestellt, dass man da wirklich Deutsch spricht."
Einige des Englischen nicht so kundige Freunde taten ein Übriges; die Grundkenntnisse der Sprache zahlten sich aus. Solide erste Erfahrungen in der Gastronomie und „Küchendisziplin" brachte sie dagegen schon mit nach Deutschland. Während ihrer Schulzeit arbeitete sie in einer Restaurantküche mit und gleich nach dem Abitur noch einmal ein ganzes Jahr in Vollzeit andernorts. „Ich dachte, ich soll studieren, aber das war keine gute Idee", erinnert sie sich. „Ich bin einfach kein Popositz-Mensch." Spricht’s und entschwindet lachend wieder hinter dem offenen Pass in ihre Küche, um sich dort wirbelnd den nächsten Gerichten für ihre Gäste zu widmen.