Daniel Molitor aus Bottrop ist „Veggiekowski". Neben seinem Beruf als Bergmann betreibt der 30-Jährige einen Foodblog, in dem er die Vielfalt der veganen Küche präsentiert.
Der Amerikaner konnte es nicht glauben. Für ihn war es unverständlich, weshalb Daniel Molitor kein Bier trank, keine Zigarette rauchte, ja noch nicht einmal Chips und Burger essen wollte. Fünf Jahre ist das jetzt her, Molitor war damals gerade mit seinen Eltern auf Rundreise in den USA. Der Mann war völlig perplex und nannte den seltsamen Deutschen fortan nur noch „Health Nut", was man wohl am ehesten mit Gesundheitsfreak übersetzen kann. Er wäre wohl noch erstaunter gewesen, wenn er gewusst hätte, welchen Beruf Molitor ausübt.
Der Bottroper ist nämlich Bergmann, er arbeitet als Elektriker unter Tage und ist dort unter anderem für die Wartung der Förderbänder zuständig. Schon sein Urgroßvater war als Bergarbeiter tätig gewesen, wie auch alle Generationen nach ihm. „Er hat damals mitgeholfen, die Zeche aufzubauen und jetzt mache ich hier bald den Deckel drauf", sagt er. Schließlich wird die Kohleförderung in der Region Ende 2018 endgültig eingestellt.
Unter den verbliebenen Bergleuten gibt es immer noch viele, deren tägliche Kost aus Wurst und Schaschlik besteht, aus Pommes rot-weiß oder Eisbein mit Sauerkraut. Bei Daniel Molitor dagegen geht es fleischlos zu. Wenn der 30-Jährige seine Dubbeldose auspackt, wie die Menschen im Ruhrgebiet zur Tupperbox sagen, dann kann er sich sicher sein, dass die Kollegen genau hinschauen. „Wenn ich erzähle, dass ich Veganer bin, dann bekomme ich oft erst einmal Mitleid. So als ob ich an einer unheilbaren Krankheit leiden würde", erzählt er. Gerade in seinem Beruf sei die Annahme immer noch weit verbreitet, dass die einzig wahre Ernährung die fleischliche ist. Allerdings würde sich das gerade ein wenig ändern: „Die Jüngeren achten immer mehr auf eine gesunde Ernährung", hat Molitor beobachtet. Neulich brachte er pflanzliches Mett auf Reiswaffelbasis zur Arbeit mit, die Kollegen durften sich bedienen. „Den meisten ist gar nicht aufgefallen, dass es kein richtiges Mett war", sagt er. „Solche Momente sind toll, weil sie zeigen, dass man auch mit veganer Ernährung auf nichts verzichten muss."
„Oft bekomme ich erst Mitleid"
Als „Veggiekowski" betreibt Daniel Molitor nebenbei einen Foodblog auf Facebook, zudem veröffentlicht er regelmäßig Videos zur veganen Küche auf Youtube. Nicht, um andere zu missionieren. Seine Freundin zum Beispiel isst, wenn sie bei ihren Eltern zu Besuch ist, immer noch Fleisch. „Ich akzeptiere das", sagt Molitor. „Ich verurteile niemanden, der nicht vegan oder vegetarisch lebt. Aber ich möchte mit meinen Beiträgen dazu beitragen, dem einen oder anderen die Augen zu öffnen und ihm zu zeigen, wie vielfältig die fleischlose Küche sein kann."
Als Jugendlicher war Daniel Molitor noch recht pummelig gewesen, weil er regelmäßig Fast Food aß und so gut wie nie selbst gekocht hatte. „Ich habe damals eigentlich nur Mist gegessen", sagt er rückblickend. Später begann er mit Sport, was ihm auch Spaß machte, doch sichtbare Erfolge stellten sich zunächst nicht ein. „Ich war immer noch eine ziemlich schlaffe Nudel", erzählt er. Beim Aufnahmetest für die Grubenwehr, also die Feuerwehr unter Tage, fiel er glatt durch, weil er die eigentlich zweistündige Übung bereits nach 40 Minuten abbrechen musste. „Am fehlenden Sport konnte es nicht liegen, also blieb nur meine Ernährung", so der Mann aus dem Ruhrpott. Fortan achtete er penibel darauf, was er zu sich nahm. Er fing an, sich kohlenhydratarm (Low-Carb) und dafür proteinreich zu ernähren und seine Gerichte im Internet zu posten. So kam er zu seinem ersten Foodblog, für den er den Spitznamen wählte, den man ihm einst in den USA gegeben hatte: „Health Nut". Eines war ihm damals schon wichtig: Sämtliche Rezepte wurden „selbst gekocht, selbst gegessen und selbst für gut befunden", wie er stolz berichtet. Eines seiner Lieblingsrezepte ist eine scharfe asiatische Gemüsesuppe mit Udon-Nudeln, für die er unter anderem Shiitake-Pilze, Zwiebeln, Möhren, Paprika, Mungobohnenkeimlinge und Chilis verwendet. Nachahmer warnt er: „Bei scharfen Chilis sollte die Küche während des Anbratens gut gelüftet werden! Am besten nimmt man einen Mundschutz. Auch beim Schneiden der Chilischoten empfehlen sich Einweghandschuhe."
Bis heute scheut er sich nicht vor kulinarischen Experimenten: „Wenn man erst einmal ein besseres Verständnis hat, was gut ist, dann fängt man auch an, einfach auszuprobieren: Was lässt sich kombinieren, was lässt sich wodurch ersetzen?" Er verschweigt nicht, dass er sich dabei auch immer wieder Fehlgriffe leistete, etwa als er eines Tages Pizzateig aus Sojamehl herstellen wollte, was im Ofen fürchterlich gestunken habe. „Das hat geschmeckt wie ein Schlag ins Gesicht", sagt er.
„Ich wollte ein guter Mensch sein"
Zu diesem Zeitpunkt war seine Ernährung zwar schon ausgewogener und gesünder, aber sein Speiseplan enthielt immer noch Fleisch. Gerade seine Burger haben ihn berühmt gemacht, mit ihnen schaffte er es bis ins WDR-Fernsehen. Dann aber schafften seine Freundin und er sich einen Hund an: Lenny, eine Dackelmischung. „In diesem Moment hat bei mir ein Umdenken stattgefunden. Ich konnte nicht den Hund streicheln und das Schwein oder das Kalb essen. Man kann doch nicht das eine Tier umsorgen und gleichzeitig sagen, alle anderen Lebewesen wären einem egal – das ist doch krank. Ich wollte ein guter Mensch sein, aber in dieser Hinsicht war ich bis dahin eine ziemliche Niete gewesen", sagt er.
Praktisch von einem Tag auf den anderen hörte Daniel Molitor auf, Fleisch zu essen. Schnell merkte er, dass er nichts vermisst. „Es gibt so viele andere leckere Sachen, da muss man nur ein wenig kreativ sein", sagt er. Burger macht er immer noch gern, jetzt eben als Falafel-Burger auf Bohnen- oder Linsenbasis. Seine Fans warten immer schon ungeduldig auf neue Rezepte. Und auch einige seiner Kumpels hat er mittlerweile überzeugt. Zwischen Weihnachten und Neujahr veranstalten sie immer eine Pokerrunde mit Frühschoppen, zu der jeder etwas mitbringt. Im vergangenen Jahr hatte Molitor einen veganen Brunch zubereitet. „Niemand hat gemäkelt, dass ihm etwas fehlt. Ausnahmslos allen hat es geschmeckt."