Seit dem Amtsantritt von Donald Trump haben die USA eine Rückwärtsrolle in der Umweltpolitik vollführt. In den Nationalparks gärt deshalb der Widerstand gegen die eigene Regierung. Ein Besuch in Wyoming, wo in diesem Jahr ebenfalls Waldbrände wie in Kalifornien wüteten.
Der Tod rennt nicht, er schleicht. Bei Windstille kriecht er fast unbemerkt voran, geräuschlos, tückisch, unaufhaltsam. Der Geruch fällt zuerst auf: wie ein Lagerfeuer, nur intensiver. Dann die Sicht. Der stahlblaue Himmel verwandelt sich in ein trübes Grau. Bäume, Berge, Flüsse: Alles versinkt in einer undurchdringlichen Nebelsuppe. Nur dass es kein Nebel ist, sondern Rauch.
September 2018: Das Bridger-Teton-Naturschutzgebiet in Wyoming steht in Flammen. Es ist der größte aktive Waldbrand der USA zu diesem Zeitpunkt. Aus dem gesamten Land wurden Feuerwehrleute, Sanitäter und Lösch-Experten zusammengezogen, um die Flammen zu bekämpfen. Die Helfer campieren auf einem Acker neben dem Highway 191, eine provisorische Siedlung aus Pick-up-Trucks, Zelten und Dixi-Klos. Während am Himmel die Löschflugzeuge kreisen, rattern am Boden die Motorsägen: Gelb gekleidete Feuerwehrleute fällen Jungbäume, damit das Feuer die Straße nicht überquert.
Neu sind solche Katastrophen nicht. 1988 stand ein Drittel des Yellowstone-Nationalparks in Flammen. Nicht wenige beschworen damals den Untergang des ältesten amerikanischen Nationalparks herauf. Doch das Schutzgebiet, ebenfalls in Wyoming gelegen, hat sich wieder erholt. Auch sind Waldbrände nicht ausschließlich schlecht: Das Feuer tötet Borkenkäfer und andere Schädlinge. Und es sorgt für fruchtbaren Boden. Verheerend sind die Folgen vor allem für den Menschen, auch dieses Mal. Mindestens 55 Wohnhäuser und Ranches zerstört, drei Personen verletzt, mehr als 100 evakuiert. Wochenlang hat es keinen Tropfen geregnet.
Die Trockenheit trägt dazu bei, dass sich Waldbrände rascher ausbreiten als früher. Eine aktuelle Studie der Universitäten Berkeley und Wisconsin sieht viele der 417 amerikanischen Nationalparks in Gefahr. Von den Sumpfgebieten der Everglades bis zu den Eisschollen Alaskas leidet die Natur schon heute unter steigenden Temperaturen. Gletscher schmelzen, Bäume sterben, Tiere finden nicht mehr genug Futter. Verantwortlich dafür – da sind sich die Wissenschaftler einig – ist der menschengemachte Klimawandel. US-Präsident Donald Trump sieht das anders. Er hält den Klimawandel für eine Erfindung der Chinesen. Und genau da beginnt das Problem.
Grand-Teton-Nationalpark, 40 Meilen vom Waldbrand entfernt: Park-Rangerin Josie Bryan führt eine Besuchergruppe ans Seeufer, im Hintergrund thront das massive Gebirge. Die Felsen sind grau, nur oben, auf dem Gipfel, sind einige Schnee-Zipfel zu sehen. „Diese ganze Landschaft ist durch die Eiszeit entstanden", erklärt die Rangerin. Sie kramt einen Eiswürfel aus ihrem Rucksack und legt ihn in die Sonne. „Wenn er schmilzt, fängt er an sich zu bewegen. Genau das ist damals passiert."
Lieber keine politische Debatte
Die Szenerie wirkt wie ein Gemälde. Blaues, klares Wasser, steile Berge, saftig-grüne Kiefern. Doch es dauert nicht lange, da wird die Stimmung düster. „Was passiert, wenn die Gletscher weiter schmelzen?", fragt ein älterer Herr, der sich laut Pullover-Aufschrift als „stolzer Amerikaner" versteht. Die Rangerin überlegt. „Ich bin keine Expertin. Niemand weiß genau, was passiert, aber natürlich machen sich viele Sorgen. Halb Idaho wird durch diese Gletscher bewässert." Klimawandel? Trump? Politik? Kein Wort. Auch die Touristen flüstern nur untereinander. Lieber keine Debatte auslösen in der blau-grünen Idylle.
Amerika ist politisch gespalten, der Klimawandel vermintes Gelände. Die Ranger, die in den Nationalparks arbeiten, sind davon direkt betroffen. Ihre ureigene Aufgabe besteht darin, die Natur zu schützen, „damit sie künftigen Generationen unbeeinträchtigt hinterlassen wird". So steht es in der Präambel des Gesetzes, mit dem der National Park Service 1916 gegründet wurde. Über 20.000 Angestellte arbeiten bei der Behörde – „Tree Cops", wie manche Amerikaner sie nennen. Doch die Ranger sind nicht nur Baumschützer, sondern auch Bundesbeamte und damit der Regierung verpflichtet. Der Job bietet eine sichere Rente und eine gute Krankenversicherung, die die Familie einschließt. Nichts, dass man einfach so aufs Spiel setzt.
Eine Rangerin im Yellowstone-Nationalpark drückt es so aus: „Unsere Behörde untersteht dem Innenministerium. Mein oberster Chef ist letztendlich Präsident Trump. Da überlege ich mir sehr genau, was ich in Uniform sage." Seit Trump im Amt ist, geht es in der Umweltpolitik zur Sache. Das Innenministerium hat den Schutzstatus für 700 Grizzlybären aufgehoben. Die Bundesstaaten Wyoming und Idaho gaben daraufhin 23 Tiere zum Abschuss frei, die erste derartige Genehmigung seit 1991. Der Aufschrei von Umweltaktivisten und Native Americans blieb zunächst folgenlos. Erst nach einem Gerichtsurteil in letzter Minute wurde die Jagd abgeblasen, zumindest vorläufig.
Nur im Nationalpark selbst redet niemand darüber. „Wir behalten unsere Meinung lieber für uns", erzählt die Rangerin, die durchblicken lässt, dass sie von der Umweltpolitik der Regierung nicht viel hält. „Es ist nicht so, dass wir beim Essen zusammensitzen und über Trump sprechen würden. Keiner weiß, was der andere denkt, und das ist wahrscheinlich auch besser so." Mit Park-Besuchern rede sie aber auch weiterhin über den Klimawandel und dessen Folgen. „Das lasse ich mir nicht verbieten, und es hat mir auch noch niemand verboten."
Ganz abwegig wäre eine solche Anordnung nicht. In den ersten Tagen der Trump-Präsidentschaft verhängte die Regierung eine Nachrichtensperre, der sich mehrere Institutionen unterwerfen mussten, darunter die Umweltbehörde EPA und der National Park Service (NPS). Nicht alle hielten sich daran. Der Badlands-Nationalpark in South Dakota twitterte: „Noch nie in den letzten 650.000 Jahren gab es so viel CO₂ in der Atmosphäre wie heute." Der Tweet wurde später gelöscht, „ein Missverständnis in der Kommunikation", entschuldigte sich die Behörde.
Gegner formieren sich im internet
Doch das war nur der Anfang. Während bei der Arbeit nur wenige Park-Ranger offen gegen die Trump’sche Umweltpolitik rebellieren, artikulieren sie sich im Internet umso lauter. So gründete sich der sogenannte Alt National Park Service, eine Plattform für Trump-Gegner innerhalb der Behörde. „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Regierung unsere Umwelt und unsere Tierwelt zerstört", heißt es auf der Webseite. Der dazugehörige Onlineshop vertreibt Aufkleber, Saatgut für bienenfreundliche Pflanzen und T-Shirts, auf denen ein Ranger-Hut abgedruckt ist, darunter ein Schlachtruf: „Ich lasse mich nicht mundtot machen."
Wer wirklich dahintersteckt, ist unklar, denn die Gruppe arbeitet komplett anonym. Weder die Betreiber der Webseite noch der offizielle National Park Service reagierten auf Anfragen zu dem Thema. Auch US-Medien waren bisher nicht in der Lage, die Identität der „alternativen Ranger" (sofern es überhaupt welche sind) festzustellen. Sicher ist: Ihre Botschaften fallen auf fruchtbaren Boden. Auf Facebook folgen fast 2,2 Millionen Menschen der Gruppe. Fast täglich erscheinen Posts über Pestizide, Ölbohrungen, Klimastudien, verunreinigtes Trinkwasser, Geldnot in den Nationalparks und Personalabbau bei der Umweltbehörde EPA. Gemeinsam haben die Statements nur eines: Sie beginnen fast immer mit „Die Trump-Regierung hat …", gefolgt von einer neuen Horror-Meldung.
Längst nicht alle Park-Ranger agieren unter dem Deckmantel der Anonymität. In der „Coalition to Protect America’s National Parks" haben sich etwa 1.500 NPS-Angestellte zusammengeschlossen, um außerhalb des staatlichen Apparats für den Naturschutz zu kämpfen. Den Verein gibt es nicht erst seit Trump, sondern schon seit 2003. Gegründet wurde er aus Ärger über die laxe Umweltpolitik des damaligen Präsidenten George W. Bush. Anders als aktuelle NPS-Angestellte können sich die Vereinsmitglieder frei äußern, weil die meisten von ihnen inzwischen pensioniert sind: keine Verpflichtung mehr gegenüber dem Arbeitgeber.
Phil Francis, der Vorsitzende, war früher selbst Park-Ranger. Vor seiner Pensionierung arbeitete er in den Smoky Mountains im Süden der USA. „Als ich 1994 meine Stelle antrat, konnte man die Berge wegen der Luftverschmutzung kaum sehen", sagt Francis. In den vergangenen beiden Jahrzehnten habe sich die Situation dank strengerer Gesetze stetig verbessert. Und in Zukunft? „Sieht es düster aus", meint Francis. Der Boom der Kohlekraft, den die Trump-Regierung so eifrig vorantreibe, könnte die Luft wieder deutlich dreckiger machen. Saurer Regen bedrohe dann nicht nur die Nationalparks, sondern direkt die Gesundheit der Menschen. Und dann noch der Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen.
Keine Antwort aus Washington
Insgesamt 60 Punkte hat der Verein zusammengetragen, die die Regierung aus seiner Sicht anpacken müsste. Gerne würde Francis mit Donald Trump einmal persönlich darüber reden – und wenn nicht mit ihm, dann zumindest mit dem Leiter der Nationalpark-Behörde. Doch die Appelle stoßen auf taube Ohren. „Wir haben schon mehrere Briefe nach Washington geschickt", sagt Francis. Die Antwort? Keine Reaktion.
Im Kongress seien die Abgeordneten zum Glück etwas offener, sogar die republikanischen. Das lasse ihn Hoffnung schöpfen. Überhaupt, die Hoffnung: „Wir hatten in den Nationalparks 331 Millionen Besucher im vergangenen Jahr", erzählt der ehemalige Ranger. Das sei ein enormer Wirtschaftsfaktor. „Die Leute wollen eine intakte Natur, an der sie sich erfreuen können. Sonst kommt niemand, und dann bleibt das Geld aus."
Die Aufklärungsarbeit der „alternativen Ranger" findet Francis besonders wichtig, wenngleich er versichert, er selbst wisse nicht, wer hinter der Kampagne stecke. Trotzdem ist er überzeugt, dass die anonyme Truppe etwas Gutes für die Nationalparks bewirkt. „Für mich gibt es kaum etwas Heroischeres, als sich für die Zukunft unserer Lebensgrundlagen einzusetzen", meint Francis. „Das sind wahre Helden. Amerikanische Helden."